Berliner Klagelied zur Unzeit. Leitartikel von Jochim Stoltenberg zur Forderung Senator Nußbaums nach mehr Finanzhilfen
Berlin (ots)
Eigentlich braucht sich Berlin nicht zu verstecken. Und immer neue Forderungen gegenüber dem Bund und den anderen Ländern im Vorfeld des erst nach der nächsten Bundestagswahl beginnenden Pokers um einen neuen Länderfinanzausgleich stoßen eher auf Verärgerung denn auf Verständnis. Wenn Senator Ulrich Nußbaum zur Unzeit einmal mehr zusätzliche Finanzhilfen für Berlin anmahnt, dann ist das vorerst nicht mehr als populistisches Getöse. Nicht zuletzt aus seiner Zeit als erfolgreicher Unternehmer sollte er außerdem wissen, dass der Ruf nach immer neuen Subventionen keine Lösung der Probleme verspricht. Dabei macht Berlin finanzpolitisch durchaus Fortschritte. Unter Nussbaums Regie hat die Stadt erstmals Überschüsse erwirtschaftet und ein kleines Sümmchen vom 63 Milliarden Euro hohen Schuldenberg abgekratzt. Doch dieser Erfolg verblasst anderenorts angesichts des Flughafendesasters. Wer wie Berlin mitverantwortlich ist, dass Monat für Monat am Scheinflughafen BER etwas 35 Millionen Euro für nichts verpulvert werden, sollte Demut zeigen, keine neuen Forderungen erheben. Der Regierende Klaus Wowereit hat ja Recht wenn er sagt, am meisten nerve ihn das Klischee, Berlin mache keine eigenen Anstrengungen, um die wirtschaftliche und damit auch die steuerliche Situation der Stadt zu verbessern. Immerhin hat die Stadt in den vergangenen zwanzig Jahren das Personal ihres öffentlichen Dienstes um fast 200.000 auf 100.000 Beschäftigte abgebaut, die Wirtschaftskraft wächst zum Bundesdurchschnitt überproportional und keine andere Stadt Deutschlands hat eine magnetische Wirkung wie unsere. Damit sollten wir wuchern. Und die Trendwende zum Besseren dafür nutzen, um im Vorfeld der entscheidenden Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich ab dem Jahr 2.000 mehr Verständnis dafür zu wecken, dass Berlin seinen teilungsbedingten Schuldenberg nicht allein abtragen kann. Wer immer nur fordert, gewinnt keine Verbünddeten. Die aber braucht Berlin, wenn die Stadt der größte Profiteur des Finanztransfers zwischen Bund und zwischen armen und reichen Ländern bleiben will. Seit 1990 haben allein die Geberländer gut 130 Milliarden Euro in den Topf eingezahlt, Berlin daraus rund 48 Milliarden kassiert. Wiederum aus seiner Erfahrung als Unternehmer sollte Finanzsenator Nußbaum wissen, dass man seine Verhandlungspartner nie überfordern sollte.
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