Zuviel Mundart bedroht den nationalen Zusammenhalt
Forum Helveticum will Dilemma "Hochdeutsch versus Dialekt" aufknacken
Lenzburg/Bern (ots)
Sowohl Mundart wie auch Hochdeutsch gehören zur sprachlichen Identität der Deutschschweizer. An einer Tagung des Forum Helveticum, die am Montag rund 80 Fachleute in Bern vereinigte, wurden konkrete Massnahmen aufgezeigt, mit denen ein Ausweg aus der verfahrenen Hochdeutsch-Dialekt-Debatte möglich wäre. Beispielsweise könnten die Pädagogischen Hochschulen der Deutschschweiz künftig bei der Lehrerausbildung den Gebrauch eines "schweizerischen" Hochdeutsch üben. Auch die elektronischen Medien werden in die Pflicht genommen.
An der vom Forum Helveticum initiierten Tagung "MULTILINGUA - DIALEKT UND SPRACHKULTURELLE VERSTÄNDIGUNG" vom 24. Juni in Bern nahmen rund 80 Fachpersonen aus allen Sprachregionen teil. In Workshops und an einem hochkarätigen Podiumsgespräch wurden wichtige Massnahmen zur Verbesserung von problematischen Aspekten der Thematik Mundart-Hochdeutsch verabschiedet, die aus einem Vorschlagskatalog stammen. Die Diskussionen zeigten, dass insbesondere auf der Ebene der Bildung, des Schulwesens und der elektronischen Medien dringender Handlungsbedarf besteht, damit die Schweiz nicht in ernsthafte Sprach- und Verständigungsprobleme auf nationaler und internationaler Ebene gerät. Das Forum Helveticum beginnt in der zweiten Jahreshälfte 2013 mit der Umsetzung erster Massnahmen.
Als "Forum für sprachkulturelle Verständigung" greift das Forum Helveticum mit dem mehrjährigen Projekt "Multilingua" in Zusammenarbeit mit mehreren Partnern die neuen Entwicklungen im Spannungsfeld Dialekt, Hochdeutsch und Verständigung zwischen den Sprachregionen auf. Die Vielfalt und Lebendigkeit der Dialekte sind als eindeutige Bereicherung für unser Land anzusehen. Doch gute Hochdeutschkenntnisse erschliessen den Kontakt zum gesamten deutschsprachigen Raum, verbessern die Berufschancen und fördern den binnenschweizerischen Kontakt und somit den nationalen Zusammenhalt. Mehrere Vorschläge aus dem Massnahmenkatalog befassen sich deshalb mit der Förderung der deutschen Sprache und einem unverkrampften Umgang mit dem Hochdeutschen in der Deutschschweizer Bevölkerung.
In den Workshops entstand Konsens darüber, dass Mundart und Hochdeutsch nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen; Lösungen sind zu finden, welche die polarisierte Mundart-Hochdeutsch-Debatte überwinden. Unter den prioritären Massnahmen wurde die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen in der Deutschschweiz gefordert: Diese müssen einen unverkrampften Umgang mit der deutschen Sprache lernen und lehren, mit "Mut zum schweizerischen Hochdeutsch". Adressaten sind hier die Pädagogischen Hochschulen und die Lehrerverbände. Gewünscht wird - als weitere Priorität - in allen Sprachregionen eine generelle Sensibilisierung zur Tatsache, dass Mehrsprachigkeit (und in der Deutschschweiz auch Hochdeutsch) einen unschätzbaren Mehrwert darstellt und dass der Unterricht der Landessprachen ein zentraler Pfeiler der Schweizer Identität bleibt. Die unverzichtbare Rolle der SRG für den nationalen Zusammenhalt wurde in allen Workshops unterstrichen. Gewünscht werden weitere Initiativen und Projekte der elektronischen Medien zur Thematik Mundart-Hochdeutsch, insbesondere in Bezug auf die gemischtsprachig ausgestrahlten Fernsehsendungen von SRF. Gleichzeitig wurden diverse neue Anstrengungen der SRG im Bereich des interregionalen Kulturaustausches gelobt.
Die Podiumsteilnehmer griffen einige konkrete Vorschläge aus den Workshops direkt auf. So meine Beat Zemp, oberster Lehrer der Schweiz, dass die Thematisierung der Deutschschweizer Diglossie mit den Varietäten Mundart und Hochdeutsch durchaus in die Grundausbildung der Lehrpersonen gehöre. Auch Hans Ambühl, Generalsekretär der Erziehungsdirektorenkonferenz, plädierte für einen bewussten Umgang mit der Deutschschweizer Diglossie in der Schule und wünschte, dass die Didaktikinstrumente für die Mehrsprachigkeit in der ganzen Schweiz weiterentwickelt werden. Aus der Perspektive einer sprachlichen Minderheit bestätigte Verio Pini, Sekretär der Deputazione Ticinese alle Camere Federali, den oft gehörten Vorwurf, dass die unbedachte Verwendung von Mundart ein klares Hindernis für die interkulturelle Kommunikation darstelle. Mit einer guten Sensibilisierungsarbeit in allen Sprachregionen und dem konsequenten Unterricht der Landessprachen könnten aber positive Zeichen gesetzt werden, um die Situation zu verbessern, meinte Pini.
Massnahmenkatalog und weitere Dokumente befinden sich auf der Website www.forum-helveticum.ch
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Aussagen und Forderungen aus dem Massnahmenkatalog und der Tagung:
- Die Anwendung des Hochdeutschen soll in der Deutschschweiz zu der Selbstverständlichkeit finden, die ihm als wichtigste Landessprache zukommt! - Hochdeutschkompetenz der Deutschschweizer ist für den nationalen Zusammenhalt unumgänglich! - Eine Sensibilisierungsarbeit muss in allen Sprachregionen stattfinden! - Im Kindergarten ist das richtige Mass an Hochdeutsch und Mundart anzustreben! - Die SRG kann zum Thema Mundart-Hochdeutsch zusätzliche Massnahmen ergreifen! - Die Thematik ist bei der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen zu berücksichtigen! - Dialekt muss Teil der gesamtschweizerischen Debatte über den Sprachenunterricht sein!
Kontakt:
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