Medienmitteilung
PD: Agrarpolitik 2007: Liberalisierung bei Milch und Fleisch
2003-01-23T14:45:00
Bern (ots) - Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des
Nationalrates hat anlässlich ihrer Sitzung vom 20. - 22. Januar 2003
die Agrarpolitik 2007 behandelt. Im Bereich der
Milchkontingentierung folgt die Mehrheit der WAK dem Beschluss des
Ständerates, die Kontingentierung auf 2009 aufzuheben, verlangt aber
vom Bundesrat auf 2006 die Vorlage konkreter Massnahmen zur
Abfederung des Ausstiegs. Beim Fleisch schlägt die
Kommissionsmehrheit die Versteigerung der Importkontingente vor und
will das Funktionieren der öffentlichen Märkte durch verschiedene
Massnahmen sichern. Schliesslich schlägt die WAK für die Verwendung
von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft ein
Moratorium bis Ende 2009 vor. Bei der Tabakbesteuerung beantragt die
Kommission, an den Differenzen gegenüber dem Ständerat festzuhalten. I. Agrarpolitik 2007
1. Hintergrund Nachdem mit der Agrarpolitik
2002 eine grundsätzliche Neuausrichtung der Landwirtschaft hin zu
mehr Markt und Ökologie eingeleitet wurde, soll diese Stossrichtung
mit der Agrarpolitik 2007 auf der Basis des Landwirtschaftsartikels
104 BV weitergeführt werden. Damit sollen günstige Rahmenbedingungen
für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Landwirtschaft
geschaffen werden. Der Ständerat hat als Erstrat das Geschäft in der
Wintersession 2002 behandelt (vgl. Pressemitteilungen vom 23.10. und
13.11.2002 der WAK-S auf
www.parlament.ch/homepage/medienmitteilungen). Dank der speditiven
Behandlung der Vorlage durch die WAK, kann der Nationalrat das
Geschäft in der Frühjahrssession beraten. 2. Eintreten
Obwohl das Eintreten einstimmig beschlossen wurde, hat
die Frage nach den Zukunftsperspektiven der Landwirtschaft die
Eintretensdebatte dominiert. Die Debatte stand einerseits unter dem
Zeichen der schwierigen Einkommenssituation in der Landwirtschaft
und dem engen finanziellen Korsett der Bundesfinanzen. Andererseits
dominierte die Einsicht, dass der Landwirtschaft Perspektiven
aufzuzeigen sind. Ziel sei weiterhin eine produktive Landwirtschaft,
was für die Kommission mindestens ebenso wichtig sei wie die Aspekte
Ökologie, Produktesicherheit und -qualität sowie regionale Anliegen.
Vor diesem Hintergrund wurde das Weiterführen der Reformen der AP
2002 im Sinne der AP 2007 als notwendig erachtet. Damit werde die
Wettbewerbsfähigkeit gesteigert, womit die Landwirtschaft die
internationalen Herausforderungen erfolgreich bewältigen könne.
Während die Stossrichtung der Reformen grossmehrheitlich unterstützt
wurde, gingen die Meinungen über die Ausgestaltung der Reformen und
das Reformtempo auseinander. Generell dominierte die Einschätzung,
dass eine Verzögerung der Reformen die Chance einer notwendigen und
rechtzeitigen Weichenstellung gefährdet und den Interessen der
schweizerischen Landwirtschaft mittel- und langfristig nicht dient. 3. Einzelne Bereiche
3.1. Milchkontingentierung
Der Bundesrat schlug die schrittweise Aufhebung der
Milchkontingentierung auf Ende April
2007 vor, bzw. den Kontingentsausstieg für die Bioproduzenten und
Berg- bzw. Sömmerungsgebiete auf den 1. Mai 2005, respektive den 1.
