Autofahrer zwischen Schlagloch und Schikane - Leitartikel
Berlin (ots)
Der Autofahrer sollte in diesem Land eigentlich König sein. Doch statt ihn zu schätzen, wird er geschröpft. Und nicht nur das. Ihm wird der fahrbare Untersatz in seinen höchst unterschiedlichen Qualitäten auch noch miesgemacht, weil er Abgase produziert und ein "Umwelt-Killer" ist. Ungestört fahren darf er auch immer seltener, weil auf den Straßen des Landes gebuddelt wird wie im Sommer an den Stränden der Ostsee. Doch der Reihe nach. Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland steht direkt oder indirekt mit dem Automobil in Verbindung. Wenn also der Autofahrer befolgen würde, was die Umweltapostel von ihm fordern, ginge es dem Land ziemlich schlecht. Aber dafür, dass er Konjunkturmotor ist, wird er nicht etwa gelobt, sondern zur Kasse gebeten. Insgesamt 53 Milliarden Euro zahlt er pro Jahr für Mineralöl-, Kraftfahrzeug- und Mehrwertsteuer, zudem noch Lkw-Maut in die Kassen von Bund und Ländern. Etwa so viel wie die Etats vom Bundesverteidigungs- und Bundesverkehrsministerium zusammen. Allerdings dient nur ein Bruchteil davon dem Neubau, Ausbau oder schlicht der Reparatur der Straßen. Da wundert es nicht, dass sich die Staulänge hierzulande, so hat der ADAC errechnet, in diesem Jahr auf 450000 Kilometer ausgedehnt hat. Unter den Bundesländern übrigens hält Nordrhein-Westfalen den Stau-Rekord. Für den staugeplagten Berliner Autofahrer allerdings ist das nur ein schwacher Trost. Es ist ja gut, dass Berlins Schlaglochpisten endlich saniert und einsturzgefährdete Brücken gerettet werden. Dass das nicht störungsfrei möglich ist, leuchtet jedem Autofahrer ein. Aber seit Jahren ist ihm unbegreiflich, dass offensichtlich jede Behörde buddeln lässt, wo es ihr gerade einfällt. So werden selbst lächerlich kleine Reparaturarbeiten zur Hauptverkehrszeit - wie kurz vor Weihnachten am Potsdamer Platz - zu Staufallen, die mehr Schikane als Sorge um den Zustand der Fahrbahn vermuten lassen. Weil auch noch BVG, Vattenfall und Berlin Wasser jeder für sich im märkischen Sand graben, gleicht Berlin zunehmend einer einzigen großen Buddelkiste. Mal erlaubt der Bezirk, mal der Senat, wer wo zu Bagger und Schippe greifen darf. Deshalb soll es sogar eine Koordinierungsstelle geben, die alle Bauarbeiten abstimmt. Die steht offensichtlich nur auf dem Papier. Anderenfalls würde es insbesondere in Mitte nicht regelmäßig zum Verkehrskollaps kommen. Der neue Verkehrssenator Michael Müller sollte eine seiner vordringlichsten Aufgaben deshalb darin sehen, ein gesamtstädtisches Straßenbaumanagement zu erarbeiten. Ziel muss sein, die Staus zu reduzieren und den Verkehrsfluss nicht noch durch Minibaustellen allerorten zusätzlich zu bremsen. Mit keiner anderen Maßnahme kann sich der neue Senator bei den Berlinern mehr profilieren. Und noch eine dringliche Empfehlung: Angesichts der bereits angekündigten Großbaustellen, im neuen Jahr wieder in Mitte konzentriert, darf die Straße des 17. Juni nicht länger für jedes zweit- und drittklassige Event gesperrt werden. Solche Genehmigungen kann nur erteilen, wer Spaß am programmierten Verkehrschaos hat. Das aber haben Berlins ohnehin gebeutelte Autofahrer wirklich nicht verdient.
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