Medienmitteilung
SNF: Bild des Monats November 2006: Computermodell simuliert
Verbreitung und Entwicklung des Permafrosts im steilen Fels
2006-11-15T09:00:00
Bern (ots) - Bild und Text unter:
http://www.presseportal.ch/de/galerie.htx?type=obs Eine gute Prognose hilft Kosten sparen Wenn Permafrost in den Alpen taut, leidet die Stabilität von
Bauwerken im Hochgebirge. Um die heutige Verbreitung und die
zukünftige Entwicklung des Permafrosts im Fels abschätzen zu
können, haben Wissenschaftler der Universität Zürich mit
Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds neue
Computermodelle und Messmethoden entwickelt. Die vielversprechenden
Resultate werden dazu beitragen, bei Wartungs- und
Sanierungsarbeiten sowie bei der Planung neuer Bauvorhaben Kosten
zu sparen. Verborgen in Felswänden und ganzen Gipfelregionen existiert in
den Alpen eine bis zu mehrere hundert Meter dicke
Permafrostschicht, in der das ganze Jahr Temperaturen unter dem
Gefrierpunkt herrschen. Weil der Permafrost nur über die Temperatur
definiert ist, handelt es sich um ein unsichtbares Phänomen. Der
Nachweis seiner Existenz ist daher sehr schwierig. Mit Hilfe von Modellrechnungen ist es Forschenden des
Geographischen Instituts der Universität Zürich nun gelungen, die
räumliche Verteilung und die zeitliche Entwicklung der
Oberflächentemperaturen und damit des Permafrostes in den
Felsregionen der Alpen zu bestimmen. Das von Stephan Gruber und
Jeannette Nötzli mit Unterstützung des Schweizerischen
Nationalfonds entwickelte Modell berechnet die Energiebilanz an der
Felsoberfläche. Es basiert auf langjährigen meteorologischen
Messreihen und digitalen Geländemodellen. Weil im Gebirge die
Temperaturen in der Nordseite eines Berges oder steilen Grates auch
von der viel wärmeren Südseite beeinflusst werden, reicht es aber
nicht, nur die Oberfläche zu betrachten. Das Modell kann deshalb
mit einem dreidimensionalen Modell gekoppelt werden, das auch den
Wärmefluss im Berg berücksichtigt. «Damit lässt sich auch die
Temperaturverteilung im Untergrund bestimmen», erklärt Nötzli. Ziel der Wissenschaftler war es, ein Modell zu entwickeln, das
die hochkomplizierte Topographie der Alpen mit ihren vielen
Facetten berücksichtigt. Wie gut das Modell die Realität abbildet,
überprüfen Gruber und Nötzli mit Hilfe von Sensoren, die seit
mehreren Jahren in über 30 Felswänden zwischen 2500 und 4500 m ü.M.
montiert sind und die das ganze Jahr über die Temperaturen im Fels
messen. «Wir waren selbst erstaunt darüber, wie gut unsere
Modellrechnungen mit den Messungen im Gebirge übereinstimmten»,
freut sich Gruber. Auch Abweichungen haben seine Freude nicht
gedämpft im Gegenteil. «Die Untersuchung der Abweichungen hilft
uns, Neues und oft unerwartete Zusammenhänge zu lernen und das
Modell zu verbessern», erklärt Gruber. Die verwendete Strategie von Messungen und Modellrechnungen
erlaubte es zum ersten Mal, die Ausdehnung und die Temperaturen des
Permafrostes in Felswänden zu quantifizieren. Die Resultate haben
deshalb schnell ihren Weg in die Praxis gefunden: Sie bildeten eine
wichtige Grundlage der im Sommer 2006 vom Bundesamt für Umwelt
publizierten Karte zur potenziellen Verbreitung des Permafrosts in
der Schweiz. Ziel der Übersichtskarte ist eine Überprüfung und
Anpassung der kantonalen Gefahrenkarten. Permafrost ist in der Regel ein unspektakuläres Phänomen. Das
kann sich aber ändern, wenn der Fels in steilen Lagen tief auftaut
so geschehen im Hitzesommer 2003, in dem sich zahlreiche
Felsstürze in Permafrostgebieten der Alpen ereigneten. Da steile
Felswände keine isolierende Schneedecke haben und Eis nur in
Gesteinsporen und Spalten auftritt, reagieren sie sehr schnell auf
veränderte Temperaturbedingungen. «Wenn sich Fels mit eisgefüllten
Klüften erwärmt, verringert sich oft seine Stabilität», erklärt
Gruber. Mit Hilfe ihres Modells, konnten die Forschenden 30
Ereignisse aus dem Jahr 2003 reanalysieren. Dabei zeigte sich, dass
die Felstemperaturen im Bereich der meisten Anrisszonen nur wenig
unter 0°C lagen. «Der grösste Teil der Bruchvorgänge geht demnach
im Bereich des Permafrosts nahe des Gefrierpunkts vor sich», sagt
Nötzli. In den kommenden Jahrzehnten muss mit einer weiteren Erwärmung
in Permafrostgebieten gerechnet werden. Dies hat ökonomische
Konsequenzen. Die Abschätzung der zukünftigen Permafrostentwicklung
ist deshalb eine Herausforderung für die Wissenschaft. Felsstürze,
Steinschlag und Bodenverschiebungen bedrohen Infrastruktur wie
Seilbahnstationen oder Berghütten. «Wartungs- und
Sanierungsmassnahmen sowie Planungen von neuen Bauvorhaben werden
voraussichtlich deutlich erhöhte Kosten verursachen», sagt Gruber.
Um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und damit Kosten
einzusparen, will das Forscherteam in den kommenden Jahren
Techniken und Werkzeuge für lokale Prognosen über die
Permafrostentwicklung verfügbar machen. Ein wichtiger Schritt dazu,
nämlich das Zusammenführen von bestehenden Klimamodellen mit dem
Permafrostmodell, ist ihnen bereits gelungen. Erste Resultate
zeigen, dass sich der Permafrost im steilen Gebirge bei steigenden
Temperaturverhältnissen schnell erwärmt, weil die Wärme von
mehreren Seiten in den Untergrund eindringen kann. Nicht alle Auftauprozesse im Permafrost lassen sich aber mit
ausreichender Genauigkeit modellieren. Kritische Stellen im Bereich
von Bergbahnen und anderen Infrastrukturen im Hochgebirge müssen in
Zukunft verlässlich und effizient überwacht werden. Zusammen mit
Wissenschaftlern aus dem Nationalen Forschungsschwerpunkt «Mobile
Informations- und Kommunikationssysteme» (NFS MICS) entwickeln und
testen die Forscher deshalb neue Sensoren, die ihre Messdaten mit
drahtlosen Netzwerken über das Internet sofort verfügbar machen. Für weitere Informationen:
Glaciology and Geomorphodynamics Group
Physische Geographie
Geographisches Institut der Universität Zürich
Winterthurerstrasse 190
CH-8057 Zürich Dr. Stephan Gruber
Tel: +41 (0)44 635 51 46
Fax: +41 (0)44 635 68 48
E-Mail: stgruber@geo.unizh.ch Dipl. geogr. Jeannette Nötzli
Tel: +41 (0)44 635 52 24
Fax: +41 (0)44 635 68 48,
E-Mail: jnoetzli@geo.unizh.ch Text und Bild dieser Medieninformation können auf der Nationalfonds-
Homepage abgerufen werden http://www.snf.ch/medienmitteilung
Permalink:
https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100519764
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