Medienmitteilung

pafl: Soll die Regierung direkt durch das Volk gewählt werden?

2010-05-31T08:41:37

Vaduz (ots) -

Vaduz, 31. Mai (pafl) - Die Kommission für die
Gleichstellung von Frau und Mann und die Stabsstelle für 
Chancengleichheit luden im Mai zu einem sehr komplexen Thema ein. 
Hätte das Volk, wenn es die Regierung direkt wählen könnte, einen 
grösseren Einfluss auf die Politik? Wären seine Interessen besser 
vertreten? Wäre die Regierung mehr in der Verantwortung gegenüber der
Wählerschaft? Würden bei einer Direktwahl mehr Frauen gewählt werden?
Ein Land zwischen Demokratie und Monarchie
Wilfried Marxer, Politikwissenschafter am Liechtenstein-Institut, 
zeigte in seinem Referat, wie das politische System Liechtensteins 
aufgebaut ist. Worin unterscheiden sich politische Systeme mit und 
ohne Direktwahl der Regierung und in welchen Staaten wird direkt 
gewählt? Welche Vor- und Nachteile bringt eine Direktwahl? Welche 
Anforderungen würde das Modell Direktwahl in Liechtenstein auslösen?
Das liechtensteinische System ist sehr komplex, da die einzelnen 
Organe der Institutionen verfassungsmässig wie auch im Alltag eng 
verknüpft sind. Die Regierung steht zwischen dem Landtag, der sie 
wählt, und dem Fürsten, der sie anschliessend ernennt. Sie könnte 
aber theoretisch von diesen beiden "Vetospielern" auch ohne 
Begründung entlassen werden. Somit steht die "Exekutiv-Gewalt" der 
liechtensteinischen Regierung eigentlich auf relativ schwachen 
Beinen. Eine Direktwahl existiert nur in den Gemeinden, in denen der 
Vorsteher und die übrigen Mitglieder vom Volk direkt gewählt werden.
Das Volk wiederum hat auf Landes- wie auch Gemeindeebene viele 
direktdemokratische Rechte. Wie in anderen Kleinstaaten spielen auch 
in Liechtenstein persönliche Netzwerke und personelle Verflechtungen 
eine grosse Rolle. Innere Zerwürfnisse können auf diese Weise so weit
wie möglich vermieden werden und gegenüber dem Ausland wird weniger 
Angriffsfläche erzeugt.
Viele Anpassungen notwendig
Die Ausführungen machten eines deutlich: Das Modell der Direktwahl
würde in Liechtenstein eine lange Reihe von Anpassungs- und 
Umsetzungsfragen voraussetzen. Die parlamentarische 
Regierungsbestellung unter Mitwirkung des Fürsten würde abgelöst und 
die Regierung als Exekutivorgan mit wesentlich mehr Machtfülle 
ausgestattet. Alle Kompetenzen und Verfahrenswege, diejenigen des 
Fürsten, des Fürstenhauses, sämtliche direktdemokratischen 
Volksrechte wie auch eine Verfassungsgerichtsbarkeit müssten im 
Vorfeld genauestens abgeklärt werden.
Der Anlass hat klar gemacht: Der Landtag als Legislative würde mit
dem Systemwechsel eindeutig an Bedeutung verlieren. Auch ist 
anzunehmen, dass unter der gegenwärtigen aktiv-politischen 
Regentschaft des Fürsten ein Systemwechsel derzeit nicht realistisch 
ist.
Das Referat und die anschliessende Diskussion entliessen die 
Teilnehmerinnen der Gesprächsrunde mit einer Fülle von Denkanstössen.

Kontakt:

Stabsstelle für Chancengleichheit
Nina Schwarzkopf-Hilti
T +423 236 63 01

Permalink:


https://www.presseportal.ch/de/pm/100000148/100604542


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