Ein NPD-Verbot, ein gewichtiger Schritt Jochim Stoltenberg zur hitzigen Diskussion über Konsequenzen aus der neonazistischen Mordserie
Berlin (ots)
Erschütterung, Empörung und Nichtbegreifen, dass eine Nazi-Bande in den vergangenen elf Jahren mitten in Deutschland mindestens zehn Menschen ermordet hat, sind grenzenlos. Die Bundeskanzlerin hat Recht, wenn sie von einer Schande für Deutschland spricht. Die in Leipzig tagende CDU war denn auch gut beraten, es nicht bei verbaler Abscheurhetorik zu belassen. Der eingebrachte Initiativantrag, in dem die Prüfung eines erneuten NPD-Verbotsantrags gefordert wird, geht einen Schritt weiter. Er würdigt die grausige Dimension der bislang bekannten Mordserie an acht Deutsch-Türken, einem Griechen und einer deutschen Polizistin. Und er ist wohl auch eine Reaktion auf den politischen Druck aus dem In- und Ausland. Vor allem aber ist er ein gewichtiger Schritt. Nichts darf unversucht bleiben, endlich Licht in die Finsternis zu bringen, in der jahrelang gemordet worden ist. Aufgehellt werden muss nicht allein alles über die Täter und deren denkbarer weiterer Barbarei. Mindestens ebenso wichtig ist die Aufhellung ihres politischen Umfelds, ihrer möglichen Unterstützer und Hintermänner. Und da kommt zwangsläufig auch die NPD ins Spiel. Dabei ist letztlich nicht entscheidend, ob die neonazistische Bande direkte Verbindungen zu der rechtsextremistischen Partei hatte. Zweifellos übte die NPD mit ihrer nationalistischen, rassistischen und ausländerfeindlichen Propaganda Wirkung und Einfluss auf das Trio aus, das sich ja wohl kaum zufällig den Kampfnamen "Nationalsozialistischer Untergrund" gegeben hat. Ein Verbot der NPD erneut zu prüfen, wie es die CDU jetzt fordert, öffnet allerdings nicht schon automatisch die Tür zu einem neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht. Denn der will - wenn denn nach der Blamage von 2003 ein weiterer Versuch gewagt würde - deutlich gründlicher und entsprechend der Auflagen der Karlsruher Richter vorbereitet sein. Zugleich stellte sich einmal mehr die Opportunitätsfrage: Was ist hilfreicher für die Bekämpfung des Neonazismus in Deutschland und damit für die Sicherheit im Lande: Eine die Verfassung nicht ernst nehmende NPD, über deren Tun und Lassen aber eingeschleuste V-Leute den Sicherheitsbehörden berichten - oder Abzug der Mittelsmänner als Voraussetzung für einen erfolgversprechenden Verbotsantrag? Für beide Überlegungen gibt es gute Argumente. Sie im Lichte der schrecklichen Mordserie neu zu prüfen, liegt also auf der Hand. So verständlich dabei derzeit Empörung und Emotion sind - am Ende muss ganz nüchtern und rational und nach Erfolgsaussicht entschieden werden. Eine zweite Niederlage vor Gericht darf sich die Demokratie nicht leisten. Schließlich gilt auch das zu bedenken: Ein NPD-Verbot wäre nicht das Ende des Rechtsextremismus, sondern sein vollständiges Abtauchen in den Untergrund. Die Prüfung der Sinnhaftigkeit eines Verbotsantrags wird Zeit in Anspruch nehmen. Vordringlicher ist eine andere penible Untersuchung: Warum hat der Verfassungsschutz im Bund und in den Länder so kläglich versagt? Steckt hinter der Hilflosigkeit der Schlapphüte etwa System?
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