Media Service: Schweizer Presserat; Stellungnahme 72/2011 (http://presserat.ch/_72_2011.htm)
Interlaken (ots) -
Parteien: Ziegler/Kantonsgericht Schwyz c. «SonntagsBlick»
Thema: Schwere Vorwürfe aus amtlicher Quelle / Unterschlagung wichtiger Informationen
Beschwerde teilweise gutgeheissen
Zusammenfassung
Stützt sich ein schwerer Vorwurf auf eine amtliche Quelle ist eine Anhörung des Betroffenen vor der Veröffentlichung nicht zwingend. Verzichten sie ausnahmsweise auf eine Anhörung haben Journalistinnen und Journalisten jedoch besonders sorgfältig darauf zu achten, dass sie keine wichtige Informationen unterschlagen. Im Juni 2011 kritisierte der «SonntagsBlick» das Kantonsgericht Schwyz und insbesondere Kantongsgerichtspräsident Martin Ziegler harsch. Anlass dazu bot die umstrittene Haftentlassung eines geständigen Angeschuldigten, dem sexuelle Handlungen mit einem 13-jährigen, behinderten Mädchen vorgeworfen werden. Besonderen Anstoss erregte der Umstand, dass der Angeschuldigte weiterhin im gleichen Haus wie sein Opfer wohnt. Zudem kritisierte der «SonntagsBlick», Kantonsgerichtspräsident Ziegler habe bereits bei den Tötungsdelikten «Boi» und «Lucie» umstrittene Entscheide gefällt, aufgrund derer eine parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt worden sei. Der Presserat heisst eine Beschwerde von Martin Ziegler und des Kantonsgerichts Schwyz teilweise gut. Zwar bewege sich die harsche, polemische Justizkritik des «SonntagsBlick» grundsätzlich im weit auszulegenden Rahmen der Kommentarfreiheit. Und die Zeitung habe die Beschwerdeführer vor der Veröffentlichung der sich teils auf amtliche Quellen stützenden und teils nicht neuen, massiven Kritik nicht zwingend anhören müssen. Hingegen hätte der «SonntagsBlick» zwei wichtige Informationen nicht unterschlagen dürfen: Zunächst, dass die umstrittene Haftentlassung nach Auffassung des Kantonsgerichts rechtlich unausweichlich war, weil gemäss der neuen gesamtschweizerischen Strafprozessordnung die Verlängerung der Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr nur möglich sei, wenn ein Beschuldigter bereits einschlägig vorbestraft ist. Zudem unterschlug die beanstandete Berichterstattung, dass die erwähnte parlamentarische Untersuchung das Verhalten des Kantonsgerichtspräsidenten als korrekt beurteilt hat.
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