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ikr: Kantonale Ergebnisse zu PISA 2009 / 2. Nationaler Schweizer Bericht und Portraits der Kantone und von Liechtenstein

05.12.2011 – 09:35 

Vaduz (ots/ikr) -

Die Ergebnisse der Sprachregionen, Kantone und Liechtensteins in PISA 2009 der 9. Klassen stimmen in vielen Bereichen mit den bereits publizierten nationalen Ergebnissen der 15-jährigen überein. Erfreulich ist die Verbesserung der Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in beiden Ländern. Weniger erfreulich für Liechtenstein ist der Anstieg der leseschwachen Schülerinnen und Schülern.

Vor rund einem Jahr wurden die Ergebnisse der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler von PISA 2009 für die Schweiz und Liechtenstein publiziert. Nun liegen auch die sprachregionalen und kantonalen Ergebnisse vor. 13 Kantone haben sich mit einer Zusatzstichprobe (alle Schüler der neunten Klassen) an der Erhebung 2009 beteiligt: der Kanton Tessin, alle Kantone der französischsprachigen Schweiz (Genf, Jura, Neuenburg und Waadt), die zweisprachigen Kantone Wallis, Freiburg und Bern sowie die deutschsprachigen Kantone Aargau, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen, Schaffhausen und Zürich sowie das Fürstentum Liechtenstein, das im Bildungsbereich eng mit den Kantonen der Schweiz zusammenarbeitet.

Instrument des Bildungsmonitoring

Das nun vorliegende Portrait informiert über die Ergebnisse der neunten Klassen bei PISA 2009 im Fürstentum Liechtenstein, sucht nach Antworten für Auffälligkeiten und zieht einen Vergleich zu Ergebnissen der Schweizer Kantone. Dieser erfolgt jedoch nicht aus der Sicht einer Rangliste. Im Vordergrund steht die Analyse von Unterschieden, der Vergleich von Schulsystemen und das Ziehen von Lehren für die weitere Schulentwicklung. So ist PISA nicht nur eine Momentaufnahme über die Leistungen der Jugendlichen am Ende der Schulpflicht, sondern ein Instrument im Rahmen des Bildungsmonitorings und für den Erhalt und die weitere Entwicklung der Qualität unserer Volksschule. Neben den 2010 eingeführten Standardprüfungen sind die PISA Daten die zweite quantitative Quelle zur Überprüfung des Schulsystems in Liechtenstein.

Liechtensteins Schülerinnen und Schüler haben einen guten Bildungsstand

Die Resultate des kantonalen Berichts zeigen auf, dass die Schülerinnen und Schüler von Liechtenstein am Ende der Schulzeit über gute fachliche Kompetenzen verfügen. Die Kompetenzen in den Naturwissenschaften, Mathematik und im Lesen unterscheiden sich nicht signifikant von der Deutschschweiz, wohl aber von einigen Kantonen. Im Lesen sind drei Kantone signifikant besser als Liechtenstein (VS (f), SH, FR (f)), in Mathematik sieben (AR, FR (f), SH, JU, VS (f und d), SG) und in Naturwissenschaften ist es ein Kanton (SH). Zwischen 2003 und 2009 haben sich die Leistungen in Mathematik und den Naturwissenschaften kaum verändert, einzig im Lesen wurden sie tiefer.

Spitzenleistungen und Risikogruppen

Wie bei den Mittelwerten positioniert sich das Fürstentum Liechtenstein in Bezug auf Spitzenleistungen wie auch auf Risikogruppen sowohl in Mathematik als auch in Naturwissenschaften im Bereich des Deutschschweizer Durchschnitts. 23 Prozent der Jugendlichen sind hochkompetent in Mathematik, während 15 Prozent als leistungsschwach einzustufen sind. In den Naturwissenschaften sind die Anteile mit 10 Prozent leistungsstarken und 13 Prozent leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern jeweils etwas kleiner. Bei vergleichbaren Leseleistungen des Fürstentums Liechtenstein mit der Schweiz weist Liechtenstein mit 18.8 Prozent einen grösseren Anteil an Schülerinnen und Schülern auf, die nicht über grundlegende Lesekompetenzen verfügen. Das bedeutet einen signifikanten Anstieg seit 2003 um 8.5%, während in der Deutschschweiz ein signifikanter Rückgang von 4.6% auf nunmehr 14.8% zu beobachten ist. Der Anteil an hochkompetenten Leserinnen und Lesern ist hingegen mit 6.9 Prozent mit der Schweiz (7.4%) vergleichbar.

Der hohe Anteil an Risikoschülerinnen und -schüler muss im Zusammenhang mit dem liechtensteinischen Bildungswesen interpretiert werden. Dieses ist stärker als die meisten Kantone in der Schweiz bestrebt, auch Schülerinnen und Schüler, die Sonderschulmassnahmen benötigen, in die Regelklasse zu integrieren. Da bei PISA Sonderschulen nicht getestet und für den vorliegenden Bericht und die Portraits in der Schweiz auch die Kleinklassen ausgeschlossen wurden, führt dies zu einem verzerrten Leistungsbild zuungunsten Liechtensteins.

So oder so bedürfen diese leistungsschwachen Jugendlichen der besonderen Beachtung, weil bei ihnen ein gelingender Übergang in weiterführende (Berufs-)Ausbildungen gefährdet ist und sie auch später kaum in der Lage sein dürften, von Weiterbildungsangeboten zu profitieren. Die Förderung von Jugendlichen, die dieser Risikogruppe angehören, und deren Integration in die berufliche Grundausbildung stellen nach wie vor eine der grossen bildungspolitischen Aufgaben dar.

Einflussfaktoren auf die Leseleistung

Auch beim Engagement im Lesen gibt es im Vergleich zur Schweiz und zur Deutschschweiz nennenswerte Unterschiede. So ist beispielsweise der Anteil an Jugendlichen, der nicht zum Vergnügen liest, mit 55 Prozent höher als in der Schweiz (44%). Der Anteil Nicht-Lesender ist insbesondere bei den Knaben (65%) und in den Oberschulen (71 %) gross. Dies ist insofern beunruhigend, weil regelmässiges und freiwilliges Lesen eine grundlegende Bedingung für das Erreichen solider Lesekompetenzen darstellt. So erreicht ein Schüler, der freiwillig liest, im Durchschnitt 76 Punkte mehr als ein Schüler, der dies nicht macht.

Als zentral für gute Leseleistungen erweisen sich die Freude am Lesen sowie solides Wissen über einen effizienten Einsatz von Lernstrategien. Diese Voraussetzungen stehen in einem positiven Zusammenhang zur Leseleistung und sind im Stande, potenzielle Benachteiligungen durch Migrationshintergrund, Fremdsprachigkeit oder eine benachteiligende soziale Herkunft abzuschwächen. Den Geschlechterunterschied im Hinblick auf die Leseleistung können diese Merkmale fast vollumfänglich erklären. Wenn also Knaben gleich viel Freude am Lesen haben und über gleich gute Strategien zum Verstehen und Behalten sowie zum Zusammenfassen von Texten verfügen wie Mädchen, verschwindet der Geschlechterunterschied nahezu vollständig.

Chancengerechtigkeit

Wie in den Deutschschweizer Kantonen hängt auch im Fürstentum Liechtenstein selbst bei gleichen Leistungen die Wahrscheinlichkeit, dass jemand das Gymnasium besucht, von der sozialen Herkunft ab. Bei sehr guten Leistungen im Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften hat eine Schülerin oder ein Schüler mit hohem Index der sozialen Herkunft eine Chance von rund 80 Prozent, das Gymnasium zu besuchen; bei einem niedrigem oder mittlerem sozialem Index liegt die Chance bei gleichen fachlichen Leistungen zwischen rund 40 und 50 Prozent.

In diesem Ergebnis widerspiegelt sich eine sozial bedingte Chancenungleichheit, da nicht nur die individuell erbrachten Leistungen über die künftige Bildungslaufbahn entscheiden, sondern auch leistungsunabhängige Merkmale. Viele Jugendliche mit leistungsmässig hervorragenden Voraussetzungen besuchen demnach nicht das Gymnasium. Dies führt dazu, dass vielen jungen Menschen trotz ausreichender Leistungen der Zugang zu Bildungsgängen an Hochschulen verwehrt oder zumindest erschwert wird. Eine hohe Chancengerechtigkeit ist auch aus gesellschaftlicher Sichtweise anzustreben, da sonst Bildungspotenziale nur unzureichend ausgeschöpft werden oder sogar soziale Risiken entstehen können.

Individuelle Merkmale zur Erklärung von Leistungsunterschieden

Die Leistungsunterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern lassen sich zu einem erheblichen Teil auf Unterschiede in den individuellen Merkmalen zurückführen. So erzielen im Fürstentum Liechtenstein die Mädchen um 39 Punkte bessere Leseleistungen als die Knaben (Schweiz: 33 Punkte). Auffällig ist für das Fürstentum Liechtenstein der mit 75 Punkten grosse Leistungsrückstand von fremdsprachigen Jugendlichen mit Migrationserfahrung gegenüber deutschsprachigen Einheimischen im Lesen. Zwischen sozialer Herkunft und Leistung besteht zwar auch im Fürstentum Liechtenstein ein Zusammenhang. Dieser fällt aber in der Gruppe aus besonders bildungsfernem Elternhaus mit einem Leistungsnachteil von 16 Punkten statistisch nicht signifikant und kleiner aus als in den letzten Jahren. Angesichts der Tatsache, dass das Lesen für die gesamte Bildungslaufbahn eine essentielle Kompetenz darstellt, bedeutet dies: Eine frühe und umfassende Leseförderung, die insbesondere die Knaben sowie fremdsprachige Kinder und Jugendliche aus niedrigeren sozialen Schichten erreicht, ist nicht nur ein schweizerisches, sondern auch ein liechtensteinisches Thema.

PISA 2012

Im April - Mai 2012 findet die nächste PISA Erhebung statt. Liechtenstein wird wiederum teilnehmen und eine Vollerhebung durchführen - diesmal sind die Jahrgänge 1996 an der Reihe. Auf eine Zusatzstichprobe der neunten Klassen wird 2012 verzichtet.

Kontakt:

Schulamt
Christian Weidkuhn
T + 423 236 67 68

Pädagogische Hochschule St. Gallen
Christian Brühwiler
T +41 71 243 94 80