Kindersitze im Auto: Wo bleibt die Familienfreundlichkeit?
Bern (ots) -
Beim TCS-Praxistest wurde klar: Nicht jedes Auto taugt zum Einbau von mehr als zwei Kindersitzen. So manches Auto macht den Eltern wegen zu kurzen Sicherheitsgurten oder schlecht zugänglicher Isofix-Verankerungen das Leben schwer. Die Kindersicherung muss jedoch einfach sein: Zwar ist die Sicherungsquote von Kindern im Auto mit rund 93% etwa gleich hoch wie bei Lenkern und Beifahrern. Jedoch haben die bfu und der TCS in einer kürzlich erschienenen Publikation darauf hingewiesen, dass nur die Hälfte aller Kinder richtig gesichert werden.
Der TCS hat 18 weitere beliebte Familienautos auf ihre "Kindertransportfreundlichkeit" hin untersucht; seit Juni 2010 durchliefen insgesamt bereits 60 Fahrzeuge den Test. Obwohl heute die Mehrheit der Neuwagen mit Isofix- und Top-Tether-Verankerungen ausgerüstet sind, konnte kaum ein Fahrzeug restlos überzeugen. Nicht nur zu kurze Gurten und ungünstig platzierte Isofix- und Top-Tether-Verankerungspunkte gaben gleich bei mehreren Autos Anlass zur Kritik. Einige Hersteller beschneiden die "Familienfreundlichkeit" ihrer Produkte auch unnötig mit restriktiven oder komplizierten Bedienungsanleitungen. Aber auch wenn die Bedingungen zur Kindersicherung in den Autos sehr unterschiedlich sind: Grundsätzlich können in den meisten drei oder eingeschränkt vier Kinder vorschriftsgemäss mitreisen. Möglichkeiten für noch ein oder zwei kleine Passagiere mehr bieten der Dacia Lodgy und der Opel Zafira Tourer. Wie bei den vorangehenden Tests wurden jeweils dieselben drei Kindersitze in den Testwagen installiert (Gruppe 0+ von 0-13kg, Gruppe I von 9-18kg und Gruppe II/III von 15-36kg). Alle verfügen über Isofix und haben beim TCS-Kindersitztest gut abgeschnitten. Der Test "Kindertransportfreundlichkeit" basiert auf einer möglichen Kindersitz-Konstellation, die den Vergleich der Fahrzeuge untereinander zulässt. Wer mehrere Kinder transportieren will, sollte zur Evaluation seines Familienautos eine Probefahrt mit Kindern und Kindersitzen organisieren.
Kinder sollten nicht auf dem Beifahrerplatz transportiert werden
Aus Sicherheitsgründen empfiehlt der TCS, die Kinder nicht auf dem Beifahrerplatz, sondern im Fond zu transportieren. Insbesondere bei rückwärtsgerichteten Kindersitzen muss der Beifahrer-Airbag zwingend deaktiviert werden. Bei acht der getesteten Fahrzeuge dürfen die Beifahrersitze grundsätzlich mit Universal-Kindersitzen aller Kategorien bestückt werden. Beim Fiat Doblò und Opel Combo Combi muss der Beifahrer-Airbag nicht per Schlüssel dort deaktiviert werden, wo auch der Kindersitz montiert wird, sondern per Menü-Funktion vom Fahrersitzplatz aus. Die Gefahr des Unterlassens ist bei der nicht selbst erklärenden Manipulation grösser. Bei den Modellen Chevrolet Cruze, Opel Ampera, Opel Zafira und Peugeot 4008 wird der Einbau von Kindersitzen auf dem Beifahrersitz in der Bedienungsanleitung eingeschränkt ("nicht geeignet bzw. nicht zugelassen für die Kategorien II und III"). Beim Dacia Lodgy dürfen laut Hersteller nur entgegen der Fahrtrichtung montierte Sitze der Gruppe 0, 0+ und I montiert werden. Im CX-5 vorne rechts nicht geeignet sind laut Mazda Rückhaltesysteme der Kategorie 0 und 0+. Subaru hat bei den Modellen Legacy und XV keine Deaktivierung für den Beifahrer-Airbag vorgesehen, laut Betriebsanleitung müssen Kindersitze grundsätzlich im Fond montiert werden.
