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Verdrängtes Problem am BER
Leitartikel von Hans Evert

Berlin (ots)

Nein, die Lufthansa meint es nicht gut mit Berlin. Sie wird nun nicht, wie es das Management erwogen hatte, ihr Tochterunternehmen für Deutschlandflüge in der Stadt ansiedeln. Also wird es auch nichts mit einer guten Nachricht, die einige in Berlin so gut gebrauchen könnten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zum Beispiel, dessen Popularität gerade von einem leer stehenden Flughafenterminal aufgefressen wird. Oder Frank Henkel, Innen- und amtierender Wirtschaftssenator, den der Skandalstrudel um das NSU-Terrortrio mitzureißen droht. Der bedauernswerte Flughafenchef Rainer Schwarz schließlich hätte mal wieder über etwas Anderes reden können als über unverbindliche Eröffnungstermine. Ihnen allen versagt die Lufthansa einen Gefallen. Stattdessen stärkt sie ihre Billigtochter Germanwings am Standort Köln und überlässt Berlin seiner beginnenden Herbstdepression.

Die Seelentrübung könnte sich noch verschlimmern. Draußen vor der südöstlichen Stadtgrenze, da wo der Flughafen nicht fertig, dafür aber immer teurer wird, gibt es ein großes, verdrängtes BER-Problem. Die Lufthansa-Entscheidung erinnert daran. Es geht dabei um eine ähnlich bohrende Frage wie die nach Eröffnungstermin und Finanzierung. Sie lautet: Was für Einnahmen wird der BER haben, wenn er irgendwann den Betrieb aufgenommen hat? Germanwings mit eigener, 90 Flugzeuge großen Flotte, wäre als verlässlicher Gebührenzahler mehr als willkommen gewesen. Dass nun daraus nichts wird, ist umso schmerzhafter, weil jene Fluggesellschaft, für die der BER so ungemein hohe Bedeutung hat, in ihrer Existenz bedroht ist. Air Berlin fliegt hoch verschuldet und verlustreich. Die Verschiebung der BER-Eröffnung kostet Monat für Monat zusätzliche Millionenbeträge. Geld, das Airline-Chef Hartmut Mehrdorn im Grunde nicht hat. Was machen die Flughafengesellschafter, wenn Air Berlin pleite geht? Findet sich ein Unternehmen, das einspringt oder muss der Konzern mit Staatsmitteln gerettet werden? Wie erklärt man das dann der EU-Kommission in Brüssel, die jetzt schon skeptisch auf die Finanzierung des Neubaus schaut?

BER und Air Berlin sind schicksalhaft aneinander gekettet. Wie zwei Freunde, die einander derzeit nicht stützen können. Der neue Flughafen in Schönefeld soll das internationale Drehkreuz für Deutschlands zweitgrößte Luftfahrtlinie werden. Das Gros der Einnahmen, Gebühren für Start und Landung, erhofft die Flughafengesellschaft von Air Berlin. Experten sprechen davon, dass an Drehkreuzen bis zu 75 Prozent der Gebühren von einer Gesellschaft kommen. In Frankfurt und München funktioniert das gut und ist ein lohnendes Geschäft.

In Berlin hingegen sieht es so aus: Es entsteht ein Flughafen, und unklar sind nicht nur Baufortschritt und Baukosten sondern auch der Fortbestand des wichtigsten Kunden. Dieser Herausforderung müssen sich die Politiker gerade hier stellen. Jeder Laie sieht, dass eine Aufgabe komplexer kaum sein kann. Doch in Berlin taumeln gerade die wichtigsten Entscheider wie angeschlagene Boxer in der Schlussrunde. Es sieht nach schwerer Herbstdepression aus.

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