Leitartikel
Berliner setzen wieder auf Berlin
Berlin (ots)
Der fiebrige Ausverkauf der Berliner Innenstadtkieze an kleinere und größere ausländische Investoren, der Mitte der Nuller-Jahre eingesetzt hatte, gehört offensichtlich der Vergangenheit an. An die Stelle von Schweden, Spaniern oder Amerikanern treten zunehmend wohlhabende Berliner und andere Deutsche, die ihr Geld in Berliner Wohnimmobilien stecken. Die Nachricht lässt aufhorchen. Schließlich galt die deutsche Hauptstadt über Jahre weltweit als heißes Immobilien-Pflaster. Die Stadt zog nicht nur Vertreter der großen Fonds an. Tausende von Privatleuten wurden von findigen Maklern gleich gruppenweise eingeflogen. Jetzt steigen viele aus, um ihre Gewinne mitzunehmen oder weil sie wegen der Finanzkrise keine Finanzierung mehr für Anschlusskredite bekommen. Wer im Überschwang die 17- oder 18-fache Jahresmiete für einen Altbau bezahlte, ohne die Regeln des deutschen Mietrechts zu kennen, muss verkaufen, um seine Verluste aus dem laufenden Geschäft auszugleichen. Für die Stadt und ihre Bewohner ist der Umschwung auf dem Markt für Wohnimmobilien eine gute Nachricht. Nicht, weil inländische Hauseigentümer netter zu ihren Mietern wären als Ausländer. Auch nicht, weil etwas dagegen spräche, im Haus eines italienischen Arztes oder eines holländischen Software-Millionärs zu leben. Das nachlassende weltweite Interesse kann jedoch Druck vom überhitzten Kessel des Berliner Wohnungsmarktes nehmen. Vor einer Krise oder dem Platzen einer Immobilienblase à la Spanien braucht sich niemand zu fürchten. Berlin wächst, gerade in Innenstadtlagen ist kein Wertverlust in Sicht. Es ist ein Zeichen für eine solide Perspektive der Berliner Wirtschaft, wenn jetzt lokale Akteure in den Markt einsteigen und Häuser langfristig halten wollen. Auch Kenner der Verhältnisse haben Vertrauen, dass sie ihr Geld mit Berliner Immobilien sichern sowie eine vernünftige Rendite erwirtschaften können. Sie gehen zu Recht davon aus, dass es auch in Berlin inzwischen ausreichend Menschen mit guten Einkommen gibt, die für eine schöne Wohnung in guter Lage auch zehn Euro Miete pro Quadratmeter zahlen können. Das Interesse der Inländer an Berliner Mietshäusern belegt auch den Imagewandel, den die Stadt in den vergangenen zwei, drei Jahren hinbekommen hat. Neukölln gilt eben nicht mehr nur als Problembezirk, sondern ist inzwischen auch ein hipper Wohn- und Ausgehkiez geworden. Diese Entwicklung verdankt Berlin übrigens zu einem Gutteil dem vorurteilsfreien Blick aus dem Ausland zugezogener Kreativer, die oft die Vorhut bilden, wenn ein Stadtteil aufgewertet wird. Für die Stadtpolitik stellt sich die dringende Aufgabe, dort einzugreifen, wo der Markt eben keine gesunde Entwicklung eines Stadtteils ermöglicht. In den Großsiedlungen am Stadtrand ballen sich die sozialen Probleme, die aus der immer mehr aufgeräumten Innenstadt allmählich verschwinden. Der neue Senat aus SPD und CDU muss hier Ausgleich schaffen und überdies den Armen ermöglichen, auch weiterhin einen Platz in den gefragten Bezirken zu behalten. Egal, ob die Häuser nun gut betuchten Schweden oder wohlhabenden Berlinern gehören.
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