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Tagung der Caritas-Fachgruppe "Reform im Strafwesen" an der Paulus-Akademie in Zürich: Schweigepflicht im Strafwesen auf dem Prüfstand

17.09.2004 – 14:35 

Luzern (ots) -

Mitarbeitende im Strafvollzug und Strafverfahren
verfügen über sensible Informationen, welche ihnen bei der
Untersuchung und Betreuung beschuldigter oder verurteilter Personen
bekannt werden. Wann sind sie zum Schweigen, wann zur Weitergabe
solcher Informationen verpflichtet? Die Caritas-Fachgruppe "Reform im
Strafwesen" hat sich an einer Tagung an der Paulus-Akademie in Zürich
unter dem Titel "Schweigen oder offenbaren?" mit dieser Frage
auseinander gesetzt.
Die Caritas-Fachgruppe "Reform im Strafwesen" setzt sich seit über
25 Jahren für vernünftige und zweckmässige, wenn möglich liberale und
humane Lösungen im Strafrechtsbereich ein. Die diesjährige Tagung
griff mit der Schweige- und Offenbarungspflicht ein Thema auf, das
unter den verschiedenen im Strafwesen tätigen Berufsbereichen zurzeit
Fragen, Diskussionen und teils auch Verunsicherungen auslöst. Dazu
hat auch die verschärfte politische Diskussion um die innere
Sicherheit beigetragen.
Dass die Schweigepflicht dann nicht gilt, wenn eine Bedrohung für
die Gesundheit oder gar das Leben von Menschen besteht, ist
unbestritten. Was aber soll zum Beispiel eine Ärztin machen, wenn ihr
ein Patient im Strafvollzug mitteilt, er habe ein Delikt begangen,
das den Behörden noch nicht bekannt ist? Bernadette Roos, Oberärztin
an der Psychiatrischen Klinik in Königsfelden, gab mit ihrem Referat
Einblick in alltägliche Situationen, bei denen die Frage nach
Weitergabe von Informationen drängt. Sie unterstrich, dass die
Therapie Freiräume für intime persönliche Themen lassen soll, das
Gefängnispersonal aber angemessen informiert werden müsse, um
Handlungssicherheit in ihrer täglichen Arbeit zu bekommen. Denis
Müller, Professor an der Universität Lausanne, erläutert die
ethischen Aspekte des Themas. Weitere Referate legten die Sicht von
Anstaltsleitung, Seelsorge, Betreuungs- und Pflegepersonal sowie
Bewährungshilfe dar. Die grosse Zahl von Teilnehmerinnen und
Teilnehmern an der Tagung aus allen Berufen des Strafwesens
unterstrich, dass das Informationsbedürfnis bezüglich Schweige- und
Offenbarungspflicht gross ist.
Grundsätzlich besteht in der Schweiz für alle im Strafwesen
tätigen Berufsgruppen ein Schweigegebot. Was die Ausnahmen davon
betrifft, ist die Rechtslage aber durch eine Vielzahl eidgenössischer
und kantonaler Gesetze stark verzettelt und für die betroffenen
Mitarbeiter zum Teil schwer überblickbar. "In dieser Hinsicht wäre in
der Schweiz eine klarere Rechtsgrundlage wünschbar", erläuterte Franz
Riklin, Professor für Strafrecht an der Universität Freiburg und
Präsident der Caritas-Fachgruppe. Gemäss Ausführung des renommierten
deutschen Kriminologen Heinz Schöch, Professor an der Universität
München, sind Schweigepflicht und Ausnahmen in Deutschland seit der
Aufnahme eines neuen Artikels im Stafvollzugsgesetz vor sechs Jahren
klar geregelt. Eine solche einheitliche Regelung steht für die
Schweiz noch aus.
Die Referats-Manuskripte sind erhältlich bei Caritas Schweiz,
Bereich Kommunikation, Tel +41/1/419'22'69, E-Mail: info@caritas.ch

Kontakt:

Prof. Franz Riklin
Präsident der Fachgruppe Reform im Strafwesen
Tel. +41/26/300'80'67
oder +41/26/481'13'37