Einwanderungsland Schweiz: Vielschichtig und dynamisch
Gesammelte Erkenntnisse aus einer Publikation zu Migration und Mobilität
Neuchâtel (ots)
Wie nehmen Menschen, die in den letzten zehn Jahren eingewandert sind, die Schweiz wahr? Eine Publikation des «nccr - on the move», dem Nationalen Forschungsschwerpunkt für Migration und Mobilität, liefert erstmals gesammelte Erkenntnisse aus einer eigenen Befragung, die Informationen zur Migrationsgeschichte, zur Familien- und Haushaltssituation, zur Bildungs- und Beschäftigungsgeschichte als auch zu Fragen der politischen Teilhabe in der Schweiz erhoben hat. Die Analysen beruhen auf repräsentativen Daten des Migration-Mobility Survey.
Unsere Gesellschaft wird stetig vielfältiger, hier leben Menschen aus allen Ländern der Welt. Seit der Unterzeichnung der bilateralen Verträge 2002 hat sich die Zusammensetzung der Migrationsbevölkerung stark gewandelt: Die ursprüngliche Arbeitsmigration wurde ergänzt mit jener der mobilen Expats, die sich in grosser Zahl in der Nähe von global tätigen Firmen, vor allem in Zürich, am Genfersee und in Basel, niedergelassen haben. Trotz der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wichtigkeit dieser Gruppen fehlen systematisch durchgeführte Forschungen mit eigens dafür entwickelten Untersuchungen. Der «nccr - on the move» hat sich die Aufgabe gestellt, mittels eines an die internationale Forschung anschlussfähigen Erhebungsinstruments die Lage von deutsch-, französisch-, italienisch-, englisch-, spanisch- und portugiesischsprachigen Migrant*innen und Expats zu untersuchen. Die Publikation «Migrants and Expats: The Swiss Migration and Mobility Nexus», herausgegeben von Ilka Steiner und Philippe Wanner, fasst die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen.
Die Studie macht klar: Die Etablierung eines dualen Regimes seit 2002, welches die Freizügigkeit für Angehörige aus EU/EFTA Staaten regelt und striktere Zulassungs- und Niederlassungsbestimmungen für Drittstaatsangehörige eingeführt hat - ausgenommen davon sind die Hochqualifizierten mit Arbeitsvertrag - hat in Bezug auf das Mobilitätsverhalten grosse Veränderungen ausgelöst. Mehrfache Wanderungsbewegungen gehören bei den in den letzten zehn Jahren Eingewanderten regelrecht zum Lebensstil: meist haben sie mehrfach in anderen Ländern gelebt, bevor sie in die Schweiz gekommen sind. Gerade Expats erweisen sich als sehr mobil; für sie sind die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Schweiz aufgrund der starken Präsenz international tätiger Firmen und Organisationen besonders vorteilhaft. Allerdings profitieren vorzugsweise anglo-amerikanische, männliche Beschäftigte von firmeninternen Massnahmen, während gleichqualifizierte Frauen oder Männer anderer Nationalitäten weniger Möglichkeiten haben, unter gleich privilegierten Vorzeichen einzuwandern. Eine Nationalität, die Reisefreiheit nicht einschränkt, und eine hohe Bildungsqualifikation erweisen sich als zentrale Kategorien zur Erklärung transnationaler Mobilität. Hypermobile Menschen gehören indessen zu jenen, die gesellschaftlich nur wenig Anschluss finden und die Schweiz bald zu verlassen gedenken, während Migranten, die eine längerfristige Migrationsstrategie verfolgen und sich gut eingelebt haben, mit dem Leben in der Schweiz zufrieden sind und keine Auswanderungsabsichten hegen.
In Bezug auf die Beschäftigung fühlen sich sowohl Migranten als auch Expats zufriedenstellend integriert: Dies gilt mehr für Männer als für Frauen, insbesondere aber für Personen, die wegen der Arbeit in die Schweiz gekommen sind (und nicht aus familiären oder anderen Gründen). Frauen haben ein höheres Risiko arbeitslos zu werden, sie gehen während dem Aufenthalt in der Schweiz vielfach keiner Beschäftigung nach oder arbeiten Teilzeit. Ausserdem haben Angehörige aus Spanien, Portugal und Lateinamerika grosse Schwierigkeiten, ihre Qualifikationen in der Schweiz anrechnen zu lassen. Die Anerkennung von Diplomen ist jedoch nach wie vor entscheidend für eine sorgenfreie mobile Arbeitskarriere.
Die Publikation des «nccr - on the move» zeigt, dass das Zugehörigkeitsgefühl zur Schweiz mit der Dauer des Aufenthalts zunimmt. Je inklusiver die Kantone in der Gestaltung der Willkommenskultur sind, desto stärker ist die Identifizierung mit dem Aufenthaltsort. Ausserdem ist die Beherrschung der lokalen Sprache ein Verstärker sowohl für die Identifizierung als auch das Engagement vor Ort. Je länger man in der Schweiz lebt, desto stärker ist zudem das Interesse für das gesellschaftliche Leben, dies unabhängig vom Bildungsstand der Befragten. Der Mangel an sozialen Netzwerken kann indes den Eindruck verstärken, ungerecht und diskriminierend behandelt zu werden. Migrant*innen aus Afrika und aus Südamerika berichten häufiger von Diskriminierungserfahrungen, es sind aber auch Migrant*innen und Expats davon betroffen, in deren Herkunftsstaaten sich eine Anti-Diskriminierungskultur etabliert hat.
Die Veröffentlichung des «nccr - on the move» beruht auf Daten des Migration-Mobility Survey 2016. Dafür wurden schweizweit 5973 Personen im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und Januar 2017 befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ.
Die Vernissage der Publikation «Migrants and Expats: The Swiss Migration and Mobility Nexus» findet in Anwesenheit der Herausgeberin und des Herausgebers als auch der Autorinnen und Autoren am 28. März 2019 an der Universität Neuchâtel, Rue A.-L Breguet 2, Raum 2.310, 2000 Neuchâtel statt. Beginn der Veranstaltung: 16:45
Die Einführung zum Buch gibt Laura Morales, Professorin an der renommierten SciencePo in Paris (in englischer Sprache).
Die einzelnen Kapitel können Sie hier (Open Access) abrufen: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-030-05671-1
Weitere Informationen:
Professor Gianni D'Amato, Direktor des « nccr - on the move »,
gianni.damato@unine.ch, Tel. 032 718 39 30 und 079 449 64 68
Professor Philippe Wanner, Herausgeber des Buches und Vize-Direkor
des « nccr - on the move », philippe.wanner@unige.ch, Tel. 022 379 89
30 und 078 806 28 69
« nccr - on the move », Université de Neuchâtel
Rue Abram-Louis Breguet 2, 2000 Neuchâtel
https://nccr-onthemove.ch/