Beschlüsse der UBI zu Abstimmungssendungen
Bern (ots)
Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI hat eine Beschwerde gegen einen Beitrag der Fernsehsendung "Mise au Point" von RTS über den Hass im Abstimmungskampf zum Covid-19-Gesetz gutgeheissen. Die erhöhten Sorgfaltspflichten im Vorfeld von Volksabstimmungen wurden nicht eingehalten. Andere Beschwerden gegen Publikationen von RTS und SRF erachtete die UBI dagegen als unbegründet und wies diese ab.
Im Rahmen der gestrigen öffentlichen Beratungen berieten die Mitglieder der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI über mehrere Beschwerden, die sich gegen Radio- und Fernsehsendungen von Radio Télévision Suisse (RTS) und Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sowie gegen eine Online-Publikation von RTS richteten.
Zwei Wochen vor der eidgenössischen Volksabstimmung über das Covid-19-Gesetz strahlte RTS am 14. November 2021 in der Fernsehsendung "Mise au Point" einen Beitrag über das verhärtete politische Klima in der Schweiz aus. Namentlich war die Rede von Hassbotschaften gegen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren im Zusammenhang mit den Coronamassnahmen. In der dagegen erhobenen Popularbeschwerde wurde u.a. die Einseitigkeit des Beitrags gerügt. In der Diskussion kamen die Mitglieder der Kommission zum Schluss, dass die aus dem Vielfaltsgebot abgeleiteten besonderen Anforderungen an die Ausgewogenheit und Unparteilichkeit für Sendungen mit einem Bezug zu einer bevorstehenden Volksabstimmung anwendbar sind. Da im Beitrag jedoch praktisch ausschliesslich befürwortende Stimmen zu den Coronamassnahmen zu Wort kamen, vermittelte dieser ein einseitiges Bild von den Verantwortlichen für das verhärtete politische Klima. Eine Mehrheit der UBI-Mitglieder befand, dass der Beitrag damit das Vielfaltsgebot verletzt hat. Die Beschwerde wurde daher mit sechs zu drei Stimmen gutgeheissen (b. 915).
Gegenstand der Diskussionsendung "Infrarouge" von Fernsehen RTS vom 15. September 2021 bildete die Einführung des Covid-Zertifikats. Moniert wurde in einer Popularbeschwerde die Auswahl der Teilnehmenden, die Rolle des Moderators sowie der Umstand, dass wichtige Aspekte nicht erwähnt worden seien. Eine Mehrheit der UBI-Mitglieder erachtete diese Rügen jedoch als unbegründet. So wurde darauf verwiesen, dass es sich nicht um eine grundsätzliche Debatte zum Zertifikat handelte, die Gestaltung transparent war sowie verschiedene und teilweise differenzierte Sichtweisen zum Ausdruck kamen. Das Publikum konnte sich deshalb zu den vermittelten Informationen eine eigene Meinung bilden. Die Anforderungen an die Sachgerechtigkeit sind bei Diskussionssendungen zudem weniger hoch als bei rein redaktionell gestalteten Beiträgen. Die UBI hat die Beschwerde mit sechs zu drei Stimmen abgewiesen (b. 914).
In der Radiosendung "La Matinale" und in einem Online-Beitrag vom 5. Oktober 2021 berichtete RTS über ein Urteil des Genfer Kantonsgerichts gegen einen Anwalt. Die dagegen gerichteten Beschwerden wies die UBI einstimmig ab. Das Urteil wurde korrekt wiedergegeben und auch der Unschuldsvermutung wurde mit dem Verweis auf die Weiterzugsmöglichkeit des Urteils an das Bundesgericht Genüge getan (b. 911).
Am 13. Februar 2022 fand die eidgenössische Volksabstimmung zum Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien statt. Diese Vorlage bildete Thema der Sendung "Tagesgespräch" von Radio SRF vom 14. Januar 2022, an welcher eine Befürworterin und ein Gegner teilnahmen. In der dagegen erhobenen Popularbeschwerde wurde das Verhalten des Moderators in Bezug auf eine Aussage der Befürworterin zu den "Freunden der Verfassung" beanstandet. Die entsprechende Rüge erachteten die Kommissionsmitglieder jedoch aufgrund der transparenten Gesprächsleitung als unbegründet. Die Zuhörenden konnten sich sowohl zu den beanstandeten Sequenzen als auch zu den insgesamt vermittelten Informationen eine eigene Meinung im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebots bilden. Die Sendung erfüllte ebenfalls die besonderen Anforderungen an die Ausgewogenheit und Unparteilichkeit im Vorfeld vor einem Urnengang. Die Beschwerde wurde einstimmig abgewiesen (b. 910).
Am 20. November 2021 demonstrierten in Zürich Tausende Personen gegen die Covid-19- Massnahmen. In einer Popularbeschwerde wurde moniert, dass Radio SRF 1 in seinen Nachrichtensendungen vom 20. November 2021, 23.00 Uhr und 21. November 2021, 00.00 Uhr, 01.00 Uhr, 02.00 Uhr sowie 03.00 Uhr nicht über die Kundgebung berichtet habe. Dazu hätte auch angesichts der bevorstehenden eidgenössischen Volksabstimmung über das Covid-19-Gesetz eine Pflicht bestanden. In der Diskussion wiesen Mitglieder jedoch darauf hin, dass aus dem Programmrecht auch im Vorfeld von Volksabstimmungen nicht abgeleitet werden kann, dass Radio SRF in bestimmten Sendungen zu bestimmten Zeiten über relevante Ereignisse zu informieren hat. Radio SRF 1 hat gleichentags in den drei Nachrichtenbulletins sowie im "Regionaljournal Zürich/Schaffhausen" über die Demonstration orientiert und damit angemessen im Sinne des Vielfaltsgebots darüber berichtet. Die Mitglieder der UBI wiesen die Beschwerde einstimmig ab (b. 912).
Die UBI ist eine ausserparlamentarische Kommission des Bundes, die von der Rechtsanwältin und Kommunikationsberaterin Mascha Santschi Kallay präsidiert wird. Sie besteht aus neun nebenamtlich tätigen Mitgliedern und einem dreiköpfigen Sekretariat. Die UBI hat auf Beschwerde hin festzustellen, ob ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Programmveranstalter oder Publikationen aus dem übrigen publizistischen Angebot der SRG Bestimmungen des Radio- und Fernsehrechts verletzt haben oder ob eine rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zum Programm bzw. zu einer Publikation vorliegt. Entscheide der UBI können nach Vorliegen der schriftlichen Entscheidbegründung beim Bundesgericht angefochten werden. Nach einer rechtskräftig festgestellten Rechtsverletzung kann die UBI das Massnahmenverfahren durchführen, das dazu dient, den Mangel zu beheben und zukünftige ähnliche Rechtsverletzungen zu verhindern.
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