Medienmitteilung

Sperrfrist bis 10.30 Uhr economiesuisse - Konjunkturelle Aussichten: solide, aber ohne Euphorie

2014-06-02T09:45:05

Zürich (ots) -

Die Weltwirtschaft wächst weiter. Allerdings verschieben sich die Gewichte: Während die US-Wirtschaft etwas stärker zulegt, Europa aus der Rezession herausfindet und immerhin leicht wächst, verliert Asien deutlich an Schwung. Die Schweiz profitiert davon, dass ihre Export¬wirtschaft weltweit breit abgestützt ist und das Wachstum dort mitnehmen kann, wo es stattfindet. Doch die Risiken für die Weltwirtschaft bleiben hoch. Das Wachstum der Binnen¬wirtschaft kühlt sich leicht ab. Insgesamt rechnet economiesuisse für 2014 mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,3 Prozent. Für 2015 prognostiziert der Wirtschaftsdachverband 2,0 Prozent. Die Arbeitslosenzahlen werden leicht zurückgehen.

Nach sieben Quartalen mit Negativwachstum in der Eurozone wurde der Tiefpunkt im Herbst 2013 er-reicht. Mittlerweile wachsen die Euroländer insgesamt wieder leicht. Da die Arbeitslosigkeit aber nach wie vor auf rekordhohem Niveau verharrt, gleicht dieses Wachstum - mit Ausnahme etwa von Deutschland - eher einer Stagnation an. Besonders kritisch bleibt die Situation nicht nur in den Peripherieländern Grie-chenland, Portugal und Spanien, sondern auch in unseren Nachbarländern Italien und Frankreich. Auf-grund der mangelnden Bereitschaft, die nötigen Strukturveränderungen entschieden anzugehen, sind das Investitionsklima und damit auch die Wachstumsaussichten langfristig getrübt. In zahlreichen EU-Ländern harzt der Kreditvergabeprozess immer noch. Dies ist insbesondere für viele KMU ein Problem. Sie sind auf Bankenkredite angewiesen. Die schleppende Kreditvergabe ist darauf zurückzuführen, dass «faule» Bilanzpositionen der Banken - im Gegensatz etwa zu den Vereinigten Staaten - nach Ausbruch der Krise nicht schnell und entschlossen bereinigt wurden. In den USA funktioniert der Kreditvergabeprozess mitt-lerweile ordentlich, sodass gute Geschäftsideen auch finanziert werden können. In Europa hingegen sind viele Banken immer noch mit der Bereinigung der Bilanz beschäftigt. Ob der anstehende Banken-Stresstest in der EU nun endlich das Vertrauen in die Finanzinstitute zurückzubringen vermag, bleibt ab-zuwarten. Unter den sogenannten PIIGS-Staaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien stellt Irland ein Lichtblick dar. Die drastischen Reformschritte beginnen sich auszuzahlen und die Wachstumsaussichten sind entsprechend positiv. Auch Grossbritannien hat zu einem stärkeren Wachstum zurückgefunden. In Kontinentaleuropa ist es vor allem Deutschland, das weiterhin stabilisierend wirkt. Hier wird sich die jüngste Belebung der Binnenkonjunktur aber nicht mehr im selben Umfang fortsetzen, sodass die Impul-se weiterhin vom Export herrühren.

Stolpersteine für das Wachstum in Asien

Die Wachstumsaussichten haben sich in Europa also punktuell, in den USA sogar stark verbessert. Das schwächere Wachstum der US-Wirtschaft im ersten Quartal 2014 war vor allem dem schlechten Wetter geschuldet. In Asien hingegen ist ein gegenläufiger Trend zu beobachten. In Japan verliert der positive Stimulus durch die ultraexpansive Geldpolitik an Schwung. Es ist unsicher, ob die strukturellen Reformen etwa im Energie- oder Agrarsektor umgesetzt werden können. Jüngst hat sich auch das Wachstum in China etwas eingetrübt. Die Investitionseffizienz ist teilweise tief, die Verschuldung steigt nach wie vor stark. Auch sind Überkapazitäten vorhanden, und es gibt erhebliche Risiken im Immobilienmarkt. Zwar ist das Rebalancing - weniger Investitionen, aber mehr Konsum - im Gang. Das Wachstum wird insgesamt aber etwas schwächer ausfallen. Russland befindet sich als Folge der Ukraine-Krise am Rand einer Re-zession. Indien hat wieder etwas Tritt gefasst, während Brasilien weiterhin enttäuscht. Insgesamt aber wächst die Weltwirtschaft mit einer Rate zwischen 3 und 4 Prozent.

