Auf dem richtigen Weg Leitartikel von Joachim Fahrun über die Pläne für eine Parlamentsreform in Berlin und den Verzicht auf höhere Diäten.
Berlin (ots)
Wir Bürger erwarten viel von unseren Repräsentanten. Abgeordnete sollen fachkundig sein, redegewandt, engagiert und immun gegen die Einflüsterungen der Lobbyisten. Wir wünschen uns durchsetzungsstarke Parlamentarier, um Informationen aus trägen Behördenapparaten zu ziehen und selbstherrliche Regierungsmitglieder unter Druck zu setzen.
Im Berliner Abgeordnetenhaus gibt es in allen Fraktionen solche Volksvertreter. Bisher leiden die Halbtags-Parlamentarier im Preußischen Landtag jedoch bei der Kontrolle des Senats und beim Bemühen, die Exekutive mit eigenen Anträgen zum Handeln zu drängen, unter einer grotesken Ungleichheit. Genau 580 Euro dürfen sie ausgeben für Menschen, die ihnen zuarbeiten, die Kontakte im Wahlkreis oder zur Fachöffentlichkeit halten und Recherchen übernehmen. Fast überall in der Deutschland bekommen Volksvertreter mehr Ressourcen. Hier im Zuge einer Parlamentsreform aufzurüsten ist in Berlin geboten, zumal die Themen zwischen kommunalen Belangen und Bundespolitik deutlich komplexer sind als in den Landtagen der Flächenländer. Wenn im gleichen Atemzug die lähmenden Sitzungen im Abgeordnetenhaus spannender werden, ist das nur zu begrüßen.
Ob die Abgeordneten ihre Mitarbeiter in Wahlkreisbüros oder direkt in den Fraktionsräumen unterbringen, sollen sie selbst entscheiden. Es kann nicht schaden, wenn Volksvertreter näher ans Volk heranrücken. Ebenso wenig ist dagegen zu sagen, wenn sie lieber Spezialisten für die direkte fachliche Zuarbeit anheuern. Der Argwohn, hier würden nur Parteigänger versorgt, ist deshalb ungerecht. Natürlich werden die Abgeordneten niemanden anstellen, der politisch auf einer völlig anderen Linie liegt. Aber ein bisschen Vertrauen dürfen die Bürger schon haben in ihre gewählten Vertreter, von denen es eben schlechte und gute gibt.
Das populistische Argument, hier würden sich die Selbstbediener die Taschen vollmachen, ist entkräftet. Die Diäten von 3477 Euro im Monat werden nicht erhöht. Dass aber die ehrenamtlich tätigen Bezirksverordneten besser bezahlt werden, ist überfällig. Sie steuern Bezirke mit 300.000 Einwohnern und Budgets von mehreren Hundert Millionen Euro und bekommen dafür keine 350 Euro im Monat. Wer sagt, dass "die Politiker" überbezahlt und abgehoben seien, dem sei die Teilnahme an einer Bezirksverordnetenversammlung oder der Besuch eines vollgestopften Abgeordnetenbüros im Preußischen Landtag empfohlen. Wer selbstbewusste, qualifizierte Volksvertreter will, muss ihnen ermöglichen, ihre Arbeit so gut wie möglich zu tun.
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