Medienmitteilung

PD: Ständemehr bleibt unverändert

2003-01-13T14:17:01
(ots) - Auch bei klaren Mehrheiten im Ständerat soll auf das Ständemehr bei 
Verfassungsabstimmungen nicht verzichtet werden. Die vorberatende 
Kommission des Nationalrates lehnt diese von einer parlamentarischen 
Initiative vorgeschlagene Relativierung des Ständemehrs ab. Damit 
würde die direkte Demokratie erheblich geschwächt.
Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates lehnt mit 
12:7 Stimmen bei einer Enthaltung eine parlamentarische Initiative 
von Nationalrat Hans-Jürg Fehr (SP/SH) ab (02.443 Pa.Iv. Fehr Hans-
Jürg. Mehr Ständerat, weniger Ständemehr). Diese Initiative fordert 
eine Änderung der Bestimmungen über das Ständemehr in der 
Bundesverfassung. Spricht sich im Ständerat eine qualifizierte 
Mehrheit (z.B. zwei Drittel seiner anwesenden Mitglieder) für eine 
Vorlage aus, welche nach bisherigem Recht Volk und Ständen zur 
Abstimmung zu unterbreiten ist, so soll nach dem Vorschlag der 
Initiative nur noch eine Volksmehrheit notwendig sein. Eine Mehrheit 
der Kantone wäre nur noch notwendig, wenn eine Vorlage im Ständerat 
nur relativ knapp angenommen wird.
Der Initiant und mit ihm die Kommissionsminderheit wollen das ihrer 
Ansicht nach zunehmende Risiko verkleinern, dass eine wichtige 
Vorlage zwar eine Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt, aber 
dennoch wegen dem fehlenden Ständemehr abgelehnt wird. Es würde zu 
einer staatspolitischen Krise führen, wenn eine insgesamt von einer 
klaren Mehrheit der stimmenden Schweizerinnen und Schweizer 
angenommene Vorlage z.B. allein wegen einigen hundert Stimmenden aus 
einem kleinen Kanton scheitern würde. Aufgrund der 
Bevölkerungsentwicklung hat das Gewicht der kleinen Kantone der Ost- 
und Innerschweiz seit 1848 stark zugenommen. Ursprünglich konzipiert 
als Minderheitenschutz, diene das Ständemehr immer mehr dem 
Machterhalt eines bestimmten politischen Lagers.
Die Kommissionsmehrheit will am Erfordernis des doppelten Mehrs von 
Volk und Ständen für Verfassungsänderungen festhalten. Neben dem 
Grundsatz der gleichen Rechte der Bürgerinnen und Bürger steht 
gleichberechtigt der Grundsatz der gleichen Rechte der Kantone als 
Träger des Bundes. Die Mitglieder des Ständerates aus einem Kanton 
können das heute von der Kantonsbevölkerung ausgeübte Recht der 
Abgabe der Standesstimme nicht gleichwertig übernehmen. Damit würde 
die direkte Demokratie erheblich geschwächt. Zudem kann diese 
Funktion von den Ständeräten schon deswegen nicht übernommen werden, 
weil auch für sie das "Instruktionsverbot" der Bundesverfassung 
gilt. Das heisst, dass sie nicht gehalten sind, im Ständerat gemäss 
der Mehrheitsmeinung in ihrem Kanton abzustimmen. 
Ein Auseinanderklaffen von Volks- und Ständemehr ist in der Praxis 
nur bei einem ganz knappen Volksmehr möglich. Dies hat keine 
Staatskrise zur Folge; es ist im Gegenteil durchaus legitim, dass 
das Ständemehr eine Minderheit von 45-50% der Stimmenden schützt, 
die mit der Mehrheit der Kantone zum Beispiel neue 
Kompetenzübertragungen von den Kantonen an den Bund verhindern will.
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Mit 13:11 Stimmen lehnt die Kommission eine parlamentarische 
Initiative der Grünen Fraktion ab, welche die Möglichkeit der 
Bildung von parlamentarischen Expertenkommissionen einführen will 
(02.427. Pa.Iv. Grüne Fraktion. Gemischte Studien- und 
Forschungskommission). Mit solchen Kommissionen, die aus 
Ratsmitgliedern und Fachleuten zusammengesetzt wären, soll das 
Parlament unabhängig von Regierung und Verwaltung im Vorfeld des 
eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens Entscheidungsgrundlagen zu 
gesellschaftlichen Problemen von grosser Bedeutung (z.B. 
Klimaerwärmung, Gentechnologie) erarbeiten können. Der 
Wissenstransfer zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sollte 
auf diese Weise verbessert werden.
Die Kommissionsmehrheit lehnt die Initiative ab, weil dieses 
Instrument nur für ein Berufsparlament geeignet sein kann. Die 
Doppelbelastung durch das Parlamentsmandat und die Berufsausübung 
ist heute derart gross geworden, dass für die meisten Ratsmitglieder 
die erhebliche zusätzliche Belastung durch die Einsitznahme in eine 
derartige Kommission kaum tragbar wäre. Die Aufgabe derartiger 
Kommissionen kann im schweizerischen System auch durch die 
ausserparlamentarischen Kommissionen des Bundesrates wahrgenommen 
werden. Zudem können auch die bestehenden parlamentarischen 
Kommissionen Experten beiziehen und Aufträge an die Verwaltung 
erteilen, um sich Entscheidungsgrundlagen bereit stellen zu lassen. 
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Die Kommission hat weiter den Entwurf für ein neues 
Geschäftsreglement des Nationalrates einstimmig verabschiedet. Diese 
Totalrevision setzt die verschiedenen Neuerungen des 
Parlamentsrechts auf Reglementsstufe um, die im Zuge der Revision 
der Bundesverfassung (96.091) und des Parlamentsgesetzes (01.401) 
beschlossen worden sind. 
Das Abstimmungsverhalten der Ratsmitglieder soll in Zukunft der 
Öffentlichkeit vollumfänglich zugänglich gemacht werden. Was wegen 
des Widerstandes des Ständerates im Parlamentsgesetz nicht für die 
ganze Bundesversammlung durchgesetzt werden konnte, soll nun 
wenigstens im Nationalrat verwirklicht werden. Dort wird bisher bei 
gewissen wichtigen Abstimmungen die Stimmabgabe jedes Ratsmitglieds 
in Form einer Namensliste publiziert. Neu sollen die Bürgerinnen und 
Bürger das Stimmverhalten jeder Nationalrätin und jedes 
Nationalrates bei allen Abstimmungen einsehen können.
Zukünftig soll nicht mehr das älteste, sondern das amtsälteste und 
damit erfahrenste Ratsmitglied Alterspräsidentin oder 
Alterspräsident des Nationalrates sein und somit die konstituierende 
Sitzung nach den Gesamterneuerungswahlen des Rates leiten. An dieser 
Sitzung soll neben der Alterspräsidentin oder dem Alterspräsidenten 
neu auch das jüngste der neu gewählten Mitglieder Gelegenheit zu 
einer Rede erhalten.
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Die Kommission tagte am 9./10. Januar 2003 in Bern unter dem Vorsitz 
von Nationalrat Charles-Albert Antille (FDP/VS).
Bern, 13. Januar 2003
Parlamentsdienste
Auskünfte:
Charles-Albert Antille, Kommissionspräsident, Tel. 031 322 99 86 (in 
Kommissionssitzung in Zimmer 86 des Parlamentsgebäudes)
Martin Graf, Kommissionssekretär, Tel. 031 322 97 36

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