Ein Sachbündnis ohne Masterplan - Leitartikel
Berlin (ots)
Nach zehn Jahren wird es also wieder eine große Koalition in Berlin geben: Die Verhandlungen zwischen SPD und CDU über ein Regierungsbündnis sind in der Nacht zu Mittwoch abgeschlossen worden. Unter der Überschrift "Starke Wirtschaft, gute Arbeit, sozialer Zusammenhang" wollen die beiden Parteien in den nächsten fünf Jahren zusammenarbeiten und die Stadt gestalten. Ein solches Motto für Berlin ist gut und richtig, macht aber auch schon das Problem deutlich: Diese Aussage könnte jede Partei, sogar die Linke, unterzeichnen - der große Wurf fehlt in diesem Koalitionsvertrag, nirgendwo eine Schwerpunktsetzung oder gar die einende Idee für die Gestaltung Berlins. Natürlich, es gibt viele Punkte im Koalitionsvertrag, die sind für Berlin von großer Bedeutung und versprechen eine bessere Politik als in den vergangenen Jahren. Das jahrgangsübergreifende Lernen in der Grundschule ist kein Zwang mehr, die Schulen können nun selbst über dieses Angebot entscheiden. Auch die Abschaffung des kostspieligen öffentlichen Beschäftigungssektors ist richtig, denn damit konnten nur selten Erwerbslose in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Der Ausbau der Stadtautobahn A 100 wird endlich nicht mehr diskutiert, sondern realisiert, das Straßenausbaubeitragsgesetz wieder abgeschafft - auch das eine kluge Entscheidung. Daneben gibt es - weil in jeder Verhandlungsrunde die eine oder andere Partei mal nachgeben musste - aber auch etliche Punkte, die nur mit Geben und Nehmen, nicht aber mit einer klaren politischen Linie zu erklären sind. Die neue zentrale Landesbibliothek für die irrwitzige Summe von 270 Millionen Euro braucht Berlin nicht. Viel sinnvoller wäre es, die bestehenden zu sanieren. Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer schadet den Berlinern, eine City Tax wird zwar keine Touristen abhalten, ist aber ein unschönes Signal für eine Stadt, die schon jetzt von Besuchern aus aller Welt profitiert. Steuererhöhungen passen einfach nicht zum Plan, die Wirtschaft zu stärken. Was die Neuauflage von Rot-Schwarz spannend gemacht hätte, wäre ein Ziel - in Hamburg nannte man das einmal Masterplan für die Stadt. Zwar setzen SPD und CDU auf neue Investitionen - wie den Bau von 30.000 Wohnungen, den Straßenausbau oder die Gestaltung des bald stillgelegten Flughafens Tegel -, aber auch all dies fügt sich nicht zu einem Konzept. Berlin wird nicht zur Gesundheitsstadt ausgebaut, es werden noch nicht einmal die Zuständigkeiten für Charité, Vivantes und all die anderen Bereiche, in denen es um das Zukunftsthema Gesundheit geht, in einem Senatsressort gebündelt. Berlin soll nicht die Klimahauptstadt Deutschlands werden, von Umwelt- und Klimaschutz war bei der Präsentation des Koalitionsvertrages keine Rede. Sehr schade. Wie jeder neuen Regierung gebührt auch diesem Senat eine 100-Tage-Frist, um sich ins Amt zu finden und eigene Zeichen zu setzen. Vielleicht schaffen es ja die Senatoren, ihrer Politik eine erkennbare Linie zu geben, zu zeigen, wo Berlin in fünf Jahren stehen, und vor allem besser dastehen soll als heute. Der Senat wird Anfang Dezember ins Amt kommen, ab dann läuft die Zeit.
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