Mai 2006. Der Ständerat folgte generell diesem Anliegen, verschob allerdings
die Aufhebung der Kontingentierung auf 2009, bzw. 2006 für die
Bioproduzenten und die Berggebiete. Die WAK-N folgte generell mit
grossem Mehr dem Ständerat. Somit sollen die Milchkontingentierung
am 1. Mai 2009 aufgehoben und anschliessend befristete
Rahmenbedingungen für die privatrechtliche Mengensteuerung
eingeführt werden (Verhinderung eines Spotmarktes für Milch). Die in
der Dezembersession durch beide Räte angenommenen Anpassungen im
Dringlichkeitsrecht (Art. 31 LwG) sollen ins ordentliche Recht
überführt werden. Damit wird die Anpassung der Milchmenge durch die
Gesamtbranche auf das Kalenderjahr 2003 beschränkt, während
anschliessend bis zur Aufhebung der Kontingentierung die einzelnen
Brachenorganisationen dem Bundesrat ihre Milchmenge losgelöst von
der Gesamtmilchmenge beantragen können. (Eine Minderheit beantragt
den Ausstieg bereits 2007, eine andere Minderheit will die
Ausstiegsdiskussion erst im Jahre 2006 führen.) Im Gegensatz zum Ständerat hat die WAK-N den vorzeitigen Ausstieg
für Bio- und Bergbetriebe sowie für Organisationen mit einem eigenen
Mengenmanagement abgelehnt. Der Zeitdifferenz wurde als zu kurz
erachtet, um einen Marktvorteil zu bewirken; auch wurden ein hoher
Verwaltungsaufwand, die Möglichkeit von 'Milchtourismus' sowie
Fehlinvestitionen in diese Bereiche befürchtet. Schliesslich will
die Kommission - ebenfalls in Abweichung zum Erstrat - den Bundesrat
beauftragen, bis 2006 ein Konzept für die Ausgestaltung der
Milchmarktordnung und flankierende Massnahmen nach dem Ausstieg aus
der Milchkontingentierung vorzuschlagen. Diese Vorschläge basieren
auf der Erkenntnis, dass sich die Absatzmengen für Milch in den
verschiedenen Verwertungskanälen unterschiedlich entwickeln.
Grundsätzlich sollen deshalb die für die einzelnen Produkte
zuständigen Organisationen die ihren Bedürfnissen entsprechenden
Milchmengen separat beantragen können. Damit sollen Milchüberschüsse
vermindert werden, da die Branchenorganisationen die
Marktverhältnisse besser kennen und bei Überproduktion zur
Lösungssuche verpflichtet werden. Der Bund soll nur im Falle der
Gefährdung der Entwicklung der Milchwirtschaft in die von den
Produzenten festgelegten Produktionsmengen eingreifen. 3.2. Fleisch: Versteigerung der Zollkontingente
Vorschlag Bundesrat: Bei der Regelung der Fleischimporte schlägt der
Bundesrat die Versteigerung der Zollkontingente nach einer
Übergangszeit vor. Mit den aus der wettbewerbsgerechten Verteilung
der Zollkontingente resultierenden Versteigerungs-erlösen soll die
Finanzierung der Entsorgung der Fleischabfälle sichergestellt
werden. Entscheid Ständerat: Im Ständerat überwog die Ansicht, dass die
Marktabräumung nur mit dem bestehenden System der Inlandleistung als
Voraussetzung für Zollkontingente gesichert werden kann. Auch wurde
ein übermässiger Strukturwandel bei den Metzgereibetrieben und ein
weiterer Konzentrationsprozess bei den Importeuren befürchtet.
Deshalb beschloss der Ständerat, beim bestehenden System zu
verbleiben und auf die Versteigerung der Fleischkontingente zu
verzichten. Vorschlag der WAK-N: Die Kommissionsmehrheit (21:3:1) schlägt die
Versteigerung der Importkontingente vor, womit eine bedeutende
Divergenz zum Ständerat geschaffen wird. Für die Mehrheit finden
sich im Fleischmarkt Renten, welche weder den Landwirten noch den
Konsumenten zugute kommen. Diese Kreise - inkl. der Schweizerische
Bauernverband - haben sich denn auch für die Reform ausgesprochen.
