Medienmitteilung
SNF: Training für übergewichtige Kinder mit ersten Resultaten
2005-11-14T08:10:00
Bern (ots) - Therapie der Eltern hilft Kindern beim Abnehmen Immer mehr Kinder in der Schweiz leiden an Übergewicht. Wenn
eine Therapie gegen kindliche Adipositas erfolgreich sein soll,
muss sie jedoch bei den Eltern ansetzen. Dies zeigt eine vom
Nationalfonds geförderte Studie aus Basel. Fast jedes fünfte Kind in der Schweiz ist übergewichtig. In den
vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der adipösen Kinder
verfünffacht. Neben einer genetischen Disposition spielen vor allem
Essverhalten, Umweltbedingungen und Bewegungsgewohnheiten eine
entscheidende Rolle. Die Folgen für die Betroffenen sind
gravierend. Unter Adipositas leidende Kinder fühlen sich stark in
ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Nur krebskranke Kinder
schätzen ihre persönliche Situation noch schlechter ein. Dazu
steigt bei adipösen Kindern das Risiko von orthopädischen
Problemen, Schlafstörungen, Diabetes, Leberverfettung oder Krebs.
Und diese Folgeerscheinungen verschlimmern sich mit dem Alter.
Adipositas gilt bereits heute als grösster Kostenfaktor im
Gesundheitswesen. Erstmals wissenschaftlich evaluierte Behandlung
In der Schweiz fehlt es bislang an wissenschaftlich evaluierten
Behandlungsangeboten für adipöse Kinder. Zwar gibt es Empfehlungen
von Kinderärzten, Psychologen und Ernährungsberatern. Die
wissenschaftliche Überprüfung dieser Behandlungsangebote steht
jedoch noch aus, sagt Psychologin Simone Munsch vom Institut für
Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Basel.
Munsch hat mit Binia Roth, die als Leitende Psychologin des Kinder-
und Jugendpsychiatrischen Dienstes Baselland mit adipösen
Jugendlichen konfrontiert ist, ein spezielles Training für adipöse
Kinder und ihren Eltern (TAKE) entwickelt. TAKE zielt auf
Verhaltensänderungen in den Bereichen Essen, Ernährung und Bewegung
ab. Darüberhinaus werden psychologische Gesichtspunkte wie
unrealistische Gewichtsziele, negative Einstellungen zur eigenen
Person und zum eigenen Körper thematisiert. Die Eltern wurden
miteinbezogen, weil Kinder ihre ungünstigen Essverhaltensmuster am
Familientisch erlernen, wie heute aus verschiedenen Untersuchungen
bekannt ist. Über Zeitungsinserate und Vorträge gelang es den Psychologinnen,
rund 180 betroffene Familien anzusprechen. Etwa ein Drittel war
schliesslich bereit, an dem mit einigem Aufwand verbundenen
Programm teilzunehmen. Sie absolvierten zehn wöchentliche und dann
sechs monatliche Trainings von jeweils rund eineinhalb Stunden;
auch erhielten sie regelmässige Übungen für zuhause. Ziel des vom
Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojektes war
es nicht nur, die Effizienz des Trainings zu testen. Es ging vor
allem darum, herauszufinden, ob eine Therapieform, die Eltern und
Kinder einschliesst, wirksamer ist als eine Behandlung, an der nur
die Eltern teilnehmen. Um die beiden Ansätze vergleichen und
bewerten zu können, wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip
zwei Gruppen zugeteilt. In einer Gruppe wurden parallel die acht-
bis zwölfjährigen Kinder und ihre Eltern behandelt, und die Kinder
erhielten noch zusätzlich Sportunterricht. In der anderen Gruppe
wurden nur die Eltern spezifisch behandelt. Elterntraining ohne Kinder am effizientesten
Ergebnis: Nach Abschluss des Trainings war das Übergewicht der
Kinder beider Gruppen um bis zu sieben Prozent gesunken. Auch wenn
es sich nach wenig anhört, liegen wir im Vergleich zu anderen
Studien damit im Schnitt. Es gibt eben keine Wunderpille gegen
Adipositas. Es braucht einen hohen Aufwand für wenig Ertrag, sagt
Simone Munsch. Eine weitere Gewichtsabnahme sei jedoch langfristig
tendentiell erkennbar, insbesondere bei den Kindern der Gruppe, in
der nur die Eltern ein Training durchliefen. Diese Gruppe schnitt
entgegen den Erwartungen der Wissenschaftlerinnen besser ab als die
Eltern-Kinder-Gruppe. Für Simone Munsch und Binia Roth gibt es
dafür allerdings eine plausible Erklärung: Die Eltern, die ohne
Kinder teilgenommen haben, fühlten sich stärker in die Pflicht
genommen. Es war von Anfang an klar, dass es alleine auf sie
ankommt. Im Gegensatz dazu konnten die Eltern der anderen Gruppe
die Verantwortung für die Verhaltensänderungen mit den
Therapeutinnen der Kinder teilen. Die Konsequenzen liegen für die Wissenschaftlerinnen auf der
Hand: Künftige Therapien müssen auf der Basis dieser Erkenntnisse
in erster Linie bei den Eltern ansetzen. In welchen Fällen der
Einbezug der Kinder sinnvoll ist, sollte Gegenstand weiterer
Forschungsprojekte sein. Für weitere Informationen:
Simone Munsch
Institut für Psychologie
Abt. für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Universität Basel
Missionsstrasse 62a
CH-4055 Basel
Tel. +41 (0)61 267 06 57/58
E-Mail: simone.munsch@unibas.ch Binia Roth
Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst Baselland
Kantonsspital Bruderholz
Personalhaus B
CH-4101 Bruderholz
Tel. +41 (0)61 425 56 56
E-Mail: binia.roth@kpd.ch
Permalink:
https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100499787
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