Zweite Reihe ideal für Kindertransporte
Idealerweise reisen Kinder auf den äusseren Sitzplätzen der zweiten Reihe. Kindersitze sollten sich dort entsprechend einfach montieren lassen. Die Modelle Dacia Lodgy, Fiat Doblò, Hyundai i30 Wagon, Opel Zafira Tourer und Skoda Roomster erhalten hierfür die Note "gut", der Opel Combo Combi sogar die Note "sehr gut". Die Sicherheitsgurten sind gut 10 cm länger als beim verwandten Fiat Doblò. Der Fiat Doblò und der Opel Combo Combi bieten dank praktischen Schiebetüren auch einen hervorragenden Zugang zum Innenraum. Der Opel Zafira Tourer und der Skoda Roomster punkten auch mit Variabilität, zum Beispiel dank individuellen, längs verstellbaren Fondsitzen. Gut arrangiert ist der Hyundai i30 Wagon, der zwar bezüglich Platz nicht an die grösseren Vans heran kommt, aber beim Kindersitzeinbau bezüglich Handling - vom schlecht platzierten Top-Tether-Verankerungspunkt abgesehen - kaum Schwächen zeigt.
Alle übrigen Testfahrzeuge erhielten die Note "befriedigend". In den meisten Fällen deshalb, weil der Platz seitlich bauartbedingt beschränkt ist. So konnten etwa die drei Testkindersitze zwar meistens noch knapp installiert werden, aber nur, wenn keiner der äusseren Sitze in einer Isofix-Verankerung gesichert ist. Hervorragende Platzverhältnisse längs bietet der Hyundai i40. Beim BMW 3er, Opel Zafira Tourer und Subaru XV sind die Isofix-Verankerungspunkte perfekt sichtbar und sehr gut erreichbar. Wenig benutzerfreundlich in diesem Bereich sind der Honda Civic, der Nissan Qashqai, der Skoda Roomster und der Subaru Legacy. Die Verankerungsbügel sind teils unter Stofflaschen versteckt und nur schwer zugänglich. Die Top-Tether-Verankerungspunkte sind beim BMW 3er ideal platziert. Sie befinden sich unmittelbar hinter der Kopfstütze: Der Einbau des Kindersitzes erfordert weder ein Verschieben oder Verstellen des Sitzes noch ein Öffnen des Kofferraums. Ähnlich praktisch zeigt sich auch der Subaru Legacy: Der Verankerungspunkt sitzt gut erreichbar im Dach, schränkt allerdings die Sicht nach hinten etwas ein. Schlecht arrangiert sind die Top-Tether-Verankerungspunkte bei den Hyundai-Modellen i30 und i40: Sie befinden sich am Laderaumboden und schränken das Ladevolumen ein. Noch ungünstiger ist die Situation beim Kia Cee'd, denn der eingehängte Top-Tether-Gurt führt durch den ganzen Kofferraum bis zur Ladekante. Beim Nissan Qashqai ist der dritte Verankerungspunkt nicht fertig vorbereitet. Im Peugeot 4008 und im Volvo V40 wird dank hervorragender Gurtlängen auch die Montage von Kindersitzen, die einen langen Gurt voraussetzen (z.B. Babyschale), einfach ermöglicht. Bezüglich Länge knapp bemessen sind die Gurten des BMW 3er, des Mazda CX-5, des Nissan Qashqai und des Opel Zafira. Zu kurz sind die Gurten des Hyundai i40 Kombi und des Opel Ampera.
Der mittlere Sitz der zweiten Reihe ist bezüglich Platzangebot beim Dacia Lodgy, Fiat Doblò und Opel Combo Combi "gut", beim Hyundai i30 immer noch "befriedigend". Auch der Opel Zafira Tourer hätte komfortable Platzverhältnisse, der mittlere Sitzplatz ist laut Bedienungsanleitung jedoch nicht für Kinder zugelassen. Beim Skoda Roomster lässt sich ebenfalls ein dritter Sitz in der Mitte installieren, die Bedienungsanleitung gestattet jedoch nur solche in Fahrtrichtung. Die übrigen Testwagen sind entweder eingeschränkt im Platz, oder der Mittelsitz ist laut Hersteller schlicht nicht für alle universellen Kindersitz-Kategorien geeignet oder zugelassen. Am restriktivsten ist wiederum Subaru: Der mittlere Sitz der zweiten Reihe ist sowohl beim Legacy als auch beim XV nicht für Kinder geeignet.
Dritte Sitzreihe als Alternative
Eine dritte Sitzreihe, die auch für universelle Kindersitze nutzbar ist, steht nur im Opel Zafira Tourer serienmässig zur Verfügung. Der Dacia Lodgy bietet dasselbe, sofern die dritte Sitzreihe mitbestellt wird. Auch beim Fiat Doblò und beim Opel Combo Combi sind die Plätze sechs und sieben auf Wunsch lieferbar, jedoch sind diese bei beiden laut Hersteller nicht für Kinderrückhaltesysteme geeignet bzw. nