Medienmitteilung
SNF: Agrarstrukturmodell erlaubt genaue Prognosen
2006-03-20T08:45:00
Bern (ots) - Berglandwirtschaft vor drastischen Veränderungen Bei einer weitgehenden Liberalisierung des Agrarbereichs wird in
bestimmten Regionen des Berggebietes in 10 Jahren bis zu einem
Fünftel der heutigen landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht mehr
bewirtschaftet. Dies zeigen Szenarien, die im Rahmen des Nationalen
Forschungsprogramms 48 «Landschaften und Lebensräume der Alpen»
mittels eines neuen Agrarstrukturmodells errechnet wurden. Die
Berglandwirtschaft hat in diesem Fall mit Einkommenseinbussen zu
rechnen, die sich nicht mehr durch Nebenverdienste kompensieren
lassen. Die wirtschaftlichen Veränderungen, mit denen sich die
Landwirtschaft in den kommenden Jahren konfrontiert sieht, werden
vor allem im Berggebiet das Landschaftsbild und die Biodiversität
markant beeinflussen. Ob und wie ein Landwirt seinen Betrieb in
Zukunft weiter betreiben wird, hängt dabei von zahlreichen Faktoren
ab, die von der familiären Situation über die spezifischen
Bedingungen des Betriebes, die schweizerische
Landwirtschaftspolitik bis hin zu den Entscheiden der WTO reichen.
Um den Handlungsspielraum der Betriebe, aber auch der
Landwirtschaftspolitik abschätzen zu können, entwickelte ein Team
der Forschungsanstalt Agroscope FAT Tänikon und des Büros INFRAS,
Zürich unter Leitung von Stephan Pfefferli ein neuartiges
quantitatives Agrarstrukturmodell. Damit lässt sich die Entwicklung
der Landwirtschaft für Szenarien unterschiedlicher
Rahmenbedingungen
modellieren. Landschaftsveränderung sichtbar machen
Das Prognosemodell basiert auf Informationen der einzelnen
Landwirtschaftsbetriebe, die das Forschungsteam in den untersuchten
Mittelbündner Regionen Surses und Belfort unter anderem mittels
Interviews detailliert erfasst hat. Dank dieser Informationen kann
das Rechnungsmodell die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten der
Betriebe berücksichtigen beispielsweise die Möglichkeiten, den
Betrieb durch Zupacht zu erweitern, oder ob die Voraussetzungen für
einen Weiterbetrieb durch die Familie gegeben sind. So sind
Aussagen darüber möglich, welche Betriebsgrösse eine
Überlebenschance bietet. Dank der parzellenscharfen Erhebung lassen
sich die Ergebnisse zudem mit Hilfe eines Geografischen
Informationssystems auch wieder räumlich detailliert darstellen.
Die durch den landwirtschaftlichen Strukturwandel ausgelösten
Veränderungen in der Landschaft werden auf diese Weise sichtbar,
und zwar im Rahmen von sechs berücksichtigten Szenarien, die von
einer vollständigen Liberalisierung der Landwirtschaft bis hin zu
detaillierten parzellenspezifischen ökologischen Nutzungsvorgaben
reichen. Weniger Betriebe, verschärfte Einkommenssituation
Die Ergebnisse zeigen, dass in den Regionen Surses und Belfort in
den nächsten zehn Jahren unabhängig vom Szenario rund ein
Fünftel aller Landwirtschaftsbetriebe aufgeben wird. Je nach
Szenario ergibt sich eine unterschiedlich starke Verlagerung zu
Freizeitbetrieben. Noch stärker als die landwirtschaftliche
Nutzfläche nimmt die Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen ab. Bei
gleich bleibenden Direktzahlungen werden gemäss den Prognosen rund
ein Viertel weniger Personen in der Landwirtschaft arbeiten, bei
Änderungen des Systems sind es bis zu 35 Prozent weniger. Wird das
Direktzahlungssystem geändert, können Betriebe nur weiter
existieren, wenn sie gleichzeitig Einkommen aus
ausserlandwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit gewinnen können. Dies
wird möglich durch betriebliche Strukturanpassungen. Sind jedoch
nicht genügend ausserlandwirtschaftliche Arbeitsplätze vorhanden,
werden im Falle einer weitgehenden Liberalisierung bis zu 40
Prozent der Betriebe die Bewirtschaftung aufgeben müssen. Nutzungsaufgabe und Extensivierung
In allen untersuchten Szenarien nimmt die bewirtschaftete
Landwirtschaftsfläche ab, am wenigsten bei
jenen Szenarien, die von einem gleich bleibenden
Direktzahlungssystem beziehungsweise gleich bleibenden
Direktzahlungsansätzen ausgehen, stärker jedoch wenn sich das
Direktzahlungssystem oder dessen Ansätze ändern, sei es durch
radikale Verminderung der Ansätze in Falle einer Liberalisierung
oder durch eine Konzentration auf ökologisch beitragswürdige
Zahlungen. In diesen Fällen würde bis 2015 bis zu einem Fünftel der
Landwirtschaftsflächen von 2002 aufgegeben. Eingestellt wird die
Nutzung vor allem auf heute extensiv genutzten, abgelegenen
Flächen, wo mit einer zunehmenden Verwaldung zu rechnen ist. Auf
den verbleibenden Landwirtschaftsflächen erfolgt die
Bewirtschaftung allgemein extensiver. Für weitere Informationen:
Stefan Lauber
Agroscope FAT Tänikon
CH8356 Ettenhausen
Tel. +41 (0)52 368 32 06
E-Mail: stefan.lauber@fat.admin.ch Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung:
www.snf.ch/medienmitteilung
Permalink:
https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100506283
|
|