Medienmitteilung
PD: Neues Bundesgerichtsgesetz: Beratung abgeschlossen.
Bundesgesetz über die elektronische Signatur: Aufnahme der De-tailberatung
2003-08-18T17:57:47
(ots) - Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates hat die
Beratung des neuen Ge-setzes über das Bundesgericht und des Gesetzes
über das Bundesverwaltungsge-richt abgeschlossen und den beiden
Vorlagen zugestimmt. Dabei folgt sie gröss-tenteils den Vorschlägen
des Bundesrates. 1. Totalrevision der Bundesrechtspflege Der Bundesrat schlägt in
seiner Botschaft vom 28. Februar 2001 eine Totalrevision der
Bundesrechtspflege vor (01.023). Demnach soll zur Entlastung des
Bundesgerichts in Lausanne und des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts (EVG) in Luzern ein erstinstanz-liches
Bundesstrafgericht geschaffen und sollen die departementalen
Beschwerdedienste und Rekurskommissionen zu einem
Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst werden. Die richterlichen
Vorinstanzen des Bundesgerichts sollen auf kantonaler Ebene
ausgebaut werden. Künftig sollen auch für das kantonale
Verwaltungsrecht kantonale richterliche Be-hörden zuständig sein,
bevor eine Beschwerde an das Bundesgericht möglich ist. Das Par-
lament hat am 4. Oktober 2002 das Bundesgesetz über das
Bundesstrafgericht angenom-men. Die Kommission für Rechtsfragen des
Ständerates hat die Beratung der weiteren Teile der
Bundesrechtspflege-Reform, die sich über mehrere Sitzungen
erstreckte, nun abge-schlossen und das Gesetz über das Bundesgericht
(BGG) mit 7 zu 1 Stimme und das Ge-setz über das neue
Bundesverwaltungsgericht (VGG) mit 7 Stimmen bei 1 Enthaltung an-
genommen. Sie stimmt dem Konzept des Bundesrates grundsätzlich zu,
hat daran aber ei-nige bedeutende Änderungen vorgenommen.
Organisation und Strukturen Mit 5 zu 3 Stimmen stimmte die
Kommission der vorgeschlagenen Teilintegration des EVG in das
Bundesgericht zu. Demnach soll es künftig nur ein einziges
Bundesgericht mit Sitz in Lausanne mit einem zweiten Standort für
eine oder mehrere Abteilungen in Luzern geben (Art. 4 BGG). Eine
Minderheit möchte diese Integration abschwächen, indem im Gesetz
festgehalten wird, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht
seinen Sitz in Luzern hat und eine organisatorisch selbständige
Abteilung des Bundesgerichts ist. Die Kommission beantragt, im
Gesetz die Struktur der Geschäftsleitungen des Bundesgerichts, des
Bundes- verwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts festzulegen.
Der Präsident und der Vize-präsident können jeweils für zwei Jahre
wiedergewählt werden (Art. 13 BGG). Jedes Gericht hat eine
Geschäftsleitung, die sich aus dem Gerichtspräsidenten und weiteren
aus der Mitte des Gerichts gewählten Mitgliedern zusammensetzt. Die
Kommission beschloss mit 10 zu 1 Stimme, dass der
Verwaltungsdirektor (bisher: Generalsekretär des Bundesgerichts)
eben-falls der Geschäftsleitung angehört. Die Hauptaufgaben der
Geschäftsleitung sind im Ge-setz aufgeführt: Verabschiedung von
Voranschlag und Rechnung, Bereitstellung genügen-der
wissenschaftlicher und administrativer Dienstleistungen,
Gewährleistung einer ange-messenen Fortbildung des Personals (Art.
15 BGG). Schliesslich beantragt die Kommission, die Ausübung des
Amtes des Abteilungspräsidenten auf sechs Jahre zu beschränken (Art.
17 BGG). Mit 4 zu 3 Stimmen beantragt die Kommission, die Anzahl der
Richter bzw. Richterinnen des Bundesgerichts zu erhöhen (40 bis 50
anstatt 35 bis 45 gemäss Vorschlag des Bundes-rates) und vorzusehen,
dass die Anzahl der nebenamtlichen Bundesrichter höchstens ein
Drittel der Anzahlordentlicher Richter beträgt. Die Kommission
möchte damit die Ersetzung von krankheits- oder ferienbedingt oder
aus anderen Gründen abwesenden ordentlichen Richtern durch
nebenamtliche Richter soweit als möglich einschränken (Art. 1 BGG).
