Medienmitteilung
SNF: Bild des Monats 2006: Alpenvegetation durch Kalkgaben für
Jahrzehnte verändert
2006-09-14T08:00:00
Bern (ots) - Bild und Text unter:
http://www.presseportal.ch/de/galerie.htx?hype=obs Menschliche Eingriffe können alpine Ökosysteme langfristig stören Ökosysteme im Gebirge reagieren besonders unflexibel auf
menschliche Eingriffe. Nach einer Störung finden sie nur sehr
langsam wenn überhaupt zum ursprünglichen Zustand zurück. Dies
bestätigt eine Studie des Nationalen
Forschungsprogramms «Landschaften und Lebensräume der Alpen»,
welche die Vegetations- und Bodenentwicklung von über 70-jährigen
Versuchsflächen auf der «Schynigen Platte» untersuchte. Die
Ergebnisse des weltweit einzigartigen Experiments zeigen, dass das
Ausbringen von Kalk in den 1930er-Jahren ausreichte, die
artenreiche Alpweidenvegetation sowie die chemischen und
mikrobiellen Bodeneigenschaften für Jahrzehnte zu stören. Viele Weiden und Matten der höher gelegenen Alpen zeichnen sich
im Vergleich zu den tieferen Lagen durch nährstoffarme und saure
Böden aus. Deshalb sind in alpinen Gebieten wenig produktive , aber
häufig umso artenreichere Pflanzengesellschaften besonders
verbreitet. Vor über 70 Jahren startete der Berner Botaniker Werner
Lüdi auf der Schynigen Platte ob Grindelwald (BE) Experimente, die
sich heute als Glücksfall für die Umweltforschung erweisen, da sie
einmalig langfristige Beobachtungen in einem emissionsfernen Gebiet
ermöglichen. Lüdi beabsichtigte auf seinen Versuchsflächen, die
zuvor während Jahrhunderten beweidet worden waren, die geringe
landwirtschaftliche Produktivität durch Düngung und Kalkung zu
verbessern. Er unterzog die Versuchsflächen, auf denen die für
solche Standorte typische Borstgras-Heide mit Pflanzenarten wie
Arnika, Purpur-Enzian, Weissorchis oder Berg-Nelkenwurz gedieht,
unterschiedlichen Behandlungen. Dazu gehörten mechanischen
Eingriffe sowie Dünger- und Kalkgaben in zahlreichen Varianten. Durch die Düngung und die Kalkung stellte sich tatsächlich
innerhalb weniger Jahre ein produktiverer Vegetationstyp ein. Das
Borstgras, aber auch attraktive und heute seltene Pflanzenarten
wurden von Milchkraut oder Alpen-Rispengras verdrängt. Wie nun ein
internationales Forschungsteam um Thomas Spiegelberger von der
Universität Freiburg, Otto Hegg von der Universität Bern, und Urs
Schaffner von der Organisation CABI Bioscience in Delémont in einem
Artikel der renommierten Zeitschrift «Ecology»* zeigt, wirkt dieser
Effekt auch nach mehreren behandlungsfreien Jahrzehnten noch nach.
Die Studie wurde vom Nationalen Forschungsprogramm «Landschaften
und Lebensräume der Alpen» (NFP 48) des Schweizerischen
Nationalfonds unterstützt. Säuregehalt des Bodens bis heute reduziert
Die überraschend langanhaltende Störung des Ökosystems führen die
Autoren auf die Kalkgaben zurück denn auf jenen Flächen, die
einst nur gedüngt wurden, ist praktisch keine langfristige Wirkung
mehr festzustellen. Chemische und mikrobiologische Untersuchungen
des Bodens zeigen denn auch, dass die Behandlung mit Kalk vor über
70 Jahren nicht nur den Kalziumgehalt des Bodens bis heute erhöhte,
sondern auch dessen mikrobielle Zusammensetzung veränderte. Dies
führen die Forschenden darauf zurück, dass der Kalk bis heute den
natürlichen Säuregehalt des Bodens reduziert. Die dadurch
veränderte Mikroflora des Bodens macht die vorhandenen Nährstoffe
besser verfügbar und begünstigt nährstoffbedürftige Pflanzen.
Früher typische Arten haben dagegen markant abgenommen, Arnika
bleibt bis heute praktisch verschwunden. Weil die Pflanzenüberreste
durch die veränderten Bodenbedingungen relativ gut abgebaut und
wieder aufgenommen werden, bleibt das erhöhte Nährstoffniveau lokal
sehr lange erhalten. Mit Düngung allein also ohne Kalk konnte
dieser Effekt nicht erreicht werden, da die eingebrachten
Düngstoffe wieder ausgewaschen wurden. Erkenntnisse über Folgen der Luftverschmutzung
Wie dieser weltweit einzigartige ökologische Langzeitversuch im
Berggebiet zeigt, genügte eine Veränderung des Bodensäuregehaltes,
um das Ökosystem für Jahrzehnte aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Er bestätigt damit die theoretische Annahme, dass Ökosysteme im
Gebirge besonders unflexibel auf menschliche Eingriffe reagieren,
indem sie nach einer Störung wenn überhaupt nur sehr langsam
zum ursprünglichen Zustand zurückfinden. Die weitere Beobachtung
der von Lüdi angelegten Flächen wird auch in Zukunft
aufschlussreiche Erkenntnisse liefern. Dies umso mehr, als sich
diese Versuchsanlage auf der Schynigen Platte in einem
emissionsfernen Gebiet befindet, so dass vor dem überwältigenden
Panorama von Eiger, Mönch und Jungfrau nicht nur Erkenntnisse über
die Wirkung gezielter Düngung und Kalkung, sondern auch der
generellen Luftverschmutzung auf alpine Ökosysteme auf saurem Boden
möglich sind, da heute auf diesem Weg erhebliche Düngermengen bis
80 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr in den natürlichen
Kreislauf gelangen und dort Veränderungen der Artenvielfalt
bewirken. * Ecology, Band 87, S. 1939-1944 Weitere Auskünfte:
Dr. Thomas Spiegelberger
Cemagref de Grenoble
Domaine universitaire
2, rue de la Papeterie - BP 76
FR-38402 Saint-Martin-d'Hères cedex
Tel : 00 33 4 76 76 28 19
Fax : 00 33 4 76 51 38 03
E-Mail : thomas.spiegelberger@grenoble.cemagref.fr Prof. em. Dr. Otto Hegg
Landorfstr. 55
CH-3098 Köniz
Tel: +41 (0) 31 971 08 38
E-Mail: hegg@ips.unibe.ch Dr. Urs Schaffner
CABI Switzerland Centre
chemin des grillons 1
CH-2800 Delémont
Tel: +41 (0)32 421 48 77
E-Mail: u.schaffner@cabi.org Text und Bild dieser Medieninformation können auf der Nationalfonds-
Homepage abgerufen werden http://www.snf.ch/medienmitteilung
Permalink:
https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100515903
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