Rolf Bollmann Selbständiger Autor
Alkoholismus - Ja nicht drüber reden
Feldkirchen-Westerham (ots)
"Ja nicht drüber reden" Es betrifft rund 30 Millionen Menschen in Deutschland, die von einer der schlimmsten Erkrankungen betroffen sind - gemeinsam mit Herzerkrankungen und Krebs. Dabei dürfte Alkoholismus wahrscheinlich an erster Stelle stehen, weil Krebs und Herzerkrankungen auch das Resultat von Alkoholismus sein können. Und wie kommt es zu einem derartigen Ergebnis? Fiktion oder Wahrheit? Die Wahrheit ist - nachweislich durch Befragungen bei Unternehmen und anderen Institutionen bestätigt - dass wir in Deutschland rund 8 Millionen Alkoholiker haben, die schweren Missbrauch betreiben oder bereits chronisch abhängig sind. Der Übergang zwischen Missbrauch und Abhängigkeit ist schleichend und unerkannt. Nun möchte ich Ihnen erklären, warum ich die Zahl auf 30 Millionen betroffene Menschen beziffert habe. Wenn wir in der Tat 8 Millionen Alkoholiker haben (10% der Bevölkerung), müssen wir davon ausgehen, dass im Umfeld eines jeden Alkoholikers, im Durchschnitt mindestens 3 Menschen mit betroffen sind. Man nennt sie Co-Abhängige. Ich nenne sie die vergessene Mehrheit. Dazu gehören Ehepartner und Kinder. 3 mal 8 Millionen ergibt 24 Millionen. Rechnet man dann die 8 Millionen Alkoholiker hinzu, so kommen wir auf 32 Millionen Menschen, die tagtäglich mit dieser Krankheit konfrontiert sind. Und jetzt kommt's: "Ja nicht drüber reden". Es betrifft also rund 8 Millionen selbst betroffene Menschen in Deutschland, die mit einer der schlimmsten und tödlichen Erkrankung tagtäglich konfrontiert sind. Die Alkoholkranken selbst mit einer tödlichen Krankheit. Wobei Alkoholismus wahrscheinlich an erster Stelle steht, da der Alkohol in vielen Fällen die Ursache anderer Erkrankungen ist. Die Frage ist, wie lange noch wird diese Krankheit mit 1,5 oder 2 Millionen Alkoholiker in Deutschland beziffert und veröffentlicht. Das ist nicht die Wahrheit. Dann wären die Deutschen - bekannt an erster Stelle der "Schluckspechte" in Europa - die Einzigen in welchen der Prozentsatz der Alkoholiker bei rund 2-2,5% läge und rund 80.000 Toten durch Alkoholismus. Auch das ist nicht die Wahrheit. In anderen Ländern liegt diese Zahl bei zwischen 6 und 10%. Wie diese Zahlen bei uns zustande kommen bleibt ein Rätsel. Und wenn - dann ist das schon "Lichtjahre" her. Unbeachtet bleiben nun sicherlich auch die Folgeerkrankungen, die alkoholbedingt keineswegs nur zu Krebs führen oder zu Todesfällen und Herzerkrankungen die in diesen Zahlen nicht veröffentlicht sind. Nur um Zwei zu nennen. Es ist nicht nur die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und/oder die Lebererkrankungen, die die Folge schweren Alkoholmissbrauchs oder einer chronischen Abhängigkeit sind. Alle Organe des menschlichen Körpers sind betroffen. Das eine Organ mehr - das andere Organ weniger, geschweige denn das Gehirn. Es wird von kompetenter Seite behauptet, dass die Folgen schweren Alkoholmissbrauchs 250 Nebenerkrankungen im Körper erzeugen (Prof. Dr. Johannes Lindenmeyer). Lassen wir ihn - ich tue es ungern - nicht Recht haben, dann wäre schon die Hälfte katastrophal. Ist diese tödliche Gesellschaftskrankheit das Stiefkind der Politik? Auch darüber könnte es eine Antwort geben! Ohne die Menschen in der Regierung anzusprechen, die nicht von ungefähr selbst ein ernstes Problem haben "könnten". Alkohol und Kokain. Ich wünsche mir, dass hier seitens der Bundesregierung mehr getan wird (nicht nur die BzGA - deren Präventivwirkung fraglich ist und die auch von 1,5-2,0 Mio. reden und Statistiken