Medienmitteilung
SNF: Nationales Forschungsprogramm «Beziehungen Schweiz
Südafrika» abgeschlossen
2005-10-27T11:15:00
Bern (ots) - Licht in die schweizerische Südafrikapolitik Welche wirtschaftlichen und politischen Beziehungen pflegte die
Schweiz mit dem Apartheid-Regime in Südafrika? Dieser Frage ist das
Nationale Forschungsprogramm Beziehungen Schweiz-Südafrika
(NFP42+) nachgegangen. Der Schlussbericht erhellt ein dunkles
Kapitel der jüngsten Schweizer Vergangenheit. Dass die Schweiz bei den internationalen Sanktionen gegen
Südafrika abseits stand, stützte zwar das Apartheid-Regime, führte
aber nicht dazu, dass es länger an der Macht geblieben wäre.
Problematisch war die Rolle der Schweiz trotzdem: Ausgerechnet auf
dem Höhepunkt der Apartheid in den 1980er-Jahren, waren die
Beziehung zu Südafrika besonders intensiv. Heikel waren
insbesondere die Kontakte im militärischen, rüstungsindustriellen
und nuklearen Bereich. Zu diesen Ergebnissen kommt der
Schlussbericht zum Nationalen Forschungsprogramm Beziehungen
Schweiz Südafrika, der am 27. Oktober in Bern den Medien
vorgestellt wurde. Den Auftrag für das Programm hatte der Bundesrat dem
Schweizerischen Nationalfonds im Mai 2000 erteilt. Als
übergeordnetes Ziel galt die Erarbeitung wissenschaftlicher
Grundlagen für eine Beurteilung der schweizerischen Südafrika-
Politik. Eine der Rahmenbedingungen für die Forschungsarbeiten war,
dass der Zugang zu den Akten der Bundesverwaltung, für die eine
Schutzfrist von 30 Jahren besteht, liberal geregelt würde. Der Schlussbericht hätte im Frühjahr 2004 publiziert werden
sollen. Die Arbeiten kamen allerdings ins Stocken, als der
Bundesrat im April 2003 eine Aktensperre verhängte; angesichts
drohender Sammelklagen aus den USA wollte er verhindern, dass
schweizerische Unternehmen international benachteiligt würden.
Betroffen von der Sperre waren fünf der insgesamt zehn Projekte.
Dies bedeutete für das Forschungsprogramm eine «ernsthafte
Störung», wie Georg Kreis, Präsident der Leitungsgruppe des
Programms sagt. Heikle Rolle der Behörden
Besonderes Augenmerk sollte laut Forschungsauftrag auf die 1980er-
Jahre gelegt werden, als die Menschenrechtsverletzungen in
Südafrika einen Höhepunkt erreichten. 1986 ergriffen die USA, die
damalige EG und Japan wirtschaftliche Sanktionen gegen das
Apartheid-Regime. Die Schweiz schloss sich nicht an. Begründet
wurde das Abseitsstehen mit der verfassungsmässig garantierten
Handels- und Gewerbefreiheit sowie mit der strikten Trennung
zwischen privatem und öffentlichem Handeln. Die internationale
Sanktionspolitik sei für die schweizerischen Behörden «in keinem
Moment wegleitend» gewesen, heisst es im Schlussbericht des NFP42+.
Im Gegenteil: «Die Schweizer Industrie hat das Waffenembargo, das
die Uno über Südafrika verhängte, in grossem Stil unterlaufen»,
schreibt der Historiker Peter Hug in seiner Untersuchung. «Die
Verwaltung war über viele illegale und halblegale Geschäfte
informiert. Sie duldete sie stillschweigend, unterstützte sie
teilweise aktiv oder kritisierte sie halbherzig.» Auch der Bau der
südafrikanischen Atombomben wurde laut Hug von der Schweiz aus
indirekt unterstützt. Nach den Ergebnissen des Juristen Jörg Künzli
wurden Lücken in der aussenwirtschftlichen Gesetzgebung bewusst
offen gehalten oder mit rechtlich teilweise nicht haltbaren
Argumenten begründet. Was die Auswirkungen des schweizerischen Wirtschaftsverhaltens
auf Südafrika anbelangt, so waren im Rahmen des NFP 42+ Abklärungen
nur eingeschränkt möglich. Aufgrund der vorhandenen Informationen
lässt sich laut Georg Kreis sagen, dass die das Apartheid-Regime
durch die Kooperation mit der Schweiz tendenziell gestärkt wurde,
für dessen Lebensdauer sei dies aber «kaum von grosser Bedeutung
gewesen». Kein «Wahrheitsbericht»
Im Schlussbericht wird davon abgesehen, ein Urteil über die
Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika zu fällen: Es handle
sich nicht um einen «Wahrheitsbericht», betont Kreis. Den
kritischen Umgang mit den Akten schliesst dies allerdings
nicht aus, so etwa bei der Bewertung des Verhaltens auf Seiten der
Verwaltung. Die Behörden erhalten dabei keine guten Noten: Die
Begründungen und Argumente im Zusammenhang mit dem Export von
Kapital und Kriegsmaterial habe «recht eigentlich täuschenden
Charakter» gehabt, hält der Bericht fest. Nationales Forschungsprogramm
Beziehungen Schweiz-Südafrika (NFP42+)
Das Nationale Forschungsprogramm Beziehungen Schweiz-Südafrika
(NFP42+) hatte zum Ziel, wissenschaftliche Grundlagen für eine
Beurteilung der schweizerischen Südafrikapolitik zur Zeit der
Apartheid (1948-1994) zu erarbeiten. Das mit zwei Millionen Franken dotierte Programm umfasst zehn
Studien zu wirtschaftlichen, rechtlichen, politologischen und
historischen Fragestellungen. Es wurde im Jahr 2000 im Auftrag des
Bundes lanciert; der Schlussbericht markiert das Programmende. Ergebnisse der Studien:
www.snf.ch/NFP/NFP42%2B/index.html Weitere Informationen:
Prof. Dr. Georg Kreis
Präsident Leitungsgruppe NFP 42+
Universität Basel
Europa-Institut
Gellertstrasse 27
Postfach
CH-4020 Basel
Tel: +41 (0)61 317 97 67
E-Mail: georg.kreis@unibas.ch Der Text dieser Medieninformation und die Informationen zur
Medienkonferenz können am 27.10.2005 ab 11.15 Uhr auf der
Nationalfonds-Homepage abgerufen werden:
http://www.snf.ch/medienmitteilung
Permalink:
https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100498748
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