Mehr als ein Sommertheater
Leitartikel von Christine Richter
Berlin (ots)
Bayern macht Ernst: Die Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beschloss am Dienstag, vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen den Länderfinanzausgleich einzureichen. Lange Zeit hat Bayern - unterstützt von zwei anderen Geberländern Baden-Württemberg und Hessen - mit einem solchen Schritt gedroht, nun also wird die Klage eingereicht. Das sollte, das muss man ernst nehmen. Fast alle Kritiker dieser Entscheidung waren sich am Dienstag einig, dass Seehofer & Co dies nur wegen der bayerischen Landtagswahl im nächsten Jahr beschlossen hätte. Da mag auch was dran sein, denn die Umfragewerte für Seehofer und für die CSU sind schlecht. Seehofer muss mit Stimmenverlusten rechnen, da tut er alles, um als starker Mann und Macher zu gelten. Siehe den Streit über das von der CSU geforderte Betreuungsgeld, die anhaltenden Drohungen gegenüber der schwarz-gelben Koalition in Berlin, diese platzen zu lassen, oder jetzt die Klage gegen den Länderfinanzausgleich. So will Seehofer beim Wähler im eigenen Land Eindruck machen. Ob ihm das gelingen wird, wird sich erst nach der Wahl im September 2013 zeigen. Doch die Verfassungsklage sollte keiner zu leicht nehmen, denn die Fakten sind auch für die Nicht-Finanzpolitiker beeindruckend: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland zwischen den reichen und den armen Bundesländern - also zwischen Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg auf der einen Seite und allen anderen Bundesländern auf der anderen Seite - insgesamt 7,3 Milliarden Euro umverteilt. Allein Bayern musste 3,66 Milliarden Euro aufbringen. Und Berlin, das überschuldete Land Berlin, erhielt aus diesem Topf dann mehr als drei Milliarden Euro - als größter Empfänger unter den Nehmerländern. Daraus jedoch ergeben sich viele Fragen: Bayern leistet sich keine drei kostenfreie Kita-Jahre, Berlin dagegen schon. In Bayern gibt es keine zusätzlichen Leistungen für Hartz-IV-Empfänger wie etwa den Berlinpass, mit dem Erwerbslose vergünstigt in Theater kommen. Wir dagegen haben drei Opernhäuser, der Senat kauft gerade mit viel öffentlichem Geld die Anteile an den Wasserbetrieben zurück, auch in der Wohnungspolitik wird auf Mieteinnahmen verzichtet. Politisch ist all dies gewollt, aber ohne die Hilfe der anderen Bundesländer ginge es wohl nicht. Müssen also die reichen Länder die Wohltaten in den armen Ländern mitfinanzieren? Eine Frage, die ein Bundesverfassungsgericht angesichts solcher Fakten vielleicht anders sieht als noch 1999, als es auch zum Finanzausgleich urteilte. Der Berliner Senat erklärte am Dienstag, man stehe der Verfassungsklage gelassen gegenüber. Vielleicht wäre es besser, wenn die politisch Verantwortlichen gemeinsam mit den Vertretern aller Bundesländer schleunigst nach einer besseren Lösung für und zwischen den Ländern arbeiten würden. Denn 2019, da läuft der Länderfinanzausgleich in der jetzigen Form spätestens aus. Ganz unabhängig von der Klage.
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