Eltern wollen sich frei entscheiden Dorothea Siems über das Ehegattensplitting, die Opposition und Familien in Deutschland
Berlin (ots)
Es gibt nur noch wenige Themen, bei denen die Positionen der Parteien in Deutschland so weit auseinanderliegen wie in der Familienpolitik. Die Opposition will das vorantreiben, was sie für eine Modernisierung der Gesellschaft hält. Alle Frauen sollen berufstätig sein und nicht in finanzieller Abhängigkeit von einem Partner leben. Um diesen Wandel zu beschleunigen, wollen SPD, Grüne und Linke das Ehegattensplitting abschaffen. Die gemeinsame steuerliche Veranlagung halte Mütter in der überkommenen Rolle von Zuverdienerinnen, rügen die drei Oppositionsparteien. Man wolle die Frauen endlich aus der Teilzeitfalle befreien, heißt es. Würde den Eheleuten der Steuervorteil genommen, wären die meisten Mütter wohl in der Tat gezwungen, ihre Erwerbstätigkeit auszudehnen - ob sie dies nun wollen oder nicht. Zum Ausgleich stellt man den Eltern den massiven Ausbau ganztägiger Betreuung für die Kinder in Aussicht: vom ersten Geburtstag bis zum Abitur.
Das Gros der Eltern hält das Ehegattensplitting jedoch für unentbehrlich, wie eine aktuelle Forsa-Umfrage belegt. Mütter und Väter favorisieren zwar ein Lebensmodell, in dem sich beide Partner sowohl um Karriere als auch um die Kinder kümmern. Doch das heißt für die Mehrheit eben nicht, dass beide Vollzeit arbeiten und die Kinder die meiste Zeit des Tages betreuen lassen. Die derzeit am weitesten verbreitete Variante, bei der Vater ganztags und die Mutter Teilzeit beschäftigt ist, gilt vielen Eltern erklärtermaßen als Ideal. Und anders als die Opposition glauben machen will, wählen die meisten Eltern diesen Weg ganz selbstbestimmt und nicht, weil sie gerade keinen Krippenplatz für ihre Kleinen finden.
Doppelte Vollberufstätigkeit ist hingegen unpopulär - selbst in Ostdeutschland. Aber auch die früher im Westen übliche Alleinverdiener-Ehe wird abgelehnt. Der gesellschaftliche Wandel in Deutschland ist also im Gang. Die gut ausgebildeten Frauen geben ihren Job nicht mehr auf, wenn sie das erste Baby bekommen. Und auch die Väter möchten mehr Zeit mit ihrem Nachwuchs verbringen. Doch die Paare wollen sich von Politikern nicht vorschreiben lassen, wie sie ihr Leben zu gestalten haben. Mit dem Ehegattensplitting erkennt der Fiskus an, dass Eltern gemeinsam wirtschaften. Welche Arbeitsteilung die Partner intern wählen, geht den Staat nichts an. Auf diese Freiheit legen auch die jungen Väter und Mütter größten Wert. Würden die Gegner des Ehegattensplittings sich durchsetzen, würden in Zukunft Familien mit gleichem Haushaltseinkommen unterschiedlich hohe Steuern zahlen. Und ein Großteil der Eltern müsste eine größere Last schultern.
Gute Familienpolitik macht den Eltern Angebote, von Krippen bis zu Ganztagsschulen, und überlässt es den Menschen, sich das Passende zu wählen. Schließlich ist die Welt von Eltern und Kindern heute überaus bunt. SPD, Grüne und Linke aber wollen Eltern gleichschalten.
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