helfen niemanden weiter. "Mehr Expertise bei neuer Drogenbeauftragten erwünscht" hieß es im Ärzteblatt (siehe Link im unteren Teil dieser Pressemitteilung) Herr Prof. Dr Seitz / Heidelberg hat sich das zu Herzen genommen. Einer von wie vielen? Aber darüber hinaus bleibt es nicht nur bei einem Einzelnen, sondern wohl eher bei einem frommen Wunsch, denn außer (aus meiner Sicht "falschen" Zahlen) scheint nicht viel zu passieren. Sollte es anders sein, würde ich mich freuen, wenn die wieder mal neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Marlene Mortler, dazu Stellung nimmt und uns sagt, was wirklich getan wird und bitte sie, mir klare Antworten zu geben, was das Ausmaß angeht egal in Zahlen, Prozent oder Todesfällen. Mal sehen ob sie das schafft. Klimaschutz, E-Mobilität, Rassismus- und/oder die Rententhematik sind ernste und wichtige Themen. Und darüber wird - in allen Ehren - auch gesprochen. Aber was ist mit den Menschen, die täglich nicht nur an Leberzirrhose, Pankreaskrebs, den Folgekrankheiten, bei Unfällen oder durch Selbstmorde sterben, deren Ursache im Alkohol zu suchen ist? Wo sind diese Zahlen? Das Thema wird totgeschwiegen. Fragen werden nicht beantwortet und es sterben 9 Alkoholiker pro Stunde. In der Gesellschaft ist Alkohol die Droge Nr. 1. Sehen wir - also die Gesellschaft - Alkohol als die gesellschaftliche Droge Nr. 1? Wir sprechen von Alkohol und Drogen und trennen halt "das Legale vom Illegalen". Dabei muss es heißen "Alkohol und andere Drogen". Im Internet liest man von Bier als Grundnahrungsmittel. Wie bitte? Wer hat denn diese Perversität erfunden? An diesem "Grundnahrungsmittel" sterben allein 30.000 Menschen "nur" an Leberzirrhose (Prof. Seitz, Heidelberg). Und an was sterben die Restlichen 50.000 und mehr? Was schrieb die Frau eines ehemaligen Bundespräsidenten: "Eines der größten gesellschaftspolitischen und gesundheitspolitischen Probleme unserer Zeit ist die wirksame Bekämpfung der Suchtkrankheiten". Das - meine verehrten Leser - war 1998". Und von Menschen mit Medikamentenabhängigkeit und der Abhängigkeit von illegalen Drogen spreche ich noch gar nicht. Die können wir dann zu den oben genannten Zahlen noch hinzurechnen - wenn man will. Sind wir denn wie die drei Affen? Stumm, taub und blind? Und müssten wir uns nicht fragen warum? Wenn es Ursachen gibt, welche sind es dann? Nun gibt es einige begründete Ursachen, nicht zuletzt auch Wirtschaftliche. Tabak und Alkohol bringen Steuereinnahmen in Rekordhöhe heißt es aus Berlin. Der Staat hat im vergangenen Jahr über 18 Milliarden Euro an Steuern auf Kaffee-, Alkohol- und Tabakkonsum eingenommen. Übrigens alle sind Drogen. 2,1 Milliarden bei Alkohol
Die Brauereiindustrie wird diesen Artikel ungern lesen. Und wird auf die Zahl der Beschäftigten in der Brauereiindustrie hinweisen. Wohl auch ein Grund warum man in Berlin nicht (oder nicht gern) darüber redet. Denn die Lobby ist mächtig. Man wird auch sagen: "Bier gehört zur Kultur in Deutschland". Richtig - in Massen. Aber wohl die ausschlaggebende Ursache ist: "SCHAM". Und diese Scham liegt in der Gefühlswelt des Menschen viel tiefer als Schuld. Ein anderer - und noch schlimmerer Grund ist ANGST. Angst "die Anderen" würden einen Alkoholiker zurückweisen oder ausschließen, er würde Prestige und Image verlieren und die Familie unter den abfälligen Blicken des Nachbarn leiden. Alles Humbug. Die Erfahrung ist meist Bewunderung, dass "er/sie es geschafft haben". Wissen tun die Menschen um einen Alkoholiker sowieso, dass er ein ernstes Problem hat. Nur der Alkoholiker glaubt, die wissen es nicht.
