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Denkverbote darf es nicht geben
Leitartikel von Jens Anker

Berlin (ots)

Der Senator für Stadtentwicklung, Michael Müller (SPD), macht sich in diesen Tagen keine neuen Freunde. Als ob er mit dem zu gründenden Stadtwerk, dem Weiterbau der Stadtautobahn A 100 und dem Umbau der Liegenschaftspolitik nicht schon genug Problemfelder zu bearbeiten hätte, sucht er jetzt die Konfrontation mit den Kleingärtnern. Kleinere Anlagen sollten dem städtischen Wohnungsbau weichen, fordert Müller ungewohnt scharf. Auch einzelne Parzellen von anderen Anlagen müssten verschwinden, wenn sich die Grundstücke für den Wohnungsbau eignen. Der Aufschrei der Kleingärtner, die über eine starke Lobby in Berlin verfügen, erfolgte prompt. Diese Überlegungen seien Unfug, hieß es. Dabei handelt Müller richtig. Die Mieten in Berlin steigen schneller als in den vergangenen Jahren, die Verdrängungstendenzen nehmen zu. Schon heute sind für Studenten und Kleinverdiener die Mieten in manchen Stadtteilen unerschwinglich geworden. Die große Koalition hat zwar den Neubau von jährlich 6000 Wohnungen beschlossen, um den Druck auf dem Mietenmarkt zu senken. Das kann allerdings nur die Untergrenze sein, da der Bedarf an Wohnungen in den kommenden Jahren noch deutlich steigen wird. Der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungseigentümer spricht sogar von 150.000 Wohnungen, die mittelfristig fehlen. In den vergangenen 20 Jahren hat Berlin 250.000 neue Einwohner hinzugewonnen, in den kommenden 20 Jahren sollen es noch einmal genauso viele in die Stadt ziehen. Und all diese Menschen brauchen einen angemessenen und bezahlbaren Wohnraum. Deshalb ist es richtig, sich über die künftig zu bebauenden Flächen Gedanken zu machen. Dabei darf es keine Denkverbote geben - weder für die Randbebauung des Flughafens Tempelhof noch für Kleingartenkolonien in der Innenstadt. Sicher, die Kleingärten sind über Jahrzehnte lieb gewonnene Kleinode, die ihren Inhabern ein wenig Natur und Freiheit in der Stadt bieten. Das galt vor allem zu Mauerzeiten, als die Stadt geteilt und West-Berlin über weniger Erholungsflächen als heute verfügte. In den letzten Jahren hat sich die Lage - glücklicherweise - geändert. Berlin ist eine der grünsten Metropolen Europas. Deshalb hat Senator Müller recht, wenn er die Frage stellt, ob 73.600 Kleingärten, verteilt auf die immer knapper werdende Fläche der Stadt, noch zeitgemäß sind. Es ist sinnvoll, die kleineren Anlagen in die Flächenplanung des Landes aufzunehmen und zu prüfen, ob sie für Wohnungsbau geeignet sind. Das bedeutet nicht, allen Kleingärtnern den Krieg zu erklären und ihre Existenz grundsätzlich infrage zu stellen oder bestehende Verträge aufzukündigen. Aber wenn in den Innenstadtbezirken Platz für neue Wohnhäuser gebraucht wird, sollten die Pachtverträge auslaufen, sollte der Bestandschutz nicht verlängert werden. Das muss übrigens für alle Liegenschaften des Landes gelten. Stadtentwicklungssenator Müller ist qua Amt - wie der Name schon sagt - dazu verpflichtet, sich Gedanken über die künftige Nutzung landeseigener Flächen zu machen. Denn Berlin ist attraktiv und Berlin wächst. Diese Entwicklung kann jeder nur wollen, auch die Kleingärtner.

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