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Jetzt wird's ein Superwahljahr - Leitartikel von Marius Schneider

Berlin (ots)

Parlamentarismus ist doch eine wunderbare Sache. Viele gähnen zwar über diese seltsame Folklore des sich gegenseitig Gesetzentwürfe Vorlesens von Koalition und Opposition, bei dem am Ende doch alle entlang den Fraktionsmehrheiten nicken. Doch es gibt sie eben doch noch, diese raren Sternstündlein der parlamentarischen Demokratiebühne, in denen alles anders läuft als geplant. So wie am Mittwoch in Düsseldorf: Ein Haushaltsgesetz mit Rekordverschuldung, eine kleine taktische Volte der Regierung zu viel, ein kleiner Blick in die Geschäftsordnung zu wenig, und schon ist der Einzeletat des Innenministers von der Opposition abgelehnt, der Gesamthaushalt zerschossen und die rot-grüne Landesregierung gleich mit. Kleines Theater, große Wirkung - einfach schön. Und jetzt? Für nicht wenige in der SPD ist Hannelore Kraft, deren Minderheitsregierung am Mittwoch gescheitert ist, so etwas wie "Mutti in Rot" - also in Wahrheit die natürliche Antwort der SPD auf die ewige Kanzlerin Angela Merkel. Auch sie ist eher nüchtern als blumig, wenn auch mit einem Hauch weniger Physikerfrost als die Kanzlerin. Auch sie hat jene stille Courage, die wohltuend wirkt im Gegensatz zu den Guttenbergs, Westerwelles, Wulffs - und manchmal auch Gabriels. Und auch sie hat gezeigt, dass sie sich in durchaus ungemächlichen Situationen mit Härte und Unbeirrbarkeit über Wasser halten kann. So hat sie ihre Minderheitsregierung mit den Grünen geschmiedet - und so hat sie die jetzt auch wieder platzen lassen. "Klare Kante" heißt ihr Credo - klingt gut und macht manchmal aus Scheitern Gold. Jetzt also Neuwahl und damit Zeit der Bewährungsprobe. Nicht nur für Hannelore Kraft, sondern für die gesamte SPD. Denn gewinnt Hannelore Kraft Nordrhein-Westfalen einigermaßen überzeugend, hat die Partei endgültig keine Gabriel-Steinmeier-Steinbrück-Troika mehr, sondern eine Viererbande. Und mithin eine neue potenzielle Kanzlerkandidatin, die den Jungs eines klar voraushätte: eine gewonnene Wahl. Und das nicht nur im alten Kernland der SPD, sondern in der gesamten Republik. NRW ist Minideutschland - wer's hier schafft, so meinen Politstrategen gerne, der schafft's ja vielleicht auch im Bund. Das gilt aber auch für die Union. Denn da muss jetzt Norbert Röttgen ran. Und auch der muss zeigen, dass er nicht nur Umweltminister kann, sondern auch Wahlkämpfer. Schafft er das und holt ein paar Prozentpunkte mehr als die SPD, hat Frau Merkel wieder einen kleinen Kronprinzen - ob sie will oder nicht. Auch wenn er deshalb wohl trotzdem nicht Ministerpräsident wird. Ohne die FDP, die in den Umfragen bei zwei Prozent liegt, wird das kaum möglich sein. Zumindest könnte Röttgen sowohl Grüne als auch die SPD mit einer Machtoption locken - ein erster Test für die Möglichkeiten der Union im Bund. Es wird also ein echtes Superwahljahr, das da beim vermeintlichen Routineakt der Haushaltsverabschiedung im Düsseldorfer Landtag angestoßen wurde: erst der Bundespräsident, dann das Saarland, Schleswig-Holstein und NRW, schließlich im Januar Niedersachsen. Nicht schlecht für ein Jahr, das nur als Aufwärmrunde für den Großen Preis von Berlin 2013 geplant war. Es wird spannend.

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