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Hohenheimer Ernährungsinformation

Beta-Carotin ist als Vitamin-A-Quelle unerlässlich und sicher

Stuttgart (ots)

Riskant ist nicht die Über-, sondern die
Unterversorgung. Vitamin-A-Defizite besorgniserregend. Lebensmittel 
und Nahrungsergänzungen mit dem Pro-Vitamin sind nützlich und sicher.
"Wir müssen uns nicht vor zu viel Beta-Carotin schützen, sondern 
vielmehr vor zu wenig! Beta-Carotin aus Lebensmitteln, angereicherten
Säften oder angemessen dosierten Supplementen  können wir als sicher 
ansehen." Dieses Fazit zog Prof. Hans-Konrad  Biesalski  von der 
Universität Hohenheim in Stuttgart jüngst beim 2. Hohenheimer 
Ernährungsgespräch, dessen Gastgeber er war. Denn die Deutschen 
nehmen nicht genügend Beta-Carotin über die Ernährung auf. So können 
sie von wichtigen Schutzfunktionen des Pro-Vitamin A für die 
Gesundheit nicht profitieren. Biesalski und andere führende Experten 
aus Medizin und Ernährungswissenschaft appellierten an die 
Öffentlichkeit, die Versorgung mit Beta-Carotin und Vitamin A in 
Deutschland dringend zu verbessern. Dazu leisten auch 
Vitamin-Präparate und die Anreicherung von Lebensmitteln mit 
Beta-Carotin, wie zum Beispiel bei "ACE"-Getränken, durchaus einen 
sinnvollen Beitrag mit gesundheitlichem Nutzen, so lange die 
Dosierung von Pro-Vitamin-A nicht extrem hoch ist. Darauf wies der 
international renommierte Carotinoid- und Vitamin-A-Forscher Dr. 
Georg Lietz von der britischen Universität Newcastle hin. Was die 
immer wieder diskutierte Sicherheit von Beta-Carotin angeht, so 
erläuterte Biesalski, dass sich diese Frage überhaupt nur für sehr 
hohe Dosen bei Rauchern stelle, jedoch tägliche Mengen bis zu 10 
Milligramm auch für diese Bevölkerungsgruppe unbedenklich seien. Für 
die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung hingegen sieht der 
Ernährungsmediziner jedoch eher das Risiko einer unzureichenden 
Vitamin-A-Versorgung mit negativen Folgen, beispielsweise für das 
Immunsystem, im Vordergrund - und dagegen müsse auch über eine 
ausreichende Aufnahme von Beta-Carotin vorgegangen werden. Der 
durchschnittliche Obst- und Gemüse- aber auch Leberkonsum hierzulande
reicht dafür nicht aus, eine signifikante Steigerung des Verzehrs ist
nicht absehbar.
Beta-Carotin war in den 1990er Jahren ins Kreuzfeuer der Kritik 
geraten, weil in zwei Studien die jahrelange Einnahme sehr großer 
Mengen dieses Carotinoids (das 10 bis 15-fache der empfohlenen 
Tagesdosis) bei starken Rauchern zur einer Erhöhung des 
Lungenkrebsrisikos und der Sterblichkeit geführt hatten. "Die 
Wissenschaft, die damals gehofft hatte, sie hätte mit Beta-Carotin 
ein Wundermittel gegen die gesundheitsschädlichen Wirkungen des 
Rauchens in der Hand, wurde enttäuscht", so Biesalski. Das Rauchen 
selbst sei dabei natürlich das eigentliche Risiko. Bei Nicht-Rauchern
wurden keine negativen Effekte beobachtet. Für diese sei das 
Pro-Vitamin-A absolut unbedenklich und gesundheitsfördernd und für 
Raucher in moderaten Dosen bis 10 mg ebenfalls, was auch die 
Ausführungen der übrigen Referenten bestätigten.
Natürlicher Hautschutz
In der Haut beispielsweise wirkt Beta-Carotin als Schutz vor 
Schäden, die durch intensive Sonnenbestrahlung entstehen können. 
Dieser photo-oxidative Stress, so Prof. Helmut Sies, 
Universitätsklinikum Düsseldorf, könne durch dieses Carotinoid 
neutralisiert werden. Dr. Andrea Krautheim von der Universität 
Göttingen berichtete u. a., dass ein Mix aus Beta-Carotin und anderen
Carotinoiden einen positiven Einfluss auf das Hautbild haben könne, 
jedoch mit Beta-Carotin allein kein "Hautschutz von innen" gegen 
UV-Strahlung zu gewährleisten sei.
Beta-Carotin - entscheidend für die Vitamin-A-Versorgung
Außerdem besitzt Beta-Carotin als Vorstufe (Pro-Vitamin) von 
Vitamin A, das vom Körper u. a. für eine gut funktionierende 
