Medienmitteilung

Schweizerischer Nationalfonds: Ökonomische Analyse der Wohnort-Wahl mit Daten des Haushalt-Panels

2005-10-20T09:00:00

Bern (ots) -

Steueranreize werden überschätzt
Steueranreize beeinflussen das Wanderungsverhalten der breiten 
Bevölkerung kaum. Dies belegt eine vom Schweizerischen 
Nationalfonds unterstützte Studie der Universität St. Gallen.
Der Arbeitsplatz und die allgemeine Wohn- und Lebensqualität 
einer Region sind für das Wanderungsverhalten der breiten 
Bevölkerung ungleich bedeutsamer als Steueranreize. Dies belegt die 
Studie: «The influence of taxes on migration: evidence from 
Switzerland» der beiden St. Galler Forscher Thomas Liebig und 
Alfonso Sousa-Poza.
Ausgangslage für die beiden Wirtschaftswissenschafter waren 
dabei die insbesondere in nordeuropäischen Hochsteuer-Ländern 
(Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Niederlande und Belgien) 
beobachtbaren Versuche, mittels Steueranreizen hochqualifizierte 
Migranten anzulocken. Untersuchungen zur Wirksamkeit einer solchen 
Strategie waren unter anderem wegen der unterschiedlichen Kulturen, 
Zuwanderungspolitiken und weiterer variierender Einflüsse auf 
internationaler Ebene kaum möglich. Untersuchungen auf nationaler 
Ebene sind als Alternative zwar möglich, aber innerhalb der 
einzelnen EU-Länder unterscheiden sich die Steuersätze kaum 
voneinander.
Schweiz als ideale Datenbasis 
Anders - und für den Forschungszweck ideal - präsentiert sich die 
Situation in der Schweiz: Einerseits gibt es kaum ein Land auf der 
Welt, wo das Steuersystem derart von regionaler Autonomie geprägt 
ist. Zudem variiert die Steuerbelastung auf kleinem Raum extrem: 
Eine unverheiratete Einzelperson bezahlte im Jahr 2000 auf ein 
Jahres-Einkommen von 100'000 Franken in der Gemeinde Freienbach 
(SZ) rund 9000 Franken Kantons- und Gemeindesteuern, während 
dasselbe Einkommen in La-Chaux-de-Fonds (NE) mit 22'800 Franken 
versteuert wurde.
Die These der beiden Forscher: Falls nicht einmal in der 
kleinräumigen Schweiz, wo das Pendeln gut möglich ist, die Wahl des 
Wohnorts durch Steueranreize beeinflusst wird, dürfte dies im 
internationalen Kontext erst recht nicht der Fall sein.
Die Studie basiert auf den ersten drei Befragungen des Schweizer 
Haushalt-Panels der Jahre 1999-2001. Die Daten wurden in Form von 
Telefon-Interviews bei ursprünglich rund 5000 für die Schweiz 
repräsentativen Haushalten erhoben und liefern Resultate zu rund 
13000 Personen.
Besonders relevant waren dabei Informationen über Einkommen, 
gezahlte Steuern und über die Begründung von Umzugsentscheiden 
innerhalb der Schweiz. Damit liegen erstmals umfangreiche 
gesamtschweizerische Daten zu Migration, Steuerbelastung und den 
Migrationsmotiven auf individueller Basis vor.
Ausnahme Schumacher bestätigt die Regel 
Das Hauptergebnis: Die Wohnortwahl wird nicht wesentlich durch 
Steueranreize beeinflusst. «Entscheidender für den Umzugsentscheid 
sind Faktoren wie der Arbeitsplatz, die familiäre Situation oder 
lokale Anreize wie gute Bildungsinstitutionen oder eine schöne 
Gegend», erklärt Thomas Liebig. «Besonders der starke Einfluss des 
Immobilienmarktes war überraschend.» Eine höhere Steuerlast hatte 
hingegen keinen messbaren Einfluss auf das Wanderungsverhalten. 
Auch bei der Angabe der Gründe für die Wohnortwahl seien niedrige 
Steuern kaum je erwähnt worden, und wenn, dann nie an erster 
Stelle.
Schlussfolgerung: Das Ergebnis der Studie lässt für die Anreiz- 
Strategie der oben erwähnten Länder wenig Optimismus zu. Dass es 
immer wieder prominente Fälle von «Steueroptimierern» 
(beispielsweise Michael Schumacher) gibt, tut dabei der Aussage 
über das Migrationsverhalten der breiten Masse gemäss Thomas Liebig 
keinen Abbruch.
Die vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des 
Schwerpunktprogramms „Zukunft Schweiz“ unterstützte Studie wurde im 
August im „Cambridge Journal of Economics“ publiziert.
Eine auf der Schweizerischen Volkszählung beruhende, 
weiterführende Studie derselben Autoren („Taxation, Ethnic Ties and 
the Location Choice of Highly Skilled Immigrants“; OECD 
Social,Employment and Migration Working Papers, Nr. 25) konnte 
aufgrund der breiteren Datenbasis zwar einen Einfluss der 
Steuerlast auf das Migrationsverhalten – vor allem bei 
Hochqualifizierten - nachweisen, dieser ist jedoch eher gering.
Diese Studie ergab zudem, dass der Steuerwettbewerb eher auf 
intrakantonaler Ebene als auf interkantonaler Ebene zum Tragen 
kommt. Mit anderen Worten: Zuerst wird eine Region bzw. ein Kanton 
im Hinblick auf den Arbeitsplatz und die generelle regionale 
Attraktivität bestimmt. Steuerüberlegungen spielen erst bei der 
Wahl innerhalb dieses Raumes eine Rolle.
Für weitere Informationen:
Dr. Thomas Liebig
Non-Member Economies and International Migration Division
Directorate for Employment, Labour and Social Affairs
OECD
2, rue André-Pascal, 
F-75775 Paris Cedex 16
Tel:  +33-1 45 24 90 68
Fax: +33-1 45 24 76 04
E-Mail: Thomas.Liebig@oecd.org
PD Dr. Alfonso Sousa-Poza
Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitsrecht (FAA-HSG)
Universität St. Gallen
Guisanstrasse 92
CH-9010 St. Gallen
Tel. +41 (0)71 224 28 02
E-Mail: alfonso.sousa-poza.unisg.ch

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Weiterführende Informationen

http://www.snf.ch

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