Regulierung macht Tanken noch teurer - Leitartikel von Birger Nicolai
Berlin (ots)
Ist schon einmal jemandem aufgefallen, wie ruhig die Mineralölkonzerne sich in der aktuellen Diskussion um eine Preisregulierung verhalten? Wie wenig Aral, Shell, Esso, Total und Jet zu Preismodellen aus Westaustralien oder Österreich zu sagen haben? Diese fünf Konzerne beherrschen den deutschen Benzinmarkt, und ausgerechnet sie halten sich aus der Debatte um eine Preisfestlegung heraus? Die Zurückhaltung der Öllobbyisten hat einen Grund: Die Ölmanager wissen ganz genau, dass sie die großen Gewinner eines staatlichen Eingriffs in ihre Preisgestaltung wären. Denn so sähe der Alltag an der Tankstelle mit einem derartigen Gesetz in Zukunft aus: Tankstellenbetreiber müssten einer Behörde am Vorabend mitteilen, zu welchem Preis sie am nächsten Tag und für die dann kommenden 24 Stunden ihr Benzin und Diesel verkaufen wollen. Den großen Tankstellenketten wäre möglich, in der einen Region mit hohen Preisen zu arbeiten und in der anderen mit niedrigen Kampfangeboten. Man muss ihnen nichts Unredliches unterstellen: Aber die Ölkonzerne hätten leichtes Spiel, Konkurrenten aus dem Mittelstand an die Wand zu drängen. Argumente für eine solche Preisregulierung kommen aus der Politik - und aus der Unwissenheit. Niemand, der sich mit den Benzinmärkten in Österreich oder Australien beschäftigt hat, wird sich die Verhältnisse für den deutschen Tankstellenmarkt wünschen. Dort sind die Preise nachweislich gestiegen. Eines wurde jedoch in unserem Nachbarland erreicht: Das ewige Auf und Ab der Preise ist vorbei - und die Österreicher regen sich heute nicht mehr so sehr über teures Benzin auf wie früher. Wenn deutsche Autofahrer das genauso haben wollen, hilft ihnen ein solches Gesetz mit Sicherheit. Aber selbst wenn noch längst nicht absehbar ist, ob aus der Initiative mehrerer Bundesländer am Ende eine gesetzliche Regulierung des Tankstellenmarktes herauskommen wird: Schon jetzt ist klar, dass ein wesentlicher Teil dieses Marktes, nämlich die freien Tankstellen mit ihren Organisationen, dagegen vor Gericht ziehen werden. Das haben ihre Vertreter bereits angekündigt. Der freie Mittelstand steht für rund ein Viertel des deutschen Benzinverkaufs. Eine Preisbindung, die diesen Anbietern jede Reaktionsmöglichkeit auf die großen Ölkonzerne nimmt, ist für sie der Todesstoß. Und noch etwas könnte auffallen: Aus dem Bundesverbraucherministerium gibt es bislang keine Unterstützung für eine Preisregulierung dieser Art. Wie zu hören ist, hat sich das Ministerium im mittelständischen Tankstellengewerbe zu dem Thema intensiv umgehört. Das ist doch ein weiterer Beleg dafür, wie unausgegoren dieser Versuch ist. Kurz vor den Ostertagen und mit den Sommerferien im Blick regt ein Benzin-Rekordpreis die Autofahrer zu Recht auf. Sie sollten sich deshalb aber nicht gleich von Politikern, die im Wahlkampf sind oder sonst wie nach Aufmerksamkeit streben, ein X für ein U vormachen lassen. Der einzige Weg, der dem deutschen Tankstellenmarkt zu mehr Wettbewerb verhilft, ist, den Mittelstand zu unterstützen. In dem Feld kann die Politik mithilfe des Bundeskartellamts noch einiges bewirken - etwa eine tatsächlich wirksame Kontrolle der Großhandelspreise, die die freien Anbieter den Ölkonzernen an der Raffinerie bezahlen müssen. Aber diese Arbeit ist unspektakulär und bringt keine Schlagzeilen auf der ersten Seite.
Kontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de