Immunabwehr benötigt wird, einen hohen Stellenwert. Die Deutschen 
bewerkstelligen ihre Versorgung mit Vitamin A zu fast 50 Prozent über
das Pro-Vitamin. Erhebungen wie die jüngste Nationale Verzehrsstudie 
NVS II haben gezeigt, dass ein grosser Teil der Deutschen zu wenig 
reines Vitamin A mit der Nahrung zu sich nimmt. "Bis zu 70 Prozent 
der Vitamin-A-Versorgung in Deutschland müssen daher über 
Beta-Carotin sicher gestellt werden", erklärte Biesalski.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine 
tägliche Zufuhr von 0,8 bis 1,0 mg Vitamin A (Retinol) für gesunde 
Erwachsene - als so genannte Retinol-Äquivalente, unter die dann auch
Pro-Vitamin-A fällt. Um diesen Wert zu erreichen, raten Biesalski und
Sies, täglich 2-4 mg Beta-Carotin aufzunehmen. Der Durchschnitt der 
Bevölkerung bleibt deutlich unter diesen Empfehlungen und geht damit 
weit reichende Gesundheitsrisiken ein. Das Gros der Deutschen isst 
nach wie vor zu wenig Obst und Gemüse (Beta-Carotin-Quellen) bzw. 
Leber und andere Vitamin-A-Lieferanten. Inwieweit sich der Konsum 
dieser Lebensmittel nachhaltig steigern lässt, ist nicht absehbar.
Vitamin-A-Defizite durch Beta-Carotin-abhängige Genvariante
Gleiches gelte für Großbritannien, berichtete Lietz. Sein 
Forschungsteam hat zudem erste Hinweise dafür geliefert, dass ca. 40 
Prozent aller Europäer eine Genvariante besitzen, die sie 
Beta-Carotin nur eingeschränkt im Körper verwerten also z. B. in 
Vitamin A umwandeln lässt. Viele Experten bezweifeln, dass der 
derzeit noch gültige Umrechnungsfaktor 1:6 (für die Bildung von einem
Molekül Vitamin A ist die Aufnahme von 6 Molekülen Beta-Carotin 
notwendig) realistisch sei. Vieles spricht eher für ein Verhältnis 
von 1:12, was einer Zufuhrempfehlung von ca. 7 mg Beta-Carotin pro 
Tag entspräche. Würde man die genetisch bedingte eingeschränkte 
Beta-Carotin-Verwertung mit berücksichtigen, so Lietz, dann würde die
tägliche Einnahmeempfehlung sogar bei 22 mg liegen. Weitere 
Untersuchungen hierzu laufen derzeit.
Ausreichende Beta-Carotin-/Vitamin-A-Versorgung kann 
Infektionskrankheiten vorbeugen
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde angeregt, 
insbesondere in der nasskalten Jahreszeit auf eine ausreichende 
Beta-Carotin- bzw. Vitamin-A-Zufuhr zu achten, um durch eine Stärkung
des Immunsystems insbesondere Erkältungen vorzubeugen.
Oberstes Ziel, so Lietz, sei dabei eine ausgewogene Ernährung, 
wobei mögliche Lücken (z. B. unzureichender Verzehr von Obst, Gemüse 
bzw. Leber) durch Nahrungsergänzungsmittel und angereicherte 
Lebensmittel geschlossen werden sollten.
Mehr Objektivität statt haltloser Vitaminwarnungen
Die Aufklärung der Bevölkerung hinsichtlich Bedarf und Nutzen von 
Mikronährstoffen wie Beta-Carotin würde in Großbritannien oft durch 
journalistisch tätige Ernährungswissenschaftler erfolgen, die 
objektiv informieren würden, ergänzte Lietz. Die in Deutschland in 
diesem Zusammenhang dominierende Sensationsberichterstattung, die im 
Fall von Beta-Carotin meistens vor der Verwendung von Supplementen im
Allgemeinen - ohne Einschränkung auf Risikogruppe oder Dosierung - 
warnt, würde viele Menschen unnötig verunsichern und verängstigen.
Für die regelmäßig wiederkehrenden Schreckensmeldungen zu 
Gefahren, die angeblich von Vitaminen ausgehen, seien nicht zuletzt 
die Forscher verantwortlich. Diese würden zunehmend versuchen, durch 
spektakuläre Theorien, die ohne Beweisführung auf reinen 
Beobachtungsstudien oder Reagenzglasversuchen beruhen, eine 
Publikation zu erreichen.
Abdrucke honorarfrei - Beleg erbeten
2. Hohenheimer Ernährungsgespräch: Müssen wir uns vor Vitaminen 
schützen? Der Fall Beta-Carotin, 23. Oktober 2009, Universität 
Hohenheim, Stuttgart

Pressekontakt:

Jana Tinz
Universität Hohenheim
Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft
tinzjana@uni-hohenheim.de