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Am 20. Oktober ist Welt-Osteoporose-Tag: Wie steht es um die Versorgung von Osteoporose in der Schweiz?

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Rotkreuz (ots)

Diagnose- und Behandlungslücken bei Osteoporose

Osteoporose ist eine weit verbreitete chronische Skeletterkrankung, von der schätzungsweise 400'000 Menschen in der Schweiz betroffen sind.[1] In der Schweiz erleidet jede zweite Frau und jeder fünfte Mann über 50 in der ihr bzw. ihm verbleibenden Lebenszeit eine osteoporotische Fraktur.[2],[3] Für diese Patientinnen verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft eine weitere Fraktur zu erleiden.[4] Die Weltgesundheitsorganisation hat Osteoporose offiziell zur Public Health Krise erklärt.[5] Die in Nyon ansässige International Osteoporosis Foundation (IOF) drängt Regierungen weltweit dazu, der Osteoporose im Rahmen der Gesundheitsversorgung Priorität einzuräumen.[6]

Laut einer kürzlich erschienenen Studie wird in der Schweiz trotzdem nur jede dritte Frau mit einem erhöhten Frakturrisiko behandelt. Bei den meisten der unbehandelten Frauen mit Frakturrisiko ist dabei das Fehlen einer schriftlich festgehaltenen Osteoporose-Diagnose das Haupthindernis für die Therapie.[7]

Die Behandlungslücke bei Osteoporose ist nicht nur in der Primär-, sondern auch in der Sekundärprävention ein Problem: Nur 12% der Patienten werden nach einer früheren Hüftfraktur ursächlich behandelt. Und lediglich die Hälfte dieser Patienten werden ein Jahr nach der Fraktur überhaupt noch mit der verschriebenen Therapie behandelt. [7]

Ein beträchtlicher Anteil der Patienten wird zum Pflegefall, ein grosser Anteil erleidet einschneidende Einschränkungen in ihrem zuvor selbstständig bewältigten Alltag.[8] In einer Patientenbefragung unter Frauen im Alter von >=75 Jahren gaben 80% an, lieber zu sterben, als Unabhängigkeit und Lebensqualität aufgrund von Hüftfrakturen und anschliessender Verlagerung in ein Pflegeheim zu verlieren.[9] Ungefähr jeder dritte Senior (30%) stirbt innerhalb eines Jahres an den Folgen einer Osteoporose-bedingten Hüftfraktur.[10]

Kosten von Osteoporose

Muskuloskelettale zusammen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind für 30% der Gesamtkosten im Schweizer Gesundheitssystem verantwortlich.[11] Die in der klinischen Praxis etablierte pharmakologische Frakturprävention ist in jedem Land der EU5 kostensparend.[12] Aufgrund der Unterdiagnose und Unterbehandlung der postmenopausalen Osteoporose aus gesundheitsökonomischer Sicht können weitere Kosteneinsparungen durch eine Ausweitung der Behandlung auf diejenigen erreicht werden, die ein erhöhtes Frakturrisiko haben und derzeit keine Behandlung erhalten. In der Schweiz lagen die Kosten im Jahr 2010 bei ca. 2 Mrd. CHF, wobei der grösste Teil (76%) auf inzidente Frakturen, 21% auf die Langzeitfolgen der Frakturen und 3% auf die pharmakologische Prävention bei Osteoporose zurückzuführen sind. [12] Es wird erwartet, dass die Kosten für Osteoporose-bedingte Frakturen von 2010 bis 2025 um 29% steigen werden.[13]

Eine Studie mit dem Titel "Healthcare Policy Changes in Osteoporosis Can Improve Outcomes and Reduce Costs in the United States" unterstreicht, dass die Erhöhung der Identifikation und die daraus resultierende Verkleinerung der Behandlungslücke Kosten senken und die Gesundheit der Patienten deutlich verbessern kann.[14]

Vorschläge zur Verbesserung der Versorgungssituation

Folgende Massnahmen würden dabei helfen, die Versorgungssituation für die betroffenen Patienten deutlich zu verbessern und somit die Kosten zu reduzieren:

  • Systematisches Screening des Frakturrisikos älterer Frauen Eine Studie in UK an 12'000 älteren Frauen zeigte, dass ein systematisches Screening des Frakturrisikos Hüftfrakturen wirksam reduzieren könnte.[15]
  • Systematisch risikoabhängige Erstattung der DEXA-Messung Die Abschätzung des individuellen Frakturrisikos erfolgt in den meisten Fällen mittels "WHO Fracture Risk Assessment Tool" (FRAX®, www.SVGO.ch), der entwickelt wurde um das 10 Jahre Frakturrisiko von Patienten zu berechnen, damit Hochrisikopatienten auch rechtzeitig und tatsächlich behandelt werden[16]. Ein bewährtes und objektives Verfahren zur Früherkennung sowie Verlaufskontrolle ist die DEXA-Messung (Knochendichtemessung durch Doppel-Energie-Röntgenabsorptiometrie). Mittels DEXA-Messung wird die Knochenmineraldichte mit schwacher Röntgenstrahlung gemessen und mit den Normalwerten junger, knochengesunder Menschen verglichen.In der Schweiz werden die Kosten der Messung (zwischen 80-200 CHF) allerdings nur unter strikten Kriterien von den Krankenkassen vergütet. Bei Verdacht einer Osteoporose muss der Patient die DEXA-Messung beispielsweise selber bezahlen, wenn keine Osteoporose diagnostiziert wird. Dies führt dazu, dass diese verfügbare Messmethode zur Diagnosestellung eher zurückhaltend oder meistens erst sehr spät angewendet wird - etwa erst wenn Knochenbrüche aufgetreten sind [17]. Je früher Osteoporose allerdings diagnostiziert wird, desto effektiver kann man gegen sie vorgehen und Knochenbrüche vermeiden. Aus diesen Gründen wäre eine systematisch risikoabhängige Erstattung der DEXA-Messung für die frühzeitige Diagnostizierung und Therapie von Osteoporose-Patienten von entscheidender Bedeutung.
  • Verbesserte Behandlungspfade bei Sekundärprävention: Der Swiss Fracture Liaison Service (Swiss FLS) - ein koordinierter, multidisziplinärer Ansatz in der Patientenversorgung - bietet die klinisch wirtschaftlichste Sekundärprävention. Der "Swiss Fracture Liaison Service" ist eine nationale Initiative der Schweizerische Vereinigung gegen Osteoporose (SVGO). Ziel ist es, die verschiedenen Fachorganisationen in einem koordinierten Ansatz zusammenzuführen, um einen klinischen Behandlungspfad zu etablieren und die Prävention späterer Frakturen als Standardbehandlung sicherzustellen. Konkret heisst das, dass alle Patienten, die mit einer Fraktur in ein Spital eingeliefert werden systematisch und via multi-disziplinärer Abklärung auf Osteoporose geprüft werden. Eine speziell ausgebildete Pflegefachkraft koordiniert die Akut- und Nachversorgung. Das FLS-Modell befindet sich zurzeit noch im Aufbau. Die Kosten für einen neuen Fracture Liaison Service belaufen sich auf ca. 10'000 CHF pro neuem Zentrum. Wichtig wäre, dass sowohl Anreize für dieses Modell geschaffen werden, die Betreibung gefördert und in die Ausbildung der FLS-Pflegefachkräfte investiert wird. Eine Idee wäre hier, dass aufgrund der seit 1. Januar 2020 eingeführte Pflicht zur Weitergabe von Vergünstigungen ein Teil der Vergünstigungen (z.B. Rabatte beim Einkauf von Arzneimitteln) zum Beispiel in den Aufbau des FLS-Service investiert werden.[18]

Referenzen

[1] https://www.rheumaliga.ch/rheuma-von-a-z/osteoporose

[2] Rizzoli R, et al. Osteoporose in der Schweiz im Jahr 2008: eine Aufforderung zur Tat. Swiss Medical Forum 2008;8(42) Suppl.45

[3] Lippuner K, et al. Remaining lifetime and absolute 10-year probabilities of osteoporotic fracture in Swiss men and women. Osteoporos Int 2009;20:1131-1140

[4] International Osteoporosis Foundation. Stop at One. One Fracture Leads to Another. http://share.iofbonehealth.org/WOD/2012/patient_brochure/WOD12-patient_brochure.pdf. Accessed July 2019.

[5] The World Health Organization. Bulletin of the World Health Organization. Exercise interventions: defusing the world's osteoporosis time bomb. Available at: http://www.who.int/bulletin/volumes/81/11/mingchanwa1103.pdf. Accessed July 2019.

[6] International Osteoporosis Foundation. Global Initiatives. Available at http://www.iofbonehealth.org/global-initiatives-0. Accessed July 2019.

[7] McCloskey, E. et al. The osteoporosis treatment gap in patients at risk of fracture in European primary care: a multi-country cross-sectional observational study. Osteoporos. Int. (2020). doi:10.1007/s00198-020-05557-z

[8] Cooper C. The crippling consequences of fractures and their impact on quality of life. Am J Med. 1997;103(2A):12S-17S

[9] Salkeld G, et al. Quality of life related to fear of falling and hip fracture in older women: a time trade off study. BMJ. 2000;320:341-6.

[10] 8. National Clinical Guidelines. The management of hip fractures in adults, 2011. http://guidance.nice.org.uk/CG124. [Google Scholar]

[11] Wieser et. al: How much does the treatment of each major disease cost? A decomposition of Swiss National Health Accounts, The Journal of Health Economnics (2018) 19: 1146-1161

[12] Svedbom et al. Cost-effectiveness of pharmacological fracture prevention for osteoporosis as prescribed in clinical practice in France, Germany, Italy, Spain, and the United Kingdom, Osteoporosis International https://doi.org/10.1007/s00198-019-05064-w

[13] Svedbom, A., Ivergård, M., Hernlund, E., Rizzoli, R. & Kanis, J. A. Epidemiology and economic burden of osteoporosis in Switzerland. Arch. Osteoporos. 9, 187 (2014)

[14] Lewiecki EM, et al. Healthcare policy changes in osteoporosis can improve outcomes and reduce costs in the US. JBMR Plus 2019; Published online March, 2019. doi: 10.1002/jbm4.10192.

[15] Shepstone et al., Screening in the community to reduce fractures in older women (SCOOP): a randomised controlled trial, Lancet 2018; 391: 741-47 Published Online December 15, 2017; http://ots.ch/wndhW1, S0140-6736(17)32640-5

[16] https://www.sheffield.ac.uk/FRAX/tool.aspx?lang=de

[17] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19950275/index.html

[18] https://ots.ch/ZpiI1n

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