Solides Wachstum der Schweizer Exporte

Vor diesem weltwirtschaftlichen Hintergrund profitiert die Schweizer Exportindustrie davon, dass sie das Wachstum dort mitnehmen kann, wo es stattfindet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie in allen wich-tigen Märkten der Welt mit einem guten Branchenmix vertreten ist. Trotz starkem Franken und anspruchs-vollen Märkten legen die Exporte in diesem und im nächsten Jahr deutlich zu. Beson¬ders dynamisch entwickeln sich die Uhrenindustrie, die Kunststoff- und die chemisch-pharmazeutische Industrie. Doch auch die Exporte der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie erhöhen sich deutlich, und seit Kurzem steigen auch diejenigen der Textilindustrie wieder. Parallel dazu ziehen auch die Importe an, die in Form von Vorleistungen für den Export benötigt werden; die Importe für die Binnenwirtschaft profitieren ihrer-seits vom stabilen Konsum der privaten Haushalte. Auch die Dienstleistungsexporte legen zu. Der Tou-rismus profitiert von der wirtschaftlichen Stabilisierung in Europa. Die Finanzdienstleistungen entwickeln sich in schwierigem Umfeld positiv - nicht zuletzt, weil die Klärung der rechtlichen Unsicherheiten voran-schreitet. Insgesamt werden die Exporte wiederum etwas stärker steigen als die Importe.

Binnenwirtschaft: Bau schwächelt, Konsum wächst Die Bauindustrie wächst weiterhin auf hohem Niveau. Allerdings wird dieser Aufwärtstrend im nächsten Jahr mehr oder weniger zum Erliegen kommen. Grossbaustellen wie die Zürcher Durchmesserlinie sind fertig oder kommen in die Schlussphase, und die Kantone sind mit Investitionen vorsichtiger. Zu-dem sind die Baubewilligungen im Wohnungsbau rückläufig und die private Bautätigkeit wird durch die Massnahmen des Bundes (antizyklischer Kapitalpuffer für Banken) und der Banken (Reduktion der Anre-chenbarkeit der Pensionskassenguthaben ans Eigenkapital) gebremst. Zudem reduziert die Zweitwoh-nungsinitiative die Bautätigkeit in den Tourismusregionen. Auch die Unsicherheit in Bezug auf die Umset-zung der Masseneinwanderungsinitiative bremst die Bautätigkeit, vor allem den gewerblichen Bau. Eine entsprechende Zurückhaltung zeigt sich auch bei den Ausrüstungsinvestitionen. Das Tiefzinsumfeld, die Zuwanderung und die relativ tiefe Arbeitslosenquote wirken sich weiterhin positiv auf den Privatkonsum aus. So wachsen die Versicherungswirtschaft und der Handel mehr oder weniger im Gleichschritt mit der Konjunktur. Die Aussichten für 2015 sind somit sowohl für die Binnen- wie auch für die Exportwirtschaft ansprechend. economiesuisse geht für die Schweiz allerdings nicht von einer anziehenden Wachstumsdynamik aus. Dafür sind die bremsenden Faktoren der Weltwirtschaft und ins-besondere in Europa zu stark. Insgesamt rechnet economiesuisse für 2014 mit einem BIP-Wachstum von 2,3 Prozent und für 2015 von 2,0 Prozent.

Konjunkturrisiken nehmen zu

Mit zunehmender Stabilisierung des Wachstums in den USA und in Europa müsste eigentlich der Aus-stieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik näher rücken. Die Bereitschaft dazu scheint aber namentlich bei der EZB noch nicht vorhanden zu sein. Vielmehr ist sie über die tiefe Inflation beunruhigt und will weitere expansive Massnahmen vorlegen. Auch der Aufkauf von Anleihen durch das FED wird erst langsam zu-rückgeführt. Da in Japan die Inflation kaum die angestrebte 2-Pro¬zent-Marke erreicht, wird auch dort die Geldpolitik ultraexpansiv bleiben. Der früher oder später notwendige, aber immer wieder hinausgescho-bene Ausstieg aus diesem historischen Experiment wird je länger je mehr die Märkte verunsichern. Ein weiteres Konjunkturrisiko besteht in der fragilen Lage einiger europäischer Staaten mit einer nach wie vor zu hohen Staatsverschuldung und strukturellen Problemen. Die Märkte haben sich aufgrund des ange-kündigten Interventionswillens der EZB zwar beruhigt. Mit der eingetretenen Stabilisierung scheint die Reformbereitschaft aber zu erlahmen. Gelingt es nicht, mittelfristig auf den Wachstumspfad zurückzukeh-ren, wird die Verunsicherung schnell wieder wachsen. Für die Schweiz von besonderer Bedeutung ist die Unsicherheit rund um die bilateralen Verträge. Sollten sich hier Konflikte mit unserem grössten Handels-partner ergeben, wäre dies ein erhebliches, vor allem längerfristiges Wachstumsrisiko. Und schliesslich hat auch die Ukraine-Krise ein grosses Schadenspotenzial.

Prognosen Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Veränderung gegenüber Vorjahr (%): siehe Beilage.

Kontakt:

Rudolf Minsch, Chefökonom
Telefon: 044 421 35 35, Mail: rudolf.minsch@economiesuisse.ch

Telefonische Medienkonferenz
Zu dieser Konjunkturprognose findet heute Montag eine telefonische
Medienkonferenz mit economie-suisse-Chefökonom Rudolf Minsch statt.
Interessierte Medienschaffende können sich
um 10.30 Uhr ohne Voranmeldung über folgende Nummer einwählen:
+41 (0)58 262 07 11
Geben Sie anschliessend diesen Zugangscode ein:
16 94 86
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