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4. Jahrestag des Jemen-Konflikts: HI denunziert Kriegsführung ohne Unterscheidung zwischen militärischen Zielen und Zivilbevölkerung und prangert verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung an

Genf, (ots)

Anlässlich des vierten Jahrestags des Jemen-Konflikts verurteilt Handicap International (HI) den unterschiedslosen Gebrauch von explosiven Waffen und die verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. HI denunziert die weitverbreiteten Bombenangriffe auf bewohnte Gebiete und die Verwendung von Antipersonenminen in einem Ausmass, wie es seit Inkrafttreten des Minenverbotsvertrags von 1999 nicht mehr vorgekommen ist. Die Organisation hebt den speziellen Bedarf an Notfall-Reha-Massnahmen - einem essentiellen Bestandteil der Chirurgie, insbesondere der Kriegschirurgie - und an psychologischer Unterstützung für Menschen hervor, die nach vier Jahren bewaffneter Gewalt traumatisiert sind.

Komplexe Verseuchung durch explosive Kriegsreste

Erfahrungsberichte decken den inakzeptabel hohen Anteil von Zivilisten auf, die durch Bombenangriffe, explosive Kriegsreste, Landminen, Streumunition etc. getötet oder verstümmelt werden. Die Organisation ACLED hat seit März 2015 mehr als 18.000 Luftangriffe verzeichnet. Beobachter berichten über einen systematischen und weitverbreiteten Gebrauch von Antipersonenminen in mehreren Regionen des Landes.

"Dies ist ein asymmetrischer Konflikt, in dem eine technisch ausgereifte Armee, die massiv und unterschiedslos Wohngebiete bombardiert, gegen eine bewaffnete Gruppe kämpft, die auf Landminen zurückgreift - die Waffen der armen Leute. Die Zivilbevölkerung, die dazwischensteht, zahlt einen hohen Preis", erklärt Maud Bellon, Programmdirektorin von Handicap International in Jemen.

Jemen zählt heute zu einem der meistverseuchten Länder der Welt, wenn es um explosive Kriegsreste, Landminen, improvisierte Sprengkörper und andere Waffen geht, die permanent das Leben der eingeschlossenen Zivilbevölkerung bedrohen. Action on Armed Violence (AOAV) registrierte zwischen 2015 und 2018 ca. 16.000 Tote und Verletzte infolge von Explosivwaffen. 80 Prozent der Betroffenen stammten aus der Zivilbevölkerung, 72 Prozent der Unfälle ereigneten sich durch Bombardierungen.

"Die Kontaminierung ist komplex und sehr unterschiedlich. Sie umfasst alte Landminen, die in Belgien, China und Ostdeutschland hergestellt wurden, improvisierte Landminen, von denen manche in Serie produziert werden, und Überreste von Raketen, Granaten und Streumunitionen - eine ganze Palette an Waffen, die durch internationale Verträge verboten sind", laut Maud Bellon.

Die spezifischen Bedürfnisse von Kriegsversehrten

Da Landminenunfälle häufig zu Amputationen der unteren Gliedmassen führen, hat HI eine Notfallversorgung mit Reha-Massnahmen aufgebaut, um die speziellen Bedürfnisse von Kriegsversehrten abzudecken. Durch Bombenangriffe entstehen komplexe Verletzungen wie offene Wunden, Brüche, Verbrennungen, zerstörte Muskeln und beschädigte Nervensysteme. Wenn nicht ab dem Folgetag einer Operation mit Reha-Massnahmen begonnen wird, kann es zu Mobilitätsverlust und Behinderungen kommen, die oft zu sozialer und beruflicher Ausgrenzung, zu Einkommensverlusten und der Verarmung von Familien führen.

"Die Verletzten, um die wir uns kümmern, sind durch die bewaffnete Gewalt traumatisiert, stehen unter Schock oder leiden an Depressionen", erklärt Maud Bellon. "Neben der körperlichen Rehabilitation, die die mit einer Prothese abgeschlossen werden kann, bieten wir den Patienten auch psychologische Unterstützung, damit sie ihre neue Situation besser akzeptieren können. Menschen stehen unter Schock, wenn sie einen Körperteil verlieren, und können ihre Prothese oft nur schwer annehmen. Daher verbinden wir die Rehabilitation immer mit psychologischer Unterstützung - denn diese kommt in Krisen oft zu kurz."

Da die Hilfe nun in Sana'a zentralisiert ist, müssen tausende Zivilisten lange Reisen antreten. "Es dauert vier Stunden, um von Al-Hudeidah nach Sana'a zu fahren, ohne die Checkpoints und Risiken mitzuzählen, die mit der Durchquerung der Frontlinien verbunden sind. Manchmal ist es für die Menschen schlicht unmöglich, die Versorgungsstellen zu erreichen."

Einen schweren Interventionskontext

Etwa 100 informelle Flüchtlingscamps tauchen je nach der Intensität der Kämpfe in Hajjah und Al-Hudeidah sowie im Süden des Landes plötzlich auf und verschwinden wieder. Drei Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht, zusätzlich gibt es geschätzt ca. eine Million Rückkehrende. "Die Menschen ziehen ständig umher, und wir müssen uns an diese Situation anpassen. Das Problem ist, dass die Flüchtlingscamps im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa dem Irak im Jemen zum grössten Teil informelle Camps sind, die fast über Nacht wieder verschwinden können."

Neben den komplexen Bevölkerungsbewegungen stehen die Hilfsorganisationen auch grossen Sicherheits- und Verwaltungshürden gegenüber, die ihre Handlungsreichweite einschränken. "Es ist überlebenswichtig, dass wir den sicheren und neutralen Transport von Hilfsgütern zu den Bedürftigen sicherstellen können. Die Nichtregierungsorganisationen arbeiten eng zusammen, um diesen administrativen Hürdenlauf zu meistern, der uns alle betrifft. Wir verhandeln täglich mit den Behörden. Doch das wird nicht ausreichen", erklärt Maud Bellon.

HI im Jemen

HI arbeitet in den Gouvernements Sana'a und Amanat al Asima in zwei Rehabilitationszentren und sechs der grössten Krankenhäuser Jemens, wo Patienten aus allen Regionen des Landes behandelt werden. HI hat innerhalb von vier Jahren insgesamt über 20.000 Menschen mit Rehabilitationsmassnahmen und Konsulationen unterstützt. Die Organisation hat mehr als 21.000 Krücken, Rollatoren, Rollstühle etc. verteilt. Darüber hinaus haben über 20.000 Betroffene psychologische Unterstützung erhalten. 200 Patienten wurden in Zusammenarbeit mit dem Reha- und Orthopädiezentrum in Sana'a mit Prothesen oder Orthesen ausgestattet. Über 500 lokale Gesundheitsfachkräfte wurden für die Versorgung von Traumatisierten geschult. Die Teams von HI beginnen derzeit ähnliche Aktivitäten in Aden und werden bald in den Gouvernements Taez, Hajjah und in der Stadt Hudeidah tätig werden.

Kontakt:

Nadia Ben Said
Handicap International Schweiz
Verantwortliche Medien
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