Medienmitteilung
SNF: Schweizer konsumieren weniger Antibiotika als Europäer
2006-01-16T09:00:00
Bern (ots) - Grosse regionale Schwankungen beim Schweizer
Antibiotikaverbrauch Im europäischen Vergleich konsumieren Schweizerinnen und
Schweizer ambulant wenig Antibiotika. Zwischen den einzelnen
Kantonen bestehen jedoch grosse Unterschiede, wie eine Studie des
Nationalen Forschungsprogramms «Antibiotikaresistenz» (NFP 49)
belegt. Mögliche Faktoren sind die Altersstruktur, die Ärztedichte
und die Bildung. Antibiotika helfen, bakterielle Infektionen zu bekämpfen. Doch
obwohl sie bei Viruserkrankungen wie Grippe oder Erkältung
wirkungslos sind, werden sie von Ärzten häufig auch in diesen
Fällen verschrieben. Dies fördert die Entstehung resistenter
Bakterien und verursacht unnötige Kosten. Im Nationalen Forschungsprogramm «Antibiotikaresistenz» wurde
nun erstmals systematisch der Antibiotikakonsum ausserhalb der
Spitäler in der Schweiz untersucht. Ein Forschungsteam um Massimo
Filippini, Professor an der Wirtschaftsfakultät der Universität
Lugano und am Departement für Management, Technologie und Ökonomie
der ETH Zürich, wertete die Antibiotika-Verkaufszahlen der
einzelnen Kantone aus. Das Resultat der im Fachblatt «Health
Policy»* veröffentlichten Studie: Die Schweizer Ärzte verschreiben
Antibiotika vergleichsweise zurückhaltend. Selbst die Kantone mit
den höchsten Verkaufszahlen liegen deutlich unter dem europäischen
Durchschnitt. Junge und die Praxisdichte treiben den Konsum an
Grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen machen jedoch
klar, dass immer noch unnötig viele Antibiotika geschluckt werden.
So verschreiben Ärzte in Genf rund dreimal so viele dieser
Medikamente pro Einwohner wie jene in Appenzell. Auf der Suche nach
den Ursachen für diese Unterschiede verglichen die Tessiner
Ökonomen mittels ökonometrischen Verfahren ihre Datensätze und die
statistischen Kennzahlen der Kantone. Sie fanden
insbesondere heraus, dass die Altersstruktur der Bevölkerung
besonders grossen Einfluss übt: Menschen ab 65 Jahren nehmen
weniger Antibiotika als Jüngere. Die Autoren vermuten, dass sie
wegen fehlendem Kontakt am Arbeitsplatz weniger angesteckt werden.
Nicht gemessen wurde jedoch der Antibiotikaverbrauch in Alters- und
Pflegeheimen, da die Studie nur den ambulanten Konsum
berücksichtigt. Ein ebenso wichtiger Faktor ist die Praxisdichte: Je mehr
Arztpraxen vorhanden sind, desto mehr Antibiotika werden
konsumiert, erklärt Giuliano Masiero, einer der Ko-Autoren der
Studie. Eine gute Bildung der Patienten und ein hohes Einkommen
scheint den Konsum hingegen eher zu bremsen. Weitere Einflüsse wie
ein tiefer Medikamentenpreis, ein hoher Ausländeranteil sowie die
Häufigkeit von Infektionen kurbeln den Verbrauch von Antibiotika
an. Keinen Einfluss hat die Apothekendichte. Offenbar existieren
auch kulturelle Unterschiede bei der Verschreibungspraxis, denn das
Welschland und das Tessin liegen am oberen Ende der Antibiotika-
Skala. Das Projekt der Tessiner Forschenden ist noch nicht
abgeschlossen. Zur Zeit untersuchen sie, ob sich der in manchen
Kantonen zugelassene Direktverkauf von Medikamenten durch Ärzte auf
den Antibiotikaverbrauch auswirkt, da diese Ärzte ein
wirtschaftliches Interesse am Antibiotikaverkauf haben könnten. Zusammenhang mit Antibiotikaresistenzen?
Eine weitere offene Frage ist das Verhältnis zwischen dem
Antibiotikakonsum und dem Auftreten resistenter Bakterien. Ein
anderes Projekt des Nationalen
Forschungsprogramms «Antibiotikaresistenz» wird bald helfen, diesen
Punkt zu klären: Das Team um die Infektiologin Kathrin Mühlemann
von der Universität Bern entwickelt ein nationales
Überwachungssystem für Antibiotikaresistenzen. *Filippini M, Masiero G, Moschetti K
Socioeconomic determinants of regional differences in outpatient
antibiotic consumption: Evidence from Switzerland
Health Policy, 8. Nov. 2005, Online-Publikation Für weitere Informationen:
Prof. Massimo Filippini oder Dr. Giuliano Masiero
Instituto di Microeconomia ed Economia Pubblica
Facoltà di economia
Università della Svizzera italiana
Via Giuseppe Buffi 13
CH-6900 Lugano
Tel. +41 (0)91 912 47 83
E-Mail: filippim@lu.unisi.ch oder giuliano.masiero@lu.unisi.ch Der Text dieser Medienmitteilung sowie Grafiken zur Studie
(Antibiotikakonsum in Europa 2002 und pro Kanton 2002-2004) stehen
auf der Website des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung:
www.snf.ch/medienmitteilung
Permalink:
https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100502996
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