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PD: WAK-N in Genf: Grundsätzliche Unterstützung für Steueramnestie
Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) tagte am 25. und 26. August in Genf. Schwerpunkt der Beratungen waren Initiativen im Finanzbereich: Die Kommission unterstützte in der Vorprüfung zwei Initiativen für eine allgemeine Steueramnestie. Abgelehnt wurde hingegen eine Initiative bezüglich der Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Traktandenliste umfasste ausserdem vier Leistungsaufträge in den Bereichen Nationalgestüt, landwirtschaftliche Forschung, Swissmint und Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung sowie einige Standesinitiativen im landwirtschaftlichen Bereich.
1. KtIv Tessin (02.308) und PaIv Polla (03.406): Allgemeine Steueramnestie Die Standesinitiative des Kantons Tessins beantragt in der Form der allgemeinen Anregung eine Steueramnestie für eidgenössische und kantonale Steuern. Der Ständerat gab der Initiative bereits am 3. Juni 2003 Folge. Die am 20. März 2003 von NR Polla und 105 Nationalräten unterzeichnete parlamentarische Initiative verlangt ebenfalls eine allgemeine Steueramnestie, dies aber bereits in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs: Die Amnestie kann nur von natürlichen Personen beansprucht werden und erstreckt sich auf Steuern, die gestützt auf die Bundesgesetze über die direkte Bundessteuer (DGB), über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) und über den Wehrpflichtersatz (WPEG) erhoben werden. Die Amnestie kann nur beanspruchen, wer eine Abgeltungsgebühr von höchstens 5% des nicht deklarierten Vermögens bezahlt. Die Gebühr soll zu einem Drittel dem Bund und zu zwei Dritteln den Kantonen und Gemeinden zukommen.
Die Kommissionsmehrheit unterstützte die Initiative (KtIv TI 16:9; PaIv Polla: 15:10). Erstens ermögliche die Amnestie den Steuerpflichtigen, ihr Vermögen und Einkommen in den Wirtschaftskreislauf zurück zu bringen, was der Wirtschaft helfe. Zweitens befänden sich die kantonalen, kommunalen und die Bundesfinanzen in einer desolaten Lage; das Einfliessen neuer Mittel in den Wirtschaftskreislauf sowie die Einnahmen aus der Abgeltungsgebühr werde es ermöglichen, Haushaltskürzungen in den Bereichen Forschung, Lehre und Innovation zu kompensieren. Da die letzte Amnestie über 30 Jahre zurückliege, werde eine Amnestie keine Anreize für Steuerhinterziehung schaffen. Auch der internationale Steuerwettbewerb wurde erwähnt: Die Steueramnestien anderer Länder in den vergangenen Jahren haben zu einem Mittelabfluss geführt. Dieser könne bis zu einem gewissen Masse durch eine Steueramnestie in der Schweiz und dem damit zu erwartenden Mittelrückfluss von im Ausland liegenden, nicht deklarierten Geldern zurück in die Schweiz kompensiert werden. Schliesslich zeigten Erfahrungen im In- und Ausland, dass Steueramnestien wirtschaftlich vorteilhaft sind, wenn sie gleichzeitig mit einer Verschärfung der Steueraufsicht einhergehen. Eine solche Verschärfung werde im Zuge eines Urteils des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs wahrscheinlich sein (vgl. auch 02.303 KtIv Jura, Aufhebung von Bundesbestimmungen, die gegen Artikel 6 verstossen) und mit dem Steuerpaket 2001 werde das Steuersystem grundlegend verändert. Die Bedeutung dieser Frage zeigt sich auch in einer Kommissionsmotion, die mit Stichentscheid des Präsidenten angenommen wurde (11:11:3), und eine Verschärfung der Strafbestimmungen und der Steuererfassungspraxis verlangt, damit eine Steueramnestie effektiv sei und gerechter ausgestaltet werde. Generell bestand Einigkeit darin, dass sich der Entscheid der Kommission nur auf die Vorprüfung der Initiative beschränkt. Bei einer Annahme der Initiative durch beide Kammern, werde die konkrete Ausgestaltung der Steueramnestie fundiert zu diskutieren sein.