Die Kommission hat den Antrag des Bundesrates, wonach das
Bundesgericht die Verteilung der Geschäfte auf die Abteilungen und
die Bildung des Spruchkörpers durch Reglement festlegt, ohne
Gegenstimme gutgeheissen Art. 20 BGG). Streitwert Die Kommission
stimmte dem Vorschlag zu, die Streitwertgrenze in Zivilsachen von
8'000 auf 40'000 Franken anzuheben und auch für Staatshaftungsfälle,
Steuern und Abgaben so-wie für Geldstrafen eine Streitwertgrenze
einzuführen. Mit 5 zu 4 Stimmen beantragt sie, bei Beschwerden gegen
Endentscheide den Streitwert wie bisher nach den Begehren, die vor
der Vorinstanz streitig geblieben waren, zu bestimmen, und nicht
nach der Differenz zwi-schen den vor der Vorinstanz streitig
gebliebenen Begehren und dem Dispositiv des ange- fochtenen
Entscheids (Art. 47 BGG). Zugang zum Bundesgericht Die Kommission setzte sich eingehend mit
der Frage auseinander, in welchen Fällen eine Beschwerde an das
Bundesgericht in Zivilsachen, in Strafsachen und in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auch in den vom Gesetz
ausgeschlossenen Fällen dennoch zulässig sein soll (Art. 70, 74 und
78 BGG). Betreffend Zivil- und Strafsachen folgt sie mit 6 zu 3
Stimmen dem Vorschlag des Bundesrates, der diese Ausnahme auf die
Fälle begrenzt, in denen sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung stellt. Ihrer Meinung nach ermöglicht diese
Zugangsbeschränkung eine Entlastung des Bundesgerichts. Der Schutz
der Rechtsuchenden wird mit der Schaffung zweier Vorinstanzen auf
Bundesebene gewähr-leistet: dem Bundesverwaltungsgericht und dem
Bundesstrafgericht. Die Kommission präzi-siert in einem neuen
Artikel 89a BGG, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeu-
tung sich insbesondere dann stellt, wenn es wichtig ist, dass das
Bundesgericht die einheit-liche Anwendung von Bundesrecht
sicherstellt oder die Auslegung von Bundes- oder Völ-kerrecht klärt.
Mit 6 zu 3 Stimmen schlägt die Kommission ein anderes System für Be-
schwerden in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten vor: die
Beschwerde an das Bundesge-richt gegen kantonale und
Bundesentscheide ist zulässig, wenn die Verletzung einer
verfassungsmässigen Verfahrensgarantie im Sinne der Artikel 29, 29a
und 30 BV gerügt wird. Das Bundesgericht hätte demnach in einem
Sachgebiet, in dem die Beschwerde grundsätzlich ausgeschlossen ist,
nicht zu prüfen, ob es sich um eine Frage von grundsätz-licher
Bedeutung handelt. Eine Minderheit möchte den Zugang zum
Bundesgericht bei Beschwerden in Zivilsachen, Strafsachen und in
öffentlichrechtlichen Angelegenheiten nicht nur in Fällen
gewährleisten, in denen sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung stellt, sondern auch in Fäl-len, in denen es
offensichtlich Anhaltspunkte dafür gibt, dass der angefochtene
Entscheid auf der Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts
beruht. Sie will damit den Rechts-schutz wahren und die Einheit der
Rechtsprechung zu den verfassungsmässigen Rechten gewährleisten Bei
Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten möchte die
Min-derheit die Unzulässigkeitsausnahme auf Anfechtungen kantonaler
Entscheide beschrän-ken. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, dass
für Entscheide von Bundesbehörden das Bundesverwaltungsgericht für
die einheitliche Rechtsanwendung sorgt. Eine andere Minderheit
möchte die Beschwerden wegen Verletzung eines verfassungsmässigen
Rechts generell zulassen. Nach einem weiteren Minderheitsantrag soll
der Beschwerdeweg zum Bundesgericht für arbeits- und mietrechtliche
Streitsachen offen gehalten werden, wenn der Streitwert mindestens
20'000 Franken beträgt. Beschwerden gegen Entscheide auf dem Gebiet
des Asyls sollen gemäss einstimmigem Beschluss der Kommission
unzulässig sein. Vereinfachung der Beschwerdewege und vereinfachtes Verfahren Die
Kommission stimmte dem Vorschlag, pro Rechtsbereich (Zivilsachen,
Strafsachen, öf-fentlichrechtliche Angelegenheiten) eine
Einheitsbeschwerde einzuführen, ohne Gegen-stimme zu. Die
komplizierten Beschwerdewege ans Bundesgericht werden damit wesent-
lich vereinfacht. Ebenfalls zugestimmt hat sie der Weiterentwicklung
der Möglichkeit, be-schwerden im vereinfachten verfahren zu
erledigen (Art. 102 BGG). Gesetz über das Verwaltungsgericht des
Bundes (VGG) Die Kommission hat dem Entwurf zum Gesetz über das
Bundesverwaltungsgericht, für das sie die Bezeichnung
Verwaltungsgericht des Bundes vorschlägt, grösstenteils
zugestimmt. Die Vorlage umfasst Änderungen an über 120 geltenden
Gesetzen. Damit soll der Bundes-rat von regierungsfremden
Justizaufgaben entlastet werden. Dies entspricht der verfas-
