Gesucht: Gute Leute für Berlin
Leitartikel von Hans Evert
Berlin (ots)
Mitunter haben Gedankenspiele, die in Forscherstuben gedeihen, diabolischen Charakter. Ein gutes Beispiel liefert ein Experte des Instituts der Deutschen Wirtschaft mit einem kleinen Rechenexempel, nach dem Berlin die vielfache Terminverschiebung des neuen Hauptstadtflughafens guttun würde. Sein Argument: Die Wirtschaft der Stadt profitiere von der bienenstockgleichen Geschäftigkeit in Tegel. Würde der neue BER in Schönefeld angeflogen - was nach alten Plänen längst der Fall sein sollte -, gingen Arbeitsplätze und Wertschöpfung des Flughafenbetriebs in die Brandenburger Statistik ein. Solange also Tegel noch arbeitet, gilt demnach: BER-Desaster hilft Berlins Wirtschaft auf die Sprünge. Folgt man der Logik, ist das, was am Mittwoch auf der Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft beschlossen wurde, kontraproduktiv. Denn ein irrlichternder Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz und ein glückloser Chefkontrolleur Klaus Wowereit sind die beste Gewähr dafür, dass Tegel noch lange offen bleiben muss. Das lehren die vergangenen Monate. Nun wurde Schwarz rausgeschmissen und hat sein Arbeitszimmer schon geräumt, wie es heißt. Wowereit übergab den Spitzenposten im Aufsichtsrat an Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck. Ein neuer Flughafenchef wird gesucht, dazu ein Finanzexperte für die Geschäftsführung. Beide Personen müssen Großes leisten: Den BER auf den Weg bringen, ihren Vorstandskollegen Horst Amann einhegen, der schon munter über einen Eröffnungstermin 2015 schwadroniert und zunehmend nervöse Politiker erdulden. Gibt es Freiwillige für diesen Job? Die neuen Macher an der Spitze des Flughafens müssen aber auch Tegel am Laufen halten. Diese Aufgabe gewinnt mit jedem Tag BER-Verzögerung an Bedeutung. Nur dann kann das Berliner Wirtschaftswunder weitergehen. Nicht, weil der Flugbetrieb von Tegel so viel zum Wirtschaftswachstum beitragen würde, sondern weil die Stadt aus der Luft erreichbar bleiben muss. Weiß ja keiner, wann der BER aufmachen wird. Die Ironie besteht ja darin, dass Berlin trotz des BER-Debakels so gut dasteht wie seit Jahren nicht. Jahr für Jahr strömen mehr Touristen in die Stadt. Die Konjunktur war in der jüngeren Vergangenheit fast immer besser als im Rest der Republik. In keinem anderen Bundesland entstanden prozentual gesehen mehr neue Stellen als hier. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf hat 2012 wohl Bundesniveau erreicht. Die Gründerszene trägt der Stadt Bewunderung ein. Diese erfreulichen Entwicklungen gibt es trotz der Baustelle des Grauens in Schönefeld. Doch schaut man mit Distanz auf die Stadt, gerät der Pannenflughafen im wortwörtlichen Sinn zur Provinzposse. Viel mehr als eine Blamage für örtlichen Entscheidungsträger und ein Kratzer am Image der angeblich so gut organisierten Deutschen ist es nämlich nicht. Die Aufgabe für das neue Flughafen-Management ist demnach ganz einfach: Stellt den BER fertig - irgendwie, irgendwann -, und vernachlässigt Tegel nicht.
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