Eine Chance für Brandenburg
Leitartikel von Christine Richter
Berlin (ots)
Er folgt dem Rat der Ärzte und zieht die Konsequenzen: Matthias Platzeck, seit elf Jahren Ministerpräsident in Brandenburg, tritt von all seinen Ämtern zurück. Vor wenigen Wochen hatte er einen leichten Schlaganfall erlitten, doch gesund ist er noch nicht, seine Aufgaben als Ministerpräsident, Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft und als SPD-Landeschef sind zu anstrengend, als dass er sie weiterhin voll ausfüllen könnte. Es ist die richtige Entscheidung, denn die Gesundheit geht vor. Auch bei einem Ministerpräsidenten, auch bei einem solchen Vollblut-Politiker wie Matthias Platzeck.
Die anderen Parteien haben am Montag entsprechend respektvoll reagiert. Die SPD sprach erwartungsgemäß von einem "großen Verlust für die deutsche Politik". Sie hofft, dass sich Platzecks Rückzug nicht negativ bei der Bundestagswahl im September auswirkt. Die Opposition wies - wenn auch mit ein bisschen schlechtem Gewissen angesichts des Gesundheitszustands - auf das BER-Debakel hin, für das Platzeck mitverantwortlich ist.
Für Brandenburg ist der Rückzug von Platzeck aber eine Chance. Mit Innenminister Dietmar Woidke wird nun ein gestandener Politiker neuer Ministerpräsident. Der 51-Jährige kennt Land und Leute gut, war er doch fünf Jahre lang Landwirtschaftsminister, dann kurze Zeit SPD-Fraktionschef in Brandenburg und nach dem Rücktritt von Rainer Speer - dem ehemaligen Platzeck-Kronprinzen - schließlich Innenminister. Ihm muss man nicht erklären, wie Partei und die Brandenburger ticken.
Es ist auch eine Chance für Brandenburg, weil Platzeck sich in den letzten Jahren so gebärdet hat, als wäre das Land sein Königreich. Dabei gibt es jede Menge zu tun. Angefangen beim Flughafen BER, dessen Eröffnungstermin immer noch nicht feststeht - und dessen verzögerte Inbetriebnahme jeden Monat rund 35 Millionen Euro kostet. Geld, das Brandenburg oder auch Berlin dringend für Kitas, Schulen oder die Sanierung von Straßen brauchen. Platzeck, in den letzten Monaten immer wieder gesundheitlich angeschlagen, hatte als BER-Aufsichtsratschef nicht viel Erfolg vorzuweisen. Lärmschutzfragen sind ungeklärt, Hartmut Mehdorn, von Platzeck als Flughafenchef geholt, stiftet mehr Unruhe, statt den Bau voranzutreiben. Ein Nachfolger im Aufsichtsrat - richtigerweise nicht Woidke, hoffentlich nicht Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium, sondern ein Experte aus der Wirtschaft - hat da ein weites Feld, sich zu betätigen.
Auch in Brandenburg selbst gibt es viel zu tun - die Menschen ziehen aus der Fläche weg, immer mehr Kommunen werden entvölkert, mit all den negativen Folgen für die Infrastruktur. Dafür fehlen im Speckgürtel um Berlin preiswerter Wohnraum, Kita-Plätze und attraktive Schulangebote. Für diese Veränderungen, für den demografischen Wandel braucht man ein Konzept - gerade in einem kleinen Flächenland wie Brandenburg.
Platzecks Nachfolger Woidke hat nun ein Jahr Zeit, zu beweisen, was er kann. Er könnte vieles besser machen.
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