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Ein riskantes Geschäft Leitartikel von Christine Richter über die Vergabe der Gaskonzession in Berlin.

03.06.2014 – 19:09 

Berlin (ots) -

Die Überraschung ist dem Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) gelungen: Die neue Konzession für den Berliner Gasvertrieb soll nicht an die Gasag, sondern an das landeseigene Unternehmen "Berlin Energie" vergeben werden. Dies teilte Nußbaum am Dienstag erst dem Koalitionspartner CDU, dann dem Senat und anschließend der Öffentlichkeit mit. Die Gasag ist seit dem 19. Jahrhundert in Berlin tätig und hat also reichlich Erfahrung beim Gasvertrieb, "Berlin Energie" ist bei der Verwaltung von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) angesiedelt und hat bislang keinerlei Erfahrung mit dem Energiegeschäft. Nachvollziehbar, dass die Gasag-Manager am Dienstag regelrecht schockiert waren. Zumal die Entscheidung denkbar knapp ausgefallen sein soll: 299 Punkte im Bewertungsverfahren für die Gasag, 311 Punkte für Berlin Energie.

Bei der Vergabe der Gaskonzession für die nächsten zehn Jahre handelt es sich um ein sogenanntes diskriminierungsfreies Wettbewerbsverfahren. Man darf also davon ausgehen, dass objektiv beide Angebote bewertet wurden. Welche Rolle die Erfahrung spielte, warum ein landeseigenes Unternehmen, das gute Arbeit oder mehr Verbraucherfreundlichkeit für die Zukunft verspricht, zum Zuge kommt, die erfahrene Gasag - im Besitz der privaten Unternehmen Vattenfall, Gaz de France und Eon - dagegen nicht, das wird Nußbaum der CDU und im Abgeordnetenhaus erklären müssen. Die Gasag jedenfalls, für die es um viele Millionen Euro Einnahmen geht, kündigte schon an, gegen die Entscheidung zu klagen.

Auch wenn sich für den Berliner Verbraucher erst einmal nichts ändern wird, so ist es doch ein gewagtes Geschäft, dass Nußbaum da eingeht. Denn "Berlin Energie" muss das Leitungsnetz samt Steuerzentrale übernehmen - für rund eine Milliarde Euro. Geld, das das bisher in der Praxis unerfahrene Landesunternehmen nicht hat und über Kredite finanzieren müsste - und diese dann aus den Gewinnen zurückzahlen würde. Ist das wirtschaftlich sinnvoll? Ergibt es wirklich Sinn, die Gasag zu zerschlagen? Wenn man wie Nußbaum denkt, der ein Fan der Rekommunalisierung ist und am liebsten alles unter seine Aufsicht stellen würde - manch einer in Berlin spricht schon lange vom "VEB Nußbaum" -, ist es der konsequente Weg. Für den Berliner Steuerzahler bleibt es ein riskantes Geschäft.

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