ZHAW - Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften
Eltern verstärken Medienerziehung während der Pandemie
Medienmitteilung vom 24. Juni 2021
ZHAW Departement Angewandte Psychologie in Kooperation mit Jugend und Medien des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV)
Eltern verstärken Medienerziehung während der Pandemie
Familien haben im Frühling 2020 mehr Zeit online verbracht und ihre digitalen Kompetenzen verbessert. Einige Kinder und Jugendliche begegneten häufiger Falschmeldungen oder Hassreden und Eltern intensivierten ihre Medienerziehung, wie eine ZHAW-Studie zeigt.
Der Covid19-bedingte Lockdown im Frühling 2020 hat den Alltag vieler Familien in der Schweiz auf den Kopf gestellt. Die neue Situation veränderte auch das Medienverhalten. Die Familien verbrachten deutlich mehr Zeit mit digitalen Medien und im Internet als in der Zeit vor dem Lockdown. Besonders intensiviert hat sich dabei die Kommunikation über digitale Medien. Dies zeigt eine aktuelle Studie der ZHAW-Fachgruppe Medienpsychologie mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Die Forschenden untersuchten als Teil des internationalen Projekts «Kids' Digital lives in Covid-19 Times» die Veränderungen des Medienalltags von 10- bis 18-jährigen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern während des pandemiebedingten Lockdowns im Frühling 2020.
Soziale Kontakte online pflegen
Mehr als die Hälfte der befragten Kinder und Jugendlichen nutzte Smartphones, Computer oder Laptops und Messenger-Apps häufiger als vor dem Lockdown. «Wir gehen davon aus, dass die Kinder und Jugendlichen digitale Medien vermehrt für die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten einsetzten, aber auch stärker als Zeitvertreib und zur Unterhaltung», sagt Lilian Suter, Mitautorin der Studie. «Zudem wurden digitale Geräte auch vermehrt für schulische Zwecke genutzt.»
Für viele Kinder und Jugendliche war es in der Zeit des Lockdowns herausfordernd, ihre Mediennutzung massvoll zu gestalten. 41 Prozent hatten häufiger oder viel häufiger als vor dem Lockdown das Gefühl, zu viel Zeit mit digitalen Medien zu verbringen. Nur etwas mehr als ein Viertel gab an, dass dieses Gefühl ungefähr gleich häufig wie zuvor auftrat.
Auch Eltern nutzten digitale Medien stärker
Die befragten Eltern berichteten ebenfalls von einer Zunahme ihrer Online-Tätigkeiten während des Lockdowns. Über die Hälfte der Eltern gab an, online häufiger nach Informations-Webseiten oder Nachrichten gesucht sowie mehr Online-Shopping genutzt zu haben. 49 Prozent arbeiteten zudem häufiger oder viel häufiger als vorher von zuhause aus. Die Väter berichteten dabei von einem deutlicheren Zuwachs an Homeoffice als die Mütter. Dies vermutlich, weil Mütter entweder aufgrund der Kinderbetreuung weniger berufstätig sind, eher in einem Teilzeitpensum arbeiten oder aus organisatorischen Gründen bereits vorher häufiger von zu Hause aus tätig waren.
Viele Eltern erkannten dabei auch die Vorteile der digitalen Mediennutzung während des Lockdowns. 84 Prozent der Eltern fanden digitale Medien bei der Informationsbeschaffung wie beispielsweise dem Zugang zu Nachrichten nützlich, 77 Prozent für die Aufrechterhaltung ihrer sozialen Kontakte. Rund drei Viertel der Eltern empfanden digitale Medien zudem für ihre Freizeitbeschäftigung oder ihre Arbeit hilfreich. Die Hälfte der Eltern gab an, dass sie während des Lockdowns als Familie neue digitale Tools entdeckt hätten. 45 Prozent nutzten digitale Medien in der Familie zudem kreativer als vor dem Lockdown.
Digitale Kompetenzen gesteigert
Im Zeitraum des Lockdowns wurde in den Haushalten die Ausstattung mit digitalen Geräten teilweise erhöht, zum Beispiel durch eigene Käufe oder das Ausleihen von Geräten vom Arbeitgeber oder der Schule. Rund ein Viertel der Eltern gab an, dass während des Lockdowns in der Familie mindestens ein neues Smartphone angeschafft wurde.
Der verstärkte Einsatz von digitalen Medien im Alltag sorgte dafür, dass digitale Kompetenzen zunahmen. 69 Prozent der Eltern verbesserten sich im Umgang mit Videokonferenzen. Aber auch in anderen Bereichen wie der Suche nach Gesundheitsinformationen, beim Wissen über Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken und beim Teilen privater Informationen gaben über 40 Prozent der Eltern an, sich verbessert zu haben.
