Ein Kandidat von Gnaden Hajo Schumacher über die Kür von Peer Steinbrück zum Herausforderer von Angela Merkel
Berlin (ots)
So, nun ist es raus. Peer Steinbrück wird die SPD in den Bundestagswahlkampf führen. Der Kopilot der großen Koalition, den Deutschen als krisenfester Navigator während der Finanz-Turbulenzen 2008 in Erinnerung, fordert seine damalige Chefin heraus. Eine spannende Konstellation: ein Sozialdemokrat mit ökonomischem Hintergrund gegen die Christdemokratin mit sozialem Touch - das Duell erinnert an Schröder/Kohl 1998. Als eine Art Schröder zwo soll Steinbrück Wähler der Mitte anlocken. Der Unterschied: Dem zur Besserwisserei neigenden Steinbrück, der das SPD-Kernland Nordrhein-Westfalen verlor, fehlt das Wahlkampf-Talent des Altkanzlers. An Merkel hingegen haben sich die Deutschen offenbar noch nicht so sattgesehen wie seinerzeit an Kohl. Schröder hatte mit Lafontaine zudem den perfekten Hütehund für die Traditionalisten an seiner Seite. Eine frühe Nominierung werde jeden Kandidat verschleißen, lautete bisher das Dogma. Falsch. Der in der SPD relativ einsame Steinbrück wird die kommenden zwölf Monate brauchen, um Ortsverein für Ortsverein zu erobern. Mehr noch als Frank-Walter Steinmeier steht der kühle Norddeutsche für das Spaltungs-Trauma der Ära Schröder/Lafontaine, die in der Abspaltung der Linkspartei gipfelte. Nur eine mobilisierte und geschlossene SPD aber wird in einem unübersichtlichen Sechs-Parteien-Arrangement eine rot-grüne oder rot-grün-gelbe Koalition zustande bekommen. Dass Steinbrücks Wahlkampf vor allem auf den eigenen Laden zielt, beweist sein forsches Bankenpapier. Hier trifft der einstige Finanzminister die frühere Chefin zugleich an ihrer empfindlichsten Stelle: Weder die CDU noch ihre Vorsitzende haben viel ökonomische Kompetenz zu bieten. Und die in der Finanzkrise versprochenen Zähmungen der Geldwirtschaft hat die Kanzlerin auch vergessen. Steinbrück ist kein Kandidat der Herzen, sondern Resultat einer Negativauslese. Die Rivalen haben zurückgezogen. Sigmar Gabriel schätzt seine Chancen realistisch ein. Der Jüngste der drei wartet auf die Zeit nach den Stones. Frank-Walter Steinmeier stecken die 23 Prozent von 2009 noch in den Knochen. Sein Verzicht eröffnet dem besonnenen Machtmanager die Chance, zum Schäuble der SPD zu werden. Er hat Schröder gedient, sich als Kandidat geopfert, Opposition organisiert. 2013 könnte er in einer SPD-geführten Regierung erneut Kanzleramtsminister werden oder im Kampf gegen Gabriel um den Fraktionschefposten obsiegen. Fest steht: Steinbrück ist ein Kandidat von Gnaden Dritter. Gut möglich, dass der Mann dennoch die beste Wahl ist. Sollte sich die Konjunktur eintrüben, ein harter Winter das Stromnetz überlasten, die Merkelsche Euro-Politik sich als dauerhaft instabil erweisen, dann träfe der Typus Steinbrück womöglich exakt ins emotionale Zentrum der Deutschen - der Angst um den Wohlstand. Der Wahlkampf 2013, so viel steht fest, wird eine Schlacht um den Kleinsparer. Und völlig offen ist, ob die Deutschen eher dem Typus Mutti oder dem Modell Sparkassenleiter vertrauen.
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