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Angehörige von Gefangenen: vergessene Opfer

28.09.2001 – 15:06 

Luzern (ots) -

Wie ist die Situation von Angehörigen von
Strafgefangenen und welche Möglichkeiten der Hilfe bestehen für sie?
Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer von der Fachgruppe "Reform
im Strafwesen" der Caritas organisierten Tagung, die am Freitag an
der Paulus-Akademie in Zürich zu Ende ging.
Angehörige von Strafgefangenen werden indirekt mitbestraft und
psychisch, sozial sowie ökonomisch in Mitleidenschaft gezogen. Es
gebe bei Angehörigen kaum einen existenziellen Bereich, der von
Haftfolgen nicht berührt werde, erklärte Martin Vinzens, Direktor der
Strafanstalt Saxerriet. Die Strafverbüssung richte sich zwar gegen
den einzelnen Straftäter, treffe aber auch das soziale System in
seiner Gesamtheit.
Andererseits ist ein intaktes soziales Netz für die
Resozialisierung von Strafgefangenen und die Vermeidung von
Rückfällen wichtig. Es bestehen eindeutige Zusammenhänge zwischen
Rückfalltaten und fehlenden Bindungen zu Angehörigen, zur Familie und
anderen Bezugspersonen. Dies bestätigen alle empirischen
Rückfallforschungen, wie Prof. Hans-Jörg Albrecht, Direktor des
Max-Planck- Instituts für Ausländisches und Internationales
Strafrecht in Freiburg i. Br., ausführte. Gerade die Verlagerung der
Strafziele auf die Prävention rücke die Angehörigen an eine
prominente Stelle.
Bedauert wurde deshalb, dass Angehörige von Straftätern nicht vom
Opferhilfegesetz erfasst sind. Sie drohen in Vergessenheit zu
geraten. Denn in der heutigen kriminalpolitischen Diskussion hat sich
der Schwerpunkt von den Tätern zu den Opfern von Delikten verlagert.
Fachleute betonten, dass negative Effekte für die Beziehungen
eines Straftäters mit seinen Angehörigen durch die Wahl der Sanktion
und durch Entscheidungen der Vollzugsbehörden vermindert werden
können. So bestehen in vielen Fällen Alternativen zu unbedingten
Freiheitsstrafen wie Gemeinnützige Arbeit, Halbgefangenschaft oder
der Einsatz elektronischer Fussfesseln.
Die Fachgruppe Reform im Strafwesen der Caritas fordert deshalb,
die Angehörigen von Straftätern stärker wahrzunehmen und mit ihnen
intensiver zusammenzuarbeiten. Die bestehenden Hilfsangebote von
Therapie-Teams und Sozialdiensten der Strafanstalten sowie der
Bewährungshilfe gilt es besser zu vernetzen.

Kontakt:

Caritas Schweiz
Prof. Franz Riklin
Präsident der Fachguppe "Reform im Strafwesen"
Tel. +41 79 504 13 10.