Für die Kommissionsminderheit verletzt eine Steueramnestie ohne Nachsteuerpflicht den Grundsatz der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Diese Benachteiligung der ehrlichen Steuerpflichtigen untergrabe deren Steuermoral und führe zu erneuter Steuerhinterziehung. Eine Amnestie begünstige im Weiteren die wohlhabenden Schichten, welche über mehr Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung verfügen. Die Kantone würden wie beim Steuerpaket übermässig betroffen. Betroffen Auch würden die Höhe der erwarteten Abgabegebühren und der wirtschaftliche Effekt der Amnestie überschätzt. Ausserdem schwäche eine Steueramnestie die internationale Verhandlungsposition des Bundesrates bei der EU und der OECD im Bereich des Bankkundengeheimnisses und des Informationsaustauschs. Hier habe die Schweiz in bisherigen Verhandlungen betont, dass ihr System der Verrechnungssteuer etc. Steuerhinterziehungen stark erschwere. Schliesslich würden sich die Arbeiten zu einer allgemeinen Steueramnestie mit jenen des Bundesrates im Bereich einer Amnestie für Erben überschneiden. Ohne Erfolg blieb schliesslich ein Kommissionspostulat, das die Prüfung der Erhöhung der Anzahl Inspektoren bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung verlangte (11:13:1).
2. PaIv Studer: Einführung einer eidgenössischen Erbschafts- und Schenkungsteuer (03.422) Die Initiative verlangt die Einführung einer eidgenössischen Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Initiative nimmt damit eine in der Vernehmlassung zum Entlastungsprogramm 03 diskutierte Idee auf, welche der Bundesrat allerdings nicht weiterverfolgte. Die konkreten Bestimmungen dieser neuen Steuer sollen im Rahmen der zweiten Phase festgelegt werden.
Die Kommissionsmehrheit lehnt die Initiative ab (16:9), da es sich um eine Steuer handelt, welche traditionell in die kantonale Steuerhoheit fällt. Die Volksentscheide in mehreren Kantonen hätten klar eine Ablehnung einer solchen Steuer gezeigt und ein der Initiative folgendes Legiferieren des Bundes missachte diese Volksentscheide. Das Einführen einer neuen Steuer erhöhe im Weiteren die Steuerquote und entspreche somit nicht dem Ziel eines attraktiven Wirtschaftsstandortes. Schliesslich erachtete es die Kommission auch als zentral, dass das Entlastungsprogramm wie vom Bundesrat vorgeschlagen den Fokus statt auf neue Steuern auf ein Senken des Ausgabenwachstums lege.
Für die Kommissionsminderheit handelt es sich bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer um eine gerechte Steuer: Die Begünstigten seien in den Genuss des Erbes ohne eigene Leistung gekommen und die Steuer werde somit keinen leistungsvermindernden Abhalteeffekt haben, wie er etwa bei der Einkommenssteuer beobachtet wird. Ausserdem habe die Steuer eine Umverteilungswirkung und werde sich nicht negativ auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz auswirken.
Usanzgemäss tagt die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates alle zwei Jahre im Kanton des Kommissionspräsidenten. Am 25. und 26. August fand die Kommissionssitzung in Genf, dem Heimatkanton des Kommissionspräsidenten NR Jean-Philippe Maitre, statt. Die Sitzungen fanden am 25. August im Zentrum für Sicherheitspolitik bei der UNO-Organisation für Meteorologie und am 26. August im Hôtel de Ville statt. Die Kommission wurde ausserdem von Vertretern der Genfer Regierung empfangen und besuchte den Hauptsitz der Serono SA, wo sie mit Vertretern der Geschäftsleitung folgende Themen diskutierte: Zukunft der Biotechnologie und Positionierung von Serono, Erfolg in der Forschung: Notwendigkeit guter und flexibler Rahmenbedingungen für den Forschungsstandort Schweiz sowie die Rolle von Immaterialgüterrechten für Innovationen.
Genf, 26. August 2003
Auskünfte: Nationalrat Jean-Philippe Maitre, Präsident der Kommission: 022/703 47 50 Stefan Brupbacher, Kommissionssekretär, Tel.: 079/789 13 81 Alexandre Füzesséry, Stv. Kommissionssekretär, Tel.: 031/322 98 58