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Stellungnahme der Caritas Schweiz zur Situation der working poor in der Schweiz

02.07.2002 – 15:20 

Luzern (ots) -

Steuergutschriften - eine mögliche Lösung für working poor
In Armut lebende Erwerbstätige sollen
Steuergutschriften erhalten. Dies wird in einer vom Eidg.
Volkswirtschaftsdepartement (EVD) in Auftrag gegebenen Studie
vorgeschlagen. Caritas Schweiz begrüsst dieses Modell, das die
Situation von erwerbstätigen Armutsbetroffenen markant verbessern
wird. Steuergutschriften müssen allerdings auf der Anerkennung der
Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS)
basieren. Für das Hilfswerk, das 1998 die erste Studie zur Situation
der working poor in der Schweiz veröffentlicht hat, gibt es beim
vorgeschlagenen Modell noch offene Fragen.
Steuergutschriften sind ein Lösungsvorschlag für das Problem, dass
zahlreiche Haushalte in der Schweiz trotz vollem Erwerbseinkommen
unter dem Existenzminimum leben müssen. Der Bund wäre damit in der
Lage, aufgrund der Steuererklärung Armutsbetroffene besser erfassen
zu können. Es ist bekannt, dass in der Schweiz eine grosse Zahl in
Armut lebender Personen ihre Situation nicht deklarieren und somit
auf Unterstützungen verzichten, die ihnen zustehen würden.
Der heute auf einem Medienausflug mit Bundesrat Couchepin
präsentierte Vorschlag stützt sich bei der Definition, wer als arm
gilt, auf die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für
Sozialhilfe (SKOS). Die Richtlinien, die heute eine Empfehlung für
die Ausrichtung von Sozialhilfebeiträgen sind, würden mit einem
solchen Bundesmodell verbindlich für die ganze Schweiz. Dies wäre ein
bedeutender Fortschritt gegenüber der heutigen Situation. Zurzeit
entscheidet jeder Kanton selbst darüber, in welcher Höhe er das
Existenzminimum ansetzt, wobei sich die meisten an den
SKOS-Richtlinien zumindest orientieren.
Nur ein monetäres System
Das Modell der Steuergutschriften basiert auf der Deklaration des
Einkommens in der jährlich auszufüllenden Steuerklärung. Sofern keine
Zwischeneinschätzungen vorgenommen werden, dauert es lange vom
Moment, wo jemand in Armut gerät, bis diese Armut auch wahrgenommen
wird. Im Weiteren ist die vorgeschlagene Lösung rein finanziell
ausgerichtet. Andere wichtige Funktionen der heutigen Sozialhilfe wie
die Unterstützung bei der beruflichen Integration und die Beratung
sind im vorgeschlagenen Modell nicht enthalten. Es ist zu prüfen, wie
solche Massnahmen auch im Modell der Steuergutschriften integriert
werden können.
Die Frage der sozialen Verantwortung der Unternehmen blendet die
Studie gänzlich aus. Werden zu tiefe Löhne durch staatliche
Steuergutschriften kompensiert, besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber
indirekt subventioniert werden. Für Caritas Schweiz ist es daher
unabdingbar, dass im Rahmen der Sozialpartnerschaften Minimallöhne
für die verschiedenen Branchen ausgehandelt werden.
Die Arbeitswelt ist im Wandel. Flexible Arbeitsverhältnisse wie
die Arbeit auf Abruf, Scheinselbstständigkeit oder unfreiwillige
Teilzeitarbeit usw. sind sehr oft Bedingungen, die zu Armut unter
Erwerbstätigen führen. Arbeitsverträge mit 40-Stunden-Wochen sind für
diese Gruppe von Personen in der Regel ausser Reichweite. Das System
der Steuergutschriften sollte so ausgestaltet werden, dass auch die
Situation von Menschen, die unter solchen prekären Arbeitsbedingungen
arbeiten, verbessert wird.

Kontakt:

Carlo Knöpfel
Leiter Bereich Grundlagen der Caritas Schweiz
Mobile +41/79/651'42'52
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