Eine stabile Regierung ist gut für Berlin - Leitartikel
Berlin (ots)
Zum Schluss haben zwei Stimmen gefehlt: Klaus Wowereit ist am Donnerstag im Abgeordnetenhaus mit 84 Stimmen wieder zum Regierenden Bürgermeister gewählt worden. Die neue große Koalition verfügt über 86 Abgeordnete, offensichtlich haben also mindestens zwei Abweichler aus den Reihen von SPD und CDU Wowereit ihre Stimme verweigert. Vielleicht aber auch mehr, denn die Piraten hatten die Abstimmung freigegeben - angeblich haben sich zwei von ihnen für den SPD-Mann entschieden. Das würde Wowereits schlechte Laune nach der Wahl erklären. Aufklären wird sich aber wohl nie, wer die Abweichler waren - es ist aber auch müßig. 84 Stimmen sind 84 Stimmen und stehen für eine stabile Koalition. Eine stabile Regierung, die SPD und CDU dann in einer Woche bilden, wenn die acht Senatorinnen und Senatoren offiziell ernannt sind, braucht Berlin dringend. Denn auch wenn sich viele Menschen an den Zustand in der Stadt gewöhnt haben: Es gibt eine Menge zu tun. In der Bildungspolitik, wo Berlin erst in dieser Woche bei einem bundesweiten Vergleich zum lebenslangen Lernen auf einem hinteren Platz gelandet ist. Nicht zum ersten Mal - und dies, obwohl der Senat doch viel mehr Lehrer finanziert als andere Bundesländer. Auch bei der inneren Sicherheit muss mehr getan werden, erinnert sei nur an die brutalen Überfälle in U- und S-Bahnen, an die zahlreichen Autobrandstiftungen. Mehr Polizei auf den Straßen, mehr Mitarbeiter der Ordnungsämter, die in den Kiezen unterwegs sind - die Beschlüsse der großen Koalition machen Hoffnung, dass sich hier etwas ändert. Eine stabile Regierung ist darüber hinaus gut für die Wirtschaft, denn die Erwerbslosigkeit ist wegen des Aufschwungs in den vergangenen Monaten zwar auch in Berlin gesunken, mit 12,5 Prozent aber immer noch sehr viel höher als in den anderen Ländern. Die Chance besteht, dass mit einem neuen CDU-Wirtschaftssenator - vielleicht sogar einer neuen CDU-Wirtschaftssenatorin - die Investoren wieder ernster genommen werden als in den vergangenen zehn Jahren, dass sie nicht wochenlang auf einen Termin beim Senator warten müssen. Und vor allem: dass die Unternehmer wieder Vertrauen in den Senat fassen. Für Klaus Wowereit ist es die dritte Amtszeit nach dem Bruch der großen Koalition im Jahr 2001 und den vorgezogenen Neuwahlen. Er hat sich für die nächsten fünf Jahre für die CDU als Koalitionspartner entschieden, eine Partei, die nach zehn Jahren in der Opposition unbedingt wieder regieren will, die sich unter ihrem Landes- und Fraktionsvorsitzenden Frank Henkel auch verändert hat. Es tut dem Berliner Senat sicherlich gut, wenn zumindest eine der beiden Parteien extrem motiviert an die Arbeit geht, etwas ändern und anders gestalten will. Und auch das ist wichtig: Die Koalitionsverhandlungen haben gezeigt, dass Wowereit und Henkel gut miteinander können, dass sie sich respektvoll behandeln. Es wäre wichtig für Berlin, wenn der Regierende Bürgermeister und Henkel, der Innensenator und Wowereits Stellvertreter im Senat werden soll, das auch während der nächsten fünf Jahre fortsetzen. Es liegt an ihnen.
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