Die Kinder und Jugendlichen verbesserten sich ebenfalls am häufigsten im Umgang mit Videokonferenzen (73 Prozent). Über die Hälfte verbesserte zudem ihr Wissen darüber, welche Informationen sie online teilen sollten und welche nicht, sowie über Änderung der Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken. Und 45 Prozent der Kinder und Jugenlichen legten mehr Wert auf die Überprüfung der Richtigkeit von Informationen aus dem Internet.
Vermehrt Fake News und Hate Speech ausgesetzt
Zwei Fünftel der Eltern machten sich Sorgen darüber, dass ihre Kinder bestimmten Online-Risiken verstärkt ausgesetzt sein könnten. Die vorherrschenden Themen waren dabei «Fake News», Cybermobbing und eine zu intensive Mediennutzung. Auf Seiten der Kinder und Jugendlichen nahmen 31 Prozent einen Zuwachs an Falschmeldungen wahr und rund ein Viertel stiess während des Lockdowns vermehrt auf Hassreden. Von Erfahrungen mit Cybermobbing, Missbrauch von persönlichen Daten oder Kontakt mit unangebrachten Inhalten berichteten 10 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen. Ein Drittel hat häufiger als zuvor erfolglos versucht, weniger Zeit im Internet zu verbringen. Bei diesen Ergebnissen ist anzumerken, dass die Kinder und Jugendlichen während des Lockdowns nicht nur freiwillig mehr Zeit mit digitalen Geräten verbrachten, sondern der schulische Fernunterricht es oft nötig machte, viel Zeit vor einem Bildschirm zu verbringen.
Eltern verstärken Medienerziehung
Als Reaktion auf die verstärkte Mediennutzung und den veränderten Familienalltag intensivierten viele Eltern ihre Medienerziehungsmassnahmen. 44 Prozent der Eltern interessierten sich häufiger als vor dem Lockdown dafür, was ihr Kind online macht. Über ein Drittel der Eltern erklärte dem Kind häufiger als vorher, warum manche Internetseiten unangemessen sind. Und ein Drittel der Eltern verstärkte die Kontrolle der digitalen Aktivitäten des Kindes und kontrollierte zum Beispiel den Browserverlauf. «Da Kinder und Eltern vermehrt Zeit zuhause verbrachten, gab es auch mehr Raum für medienerzieherische Massnahmen», sagt ZHAW-Forscher Gregor Waller, der die Studie zusammen mit seinem Team durchführte.
Durch den verstärkten Einsatz von digitalen Medien in den Familien mussten beispielsweise Medienerziehungsmassnahmen neu ausgehandelt und an die Situation angepasst werden. Väter haben sich im Vergleich zu Müttern bei einzelnen Aspekten der Medienerziehung stärker eingebracht als zuvor. Dies hängt wohl damit zusammen, dass einige Väter durch Homeoffice näher bei ihren Kindern waren als vorher und so ihre Medienerziehung intensivieren konnten.
«Wir hoffen, dass möglichst viele Eltern ihr verstärkes Engagement für medienerzieherische Massnahmen auch nach der Lockdown-Periode weiterführen konnten» sagt Martina Robbiani, Projektleiterin der Plattform Jugend und Medien des Bundesamtes für Sozialversicherungen. «Ihre aktive Begleitung ist wichtig, damit ihre Kinder digitale Medien sicher und verantwortungsvoll nutzen können».
Forschungsprojekt KiDiCoTi
Im Forschungsprojekt KiDiCoTi wurde untersucht, wie sich der Medienalltag von 10- bis 18-jährigen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern während des pandemiebedingten Lockdowns im Frühling 2020 veränderte. Von Interesse waren dabei sowohl die positiven als auch die negativen Erfahrungen mit digitalen Medien in diesem Zeitraum. Untersucht wurden 480 Eltern-Kind-Duos mittels eines Online-Fragebogens. Die Studie ist Teil des länderübergreifenden Projekts «Kids' Digital lives in Covid-19 Times (KiDiCoTi)», an dem insgesamt 15 europäische Länder beteiligt sind. Die vorliegende Stichprobe ist eingeschränkt repräsentativ.
www.zhaw.ch/psychologie/kidicoti
Kontakt
Kontakt zum Autorenteam der Studie via Tanja von Rotz, Leiterin Marketing & Kommunikation, Departement Angewandte Psychologie, Tel. +41 58 934 84 08, E-Mail: tanja.vonrotz@zhaw.ch
Kontakt zum Team Jugend und Medien via Martina Robbiani, Geschäftsfeld Familie, Generationen und Gesellschaft FGG, Kinder-und Jugendfragen, Tel. +41 58 485 07 80, martina.robbiani@bsv.admin.ch
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