Ab in die zweite Reihe - Leitartikel
Berlin (ots)
Es ist dann doch schneller gegangen, als mancher erwartet hatte: Schon am Dienstag, zwei Tage nach der Bundestagswahl, und nicht erst am Wochenende, nach dem kleinen Parteitag, ist die Führungsspitze der Grünen zurückgetreten: Renate Künast, Claudia Roth, Jürgen Trittin. Die drei erklärten, dass sie nicht mehr für ein Spitzenamt in der Fraktion oder in der Partei kandidieren werden. Richtig so.
Bei Trittin ist die Sache eindeutig: Er trägt die Hauptverantwortung für das Wahldesaster der Grünen, weil er seine Partei auf Steuererhöhungen verpflichtet hat und damit die Interessen der Grünen-Anhänger komplett ignoriert hat. In den letzten Monaten vertrat er ausschließlich die Interessen des linken Parteiflügels, machte all das kaputt, was die Grünen in den vergangenen Jahren mit ihrer Öffnung zur gesellschaftlichen Mitte oder zur Wirtschaft hin erreicht hatten. Eigentlich hätte man sich die Rücktrittserklärung schon am Sonntagabend gewünscht - nach diesem Wahlkampf und angesichts der Rolle, die Trittin in der Pädophilen-Debatte spielt und eingenommen hat.
Richtig ist auch die Entscheidung von Renate Künast, nun endlich aus der Spitze auszuscheiden. Künast war, ganz ohne Frage, für die Berliner Grünen viele Jahre lang wichtig. Nach der Gründung der Alternativen Liste, in den Anfangsjahren der Grünen im Abgeordnetenhaus, später dann als Fraktionsvorsitzende, auch als Verbraucherschutzministerin in der ersten rot-grünen Bundesregierung. Ihre Kandidatur für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin in Berlin - getragen von hohen Umfragewerten - war anfangs auch interessant und wurde dann doch schnell zu einem Problem. Weil Künast die Berliner Landespolitik und all die Themen nicht mehr kannte, weil sie auf ihre Berliner Parteikollegen nicht hörte, sondern meinte, es selbst besser zu wissen, weil sie zehn Tage vor der Wahl vor der SPD kapitulierte. Wie bei der Bundestagswahl waren die Berliner Grünen auch bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 für ihre krachende Niederlage selbst verantwortlich. Schon damals hätte Künast die Konsequenzen ziehen müssen - aber sie blieb Fraktionschefin im Bundestag, sie wurde sogar nochmals als Spitzenkandidatin der Berliner Grünen für die Bundestagswahl aufgestellt. Was für ein Fehler das war, zeigt Künasts Forderung nach einem Veggie-Day, die die Grünen einmal mehr als Verbotspartei erscheinen ließ.
So sind die Rücktritte für die Grünen gut, weil sie einen Neuanfang ermöglichen. Nur noch peinlich sind dagegen die Ankündigungen von Künast und Claudia Roth, jetzt Vizepräsidentin des Bundestags für die Grünen werden zu wollen. Das ist so durchschaubar: Ein solcher Posten bringt mehr Geld, Dienstwagen und viele Einladungen. Sollte eine von diesen beiden tatsächlich kandidieren, kann man nur auf die Klugheit der anderen Parteien hoffen: Noch immer ist auch die Wahl der Bundestagsvizepräsidenten geheim.
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