Von wegen langweilig Leitartikel von Jochim Stoltenberg über neue Umfragen zur Wahl, in denen es weder Sieger noch Besiegte gibt.
Berlin (ots)
Wie ist es zur Entscheidungsschlacht hochstilisiert worden, wie um den Ausgang spekuliert und gestritten worden. Und nun, fünf Tage nach dem TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück bestätigt sich, dass nichts entschieden ist. Nach einer Forsa-Umfrage kommen nun auch der ARD-Deutschlandtrend und das ZDF-"Politbarometer" zum Ergebnis, dass der Fernsehauftritt die Gewichte zwischen Kandidaten, Parteien und politischen Lagern allenfalls marginal verschoben hat. Das verspricht spannende zwei Wochen bis zur Bundestagswahl und der tatsächlichen Entscheidung am 22. September.
Der bisherige Wahlkampf mag inhaltlich langweilig sein, weil es noch immer kein die Wähler wirklich bewegendes Thema gibt. Um so interessanter bleiben die Koalitionsoptionen angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen Schwarz-Gelb auf der einen, Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite. Auch nach dem "Duellchen" am Sonntag und der "Brüllerei" der Vorsitzenden der drei kleinen Bundestagsfraktionen am Tag danach können CDU, CSU und FDP ihren hauchdünnen Vorsprung vor der vereinten Opposition behaupten.
Für die regierende Koalition verspricht es eine eher noch größere Zitterpartie zu werden. Nach dem "Politbarometer" sind 59 Prozent der Wahlberechtigten unschlüssig, wo sie ihr Kreuz machen wollen. Das könnte ein Vorteil für Peer Steinbrück sein. Viele traditionelle SPD-Wähler haderten lange mit Partei und Kandidat, könnten sich aber am Ende zur Stimmabgabe durchringen. Steinbrück gewinnt denn auch leicht dazu. Die Union dagegen scheint ihr Wählerpotenzial bereits weitgehend an sich gebunden zu haben. Dennoch wird ein Regierungswechsel hin zu Rot-Grün pur immer unwahrscheinlicher. Während die SPD leicht zulegt, verlieren die Grünen. Im "Politbarometer" sogar zwei Prozentpunkte. Jürgen Trittin als Propagandist für höhere Steuern und Renate Künast als Verordnerin eines fleischlosen Tages scheinen sich verzockt zu haben. Von einer Mehrheit im nächsten Bundestag bleiben SPD und Grüne weit entfernt.
16 Tage vor der Bundestagswahl scheint die realistische Alternative also die bisherige Koalition aus Union und FDP oder eine Neuauflage der großen Koalition aus Union und SPD. Wenn jeder zweite Wähler unentschlossen ist, spricht viel dafür, dass er nicht wegen der ohnehin sehr ähnlichen politischen Inhalte zwischen den Parteien zögert, sondern noch koalitionstaktisch nachdenkt.
Wahlen seien immer für eine Überraschung gut, ermutigte Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann, erster gewählter grüner Ministerpräsident, sich und seine Partei. Eine Binsenwahrheit, doch diesmal ein durchaus begründeter Mutmacher. Denn am 22. September kommt ein verändertes Wahlrecht zum Zug. Erstmals werden Überhangmandate ausgeglichen, von denen bislang die CDU profitierte. Nun kann die SPD auf zusätzliche Sitze hoffen, die in keiner Meinungsumfrage berücksichtigt werden. Es bleibt tatsächlich spannend. Die Kanzlerinnenpartei und ihr Anhang sollten sich nicht zu früh zu sicher sein.
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