Vor dem Hintergrund eines Selbstversorgungsgrads von 95% beim Rind-
und Schweinefleisch und Importen von 5% werden die Bedeutung der
Mischrechnung zugunsten des inländischen Fleisches angezweifelt und
bedeutende Partikularinteressen vermutet. Die vom Bundesrat
vorgeschlagene Lösung führt zumindest Teile der Renten näher an die
Landwirte, Konsumenten oder Steuerzahler. Die Versteigerung
ermöglicht die Abschöpfung der Renten und leistet einen Beitrag an
die Schuldenbremse und zur Entsorgung der Schlachtabfälle. Eine
Minderheit der Kommission (11:12:1) verlangt allerdings, dass der
Versteigerungserlös direkt der Landwirtschaft zugute kommt
(Entlastung des Fleischmarktes und subsidiär Direktzahlungen) und
die Entsorgung der Schlachtabfälle durch allgemeine Bundesmittel
berappt wird. Zur Sicherung der Marktabräumung in Randregionen
werden schliesslich verschiedene Massnahmen vorgeschlagen: Erstens
beschloss bereits der Ständerat die Möglichkeit der Unterstützung
von Märkten in Berggebieten (Art. 50 Abs. 2). Zweitens sollen
zukünftig 10% der Zollkontingente für Rindvieh und Schafe aufgrund
der Zahl der auf öffentlichen Viehmärkten ersteigerten Tiere
zugeteilt werden; für eine Minderheit sollen bloss 5% der
Zollkontingente so zugeteilt werden (12:13). 3.3. Direktzahlungen Antrag Bundesrat: Aus grundsätzlichen
Überlegungen (Leistungsabgeltung) und im Hinblick auf strukturelle
Entwicklungsmöglichkeiten will der Bundesrat die Bezugsgrenzen
bereinigen. Die Beitragsabstufung und Mindestgrössen nach Fläche
oder Tierzahl je Betrieb sowie die Grenzwerte bezüglich Einkommen
und Vermögen sollen aufgehoben werden. Beschluss Ständerat: Der Ständerat folgte dem Bundesrat in allen
Punkten. Antrag der WAK-N: Die Kommissionsmehrheit (15:7:3) lehnt die
Aufhebung der Vermögens- und Einkommensgrenzen aus politischen
Gründen ab. Einerseits fallen nur wenige Betriebe unter diese Grenze
(ca. 1000 Betriebe); andererseits sei das Ausrichten von
Direktzahlungen an gut verdienende und vermögende Bauern angesichts
der Höhe des Rahmenkredits und der angespannten Lage der
Bundesfinanzen für den Stimmbürger kaum verständlich. Für die
Minderheit der Kommission soll den Landwirtschaftsbetrieben ein
Zusatzeinkommen ausserhalb der Landwirtschaft nicht verbaut und die
damit verbundene Benachteiligung von Bäuerinnen aufgehoben werden.
Die Aufhebung der Beitragsabstufung nach Mindestgrösse und
Mindestanzahl von Tieren je Betrieb wurde angenommen (16:9).
Schliesslich wurden zusätzliche Bezugskriterien diskutiert:
Abgelehnt wurde die gesetzliche Verankerung des Reduktionsziels bei
den grundwasserbelastenden Emissionen (7:15). Auf Ablehnung stiess
auch die Verknüpfung der ökologischen Direktzahlungen an die
Gewährleistung eines hohen Anteils an betriebseigenem Futter vom
eigenen oder gepachteten Land (8:14). Angenommen wurde einzig, dass
für Neueinsteiger eine geeignete landwirtschaftliche Ausbildung als
Bedingung für Direktzahlungen gefordert wird. 3.4. Raufutterbeiträge
Im Bereich der Raufutterbeiträge soll der Bundesrat die
Möglichkeiterhalten, diese Beiträge für alle Kühe,
auch für diejenigen die Verkehrsmilch produzieren, auszubezahlen.
Die Bindung der Milch- und Fleischproduktion an die betriebseigene
Raufutterbasis (generell ca. 90%) soll noch klarer als bis jetzt
gefördert werden (13:12). Bei Betrieben mit Milchproduktion soll der
Bund die Kompetenz erhalten, die Beiträge entsprechend der
vermarkteten Milch und unter Berücksichtigung der für die
Milchmarktstützung eingesetzten Mittel zu kürzen (24:1). Damit wird
dem Bundesrat ermöglicht, die Subventionsströme von der
Marktstützung hin zu den Direktzahlungen zu verlagern, womit die
Entwicklung der Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Produktion
beschleunigt wird. Für die Kommissionsminderheit kommt eine
entsprechende Neuausrichtung der Produktion zu früh und ist mit zu
vielen Ungewissheiten verbunden. 3.5. Beiträge zur Erleichterung der Betriebsaufgabe
Für die Kommissionsmehrheit ist die Betriebsübergabe zu erleichtern,
um den Strukturanpassungsprozess gleichzeitig zu beschleunigen und
abzufedern. Während der Ständerat dieses Problem im Rahmen der
Regelung der Liquidationsgewinnsteuer (Unternehmenssteuerreform II)
regeln will, fordert die WAK schnellere und konkretere Massnahmen:
Der Bundesrat soll Massnahmen zur Erleichterung der vorzeitigen
Aufgabe von Betrieben und der Übertragung der dadurch frei werdenden
Flächen an andere Bewirtschaftende erarbeiten und ergreifen. 36
Moratorium für Gentechnisch veränderte Organismen in der
Landwirtschaft Die WAK (12:10:2) schlägt schliesslich ein Moratorium
für gentechnisch veränderte Organismen in der Landwirtschaft vor:
Der von einer Minderheit bekämpfte Antrag sieht vor, dass bis Ende
2009 solche Organismen weder eingeführt noch verwendet werden
dürfen. 4 Zahlungsrahmen
Der Zahlungsrahmen (2004-07) für die Vorlage
beläuft sich gemäss Bundesrat und Ständerat auf 14,092 Mia. Franken.
Die WAK lehnte Anträge zur Erhöhung bzw. zur Reduktion des
Rahmenkredits ab. II. Tabakbesteuerung
Die Kommission hat weiter die Differenzen zum Bundesgesetz über die
Tabakbesteuerung (02.020) beraten. Bei den zwei Differenzen zwischen
den beiden Räten hält die WAK am Beschluss des Nationalrates fest.
Zum einen beantragt sie, dem Bundesrat die Möglichkeit zu geben, die
Steuersätze nicht - wie vom Ständerat verlangt - um höchstens 50
Prozent, sondern um bis zu 80 Prozent zu erhöhen. Zweitens soll der
Bundesrat die Hersteller und Importeure von Zigaretten verpflichten
können, eine Abgabe von maximal 0,13 Rappen pro Zigarette in einen
Tabakpräventionsfonds abzuliefern. Nach Ansicht der Kommission ist
ein solcher Fonds gerechtfertigt und notwendig, um die Prävention
insbesondere bei Jugendlichen zu verstärken. Die Kommission hat
ausserdem ein Rechtsgutachten zur Kenntnis genommen, das die
Verfassungsmässigkeit eines solchen Fonds bestätigt. Die Kommission hat vom 20.-22. Januar 2003 in Bern unter dem Vorsitz
von Nationalrat Jean-Philippe Maitre (CVP/GE) und teilweise im
Beisein der Bundesräte Deiss und Villiger getagt. Bern, 23. Januar 2003
Parlamentsdienste Auskünfte:
Jean-Philippe Maitre, Nationalrat, Präsident WAK-N,022 703 47 50
Stefan Brupbacher, Kommissionssekretär, Tel. 079 789 13 81 (re I)
Alexandre Füzesséry, stellvertretender Kommissionssekretär, Tel. 031
322 98 58 (re II)
Permalink:
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