sungsmässigen Rechtsweggarantie. Diese Kompetenzverlegung betrifft
zwar auch den be-deutenden Bereich der Beschwerden gegen Entscheide
von Kantonsregierungen auf dem Gebiet der Krankenversicherung, doch
ist die Kommission der Meinung, dass im Rahmen des KVG abgeklärt
werden muss, ob gegen Entscheide wie Spitallisten und Tarife Rechts-
mittel vorzusehen sind, oder ob solche Entscheide als definitive
politische Entscheide anzu-sehen sind. Analog zum Bundesgesetz über
das Bundesstrafgericht hat die Kommission eine Bestim-mung ins
Verwaltungsgerichtsgesetz eingeführt, wonach die Bundesversammlung
einen Richter oder eine Richterin des Amtes entheben kann, wenn er
oder sie Amtspflichten schwer verletzt hat oder die Fähigkeit das
Amt auszuüben, auf Dauer verloren hat. Die Kommission hat eine
solche Bestimmung ins Bundesgerichtsgesetz nicht aufgenommen. Sie
ist der Ansicht, dass diese Frage noch vertieft abgeklärt werden
muss. Mediation Die Kommission beantragt, zur Entlastung der Gerichte und
Verringerung der Gerichtskos-ten im Bundesgesetz über das
Verwaltungsverfahren (VwVG) einen neuen Artikel 33b über die
Mediation einzufügen. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde das
Verfahren im Einverständnis mit den Parteien sistieren, damit sich
diese über den Inhalt der möglichst gemeinsam erarbeiteten Verfügung
einigen können. Die Einigung schliesst in der Regel ein, dass die
Parteien auf Rechtsmittel verzichten und wie sie die Kosten
verteilen. Zur Förde-rung der Einigung kann die Behörde einen
Mediator einsetzen, der nur an das Gesetz und den Auftrag der
Behörde gebunden ist. Er kann Beweise abnehmen; für Augenscheine,
Gutachten von Sachverständigen und Zeugeneinvernahmen braucht er
eine vorgängige Ermächtigung der Behörde. Die Behörde macht die
Einigung zum Inhalt ihrer Verfügung, sofern sie rechtskonform ist.
Kommt eine Einigung zustande, erhebt die Behörde keine Ver-
fahrenskosten. Im Weitern befürwortet die Kommission die Vorschläge
zur Regelung des elektronischen Verkehrs mit Bundesbehörden im
Rahmen von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Der Ständerat wird
die Anträge der Kommission in der kommenden Herbstsession beraten. 2. Weitere Traktanden Im Rahmen der Prüfung der letzten Differenz beim Fusionsgesetz
(00.052) beantragt die Mehrheit der Kommission, sich dem Nationalrat
anzuschliessen und bei Umstrukturierungen die Erhebung kantonaler
oder kommunaler Handänderungsabgaben zu verbieten. Die Mehrheit ist
der Auffassung, dass eine solche Steuer den Gesetzesvollzug
ernsthaft gefähr-den würde, besonders bei der Fusion von Firmen mit
überwiegendem Immobilienvermögen. Um den Kantonen Zeit für die
Anpassung ihrer Gesetzgebung zu lassen, soll das Verbot erst fünf
Jahre nach den übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes in Kraft treten.
Eine Min-derheit sprach sich gegen das Verbot der
Handänderungsabgaben aus, da sie insbesonde-re die Kompetenz des
Bundes bestreitet, ein solches Verbot zu erlassen. Die Kommission hat sich einstimmig für die Genehmigung des
Zusatzprotokolls zum Übereinkommen des Europarats über die
Überstellung verurteilter Personen (02.035) ausgesprochen. In
Abweichung vom Übereinkommen ermöglicht das Zusatzprotokoll, dass
eine verurteilte ausländische Person die Sanktion in ihrem
Heimatstaat verbüsst, ohne dass diese ihre Einwilligung dazu
erteilen muss. Dies gilt in folgenden zwei Fällen: wenn die ver-
urteilte Person in ihren Heimatstaat flieht und sich so im
Urteilsstaat der Strafvollstreckung entzieht, oder wenn die
verurteilte Person nach Verbüssung der Strafe den Urteilsstaat oh-
nehin verlassen müsste. Ferner hat die Kommission einer Änderung des
Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen
zugestimmt, welche ein Rechtsmittel gegen Überstellungsentscheide
ohne Einwilligung der verurteilten Person vorsieht. Schliesslich hat
die Kommission ohne Gegenstimme beschlossen, die Motion des
National-rats zu überweisen, welche den Bundesrat beauftragt, bis
Ende 2003 Vorschriften für die Unabhängigkeit des Revisorats
vorzulegen (02.3646). Ferner ist sie ohne Gegenstimme auf das
Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der
elektronischen Signatur (01.044) eingetreten und hat die
Detailberatung aufgenommen. Die Kommission hat am 14. und 15. August
2003 unter dem Vorsitz von Ständerat Simon Epiney (VS, CVP) und
teils im Beisein von Bundesrätin Ruth Metzler in Siders getagt. Bern, 18. August 2003 Parlamentsdienste Auskunft:
Simon Epiney, Kommissionspräsident; Tel.: 027 455 78 40
Christine Lenzen, Kommissionssekretärin Tel.: 031 322 97 10
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