Wenn man überhaupt von Schuld reden kann, dann ist es die Gesellschaft, die keine Ahnung hat, was Alkoholismus ist. In drei Worten "eine tödliche Krankheit". Und alle Drei verhindern, dass sich ein Mensch als Alkoholiker "outet"? Und es gibt noch einen Grund: sollte das Thema in der Familie oder von Freunden angesprochen werden, reagiert der Alkoholiker mit unglaublichen Schimpfkanonaden und Gewaltdrohungen seinem Gegenüber und will diesen "unverschämten" Menschen gar nicht mehr sehen Klar! Einer der offensichtlichsten Beweise. Er will es doch nicht nochmal hören. Oder? Wenn ein Gegenüber der als Alkoholiker angesprochen wird und dann lacht und seinem vermutlichen "Ankläger" viel Glück auf seiner Suche wünscht, hat er wahrscheinlich kein Problem. Ich meine in aller Ehrlichkeit zu sagen: "Ja ich habe damit ein großes Problem" ist sehr selten. Um Himmels willen! SCHAM UND ANGST und Hunderttausende Tote.
Es gibt noch eine nette Definition: "Wer darüber nachdenkt Alkoholiker zu sein, der ist es schon"
Es gehört zur Tragik dieser Krankheit, dass viele den Weg in die Genesung nicht allein schaffen, nur ganz Wenige. Der allgemein gebräuchliche Satz heißt: "Nur Du allein wirst es schaffen, aber niemals allein". Es gehört auch zur Tragik dieser Krankheit, dass der Griff zur Flasche auch der Griff nach Liebe ist.
Zum Autor:
Rolf Bollmann ist 79 Jahre alt, 27 Jahre trockener Alkoholiker, leitete 15 Jahre einen gemeinnützigen Verein (FABA e.V.), führte Schulungen und Beratungen in Unternehmen durch, besuchte Schulen (35% der Schüler erkannten Alkoholismus in der Familie, erschien in Talkshows bei ARD, ZDF, SWR, RTL, HR, BR und die Presse wie Süddeutsche Zeitung, Münchner Merkur, WAZ, Bio im Ärzteblatt etc. Vor 11 Jahren gründete er eine Klinik auf Mallorca für alkoholkranke Menschen www.alkoholtherapie.net, welchen er wieder ein fried- und freudvolles Leben vermitteln wollte und konnte. Er sah dies als seine Lebensaufgabe. Viele dankten ihm das mit den Worten "Du hast mein Leben gerettet". Er ist Autor von 3 Büchern (davon eine Autobiographie), die sich mit dem Thema Alkohol befassen und seine 25-jährige Erfahrung widerspiegeln.
Folgende Bücher des Autors sind erschienen: 1. Eine neue Brille 2. Von der Gosse ins Schloss Bellevue 3. Ich schaff es nicht allein
Rolf Bollmann - aufgrund seines Alters - musste seine Arbeit auf Mallorca abgeben und ist im Ruhestand. Nicht ganz! Noch hilft er weiterhin - wenn auch nur privat oder übers Telefon - Menschen, die nach Hilfe suchen. Sie finden mehr über Rolf Bollmann im Internet unter www.rolf-bollmann.de
Erschienen im Ärzteblatt: http://ots.de/5JYyxr
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