Nachdenken statt "Geht nicht" Leitartikel von Joachim Fahrun über neue Wege zur Lösung der Flughafen-Krise
Berlin (ots)
Der Flughafen Tegel ist sechseckig, praktisch, gut. Dennoch sollte man ihn schließen, wenn es für Berlin und Brandenburg eine funktionierende, dauerhaft leistungsstarke und entwicklungsfähige Alternative gebe, die auch für die nächsten Jahrzehnte die Bedürfnisse einer wachsenden Hauptstadtregion erfüllt. Aber gibt es die wirklich?
In Schönefeld wird irgendwann - einen Termin möchte Flughafen-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck immerhin noch in diesem Jahr nennen - ein neuer Flughafen eröffnet. Die Abfertigungskapazität soll dann bei 27 Millionen Passagieren liegen.
Jüngst verkündete die Flughafengesellschaft stolz, schon 2012 die 25-Millionen-Marke geknackt zu haben. Bei der Planung des BER war man von 18 Millionen Passagieren zur Eröffnung ausgegangen. Selbst wenn sich das Passagierwachstum abschwächt, könnte es bald eng werden am BER. Darauf muss Politik reagieren. Wir wären ein merkwürdiges Land, wenn wir uns so zwischen Paragrafen einbetoniert hätten, dass wir die Planung für ein wichtiges Projekt, deren Prämissen sich radikal verändert haben, nicht mehr an neue Realitäten anpassen könnten.
Was spricht also dagegen, eine bestehende Infrastruktur wie Tegel zu erhalten, um so am BER Raum zu schaffen für diejenigen Fluggesellschaften, die am Drehkreuz mitwirken und ihren Passagieren ja auch Komfort und nicht nur Drängelei bieten wollen? Zumindest für Bundeswehr, Privatflieger oder Charterdienste? Dass die Zwangsläufigkeit, den alten TXL mit der Eröffnung des BER dicht zu machen, so nicht gegeben ist, hat jetzt der jeglicher Interessen unverdächtige Wissenschaftliche Dienst des Bundestages herausgearbeitet. Die Lösung als "Single Airport" wurde in den 90er-Jahren vor allem mit Rücksicht auf den privaten Betreiber des BER gewählt, den man damals noch zu finden hoffte. Ihm sollte keine Konkurrenz in der eigenen Region gemacht werden. Für ein Unternehmen der öffentlichen Hand wäre die Lage anders.
Ein Moratorium, mit dem man die Betriebsgenehmigung für Tegel verlängert, sei denkbar, auch ohne in aufwendigen Verfahren neues Planungsrecht zu schaffen, so die Bundestags-Juristen. Das wäre erst notwendig, wenn es um einen Dauerbetrieb ginge. Aber testen könnte die Flughafengesellschaft einen Parallelbetrieb beider Airports offenbar doch, wenn es dafür den politischen Willen gäbe. Dass der neue Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn mit einer solchen Option liebäugelt, hat er gleich zu Beginn seiner Amtszeit kundgetan. Ein zumindest zeitlicher Puffer für Tegel könnte viel Druck aus dem Krisenprojekt BER nehmen. Ein über mehrere Monate gestrecktes "Soft-Opening" wäre leichter möglich, der Bauherr müsste sich nicht mehr von Baufirmen erpressen lassen, die sich einen Einsatz am BER besonders teuer bezahlen lassen. Es wäre jetzt an Mehdorn und der Flughafengesellschaft, tragfähige Grundlagen zu liefern, wie so ein Parallelbetrieb aussehen könnte, was er bringt, was er kostet und wie diese Option die Fertigstellung des BER begünstigen könnte. Aber das Totschlagsargument, alles ist rechtlich festgelegt, gilt nicht mehr.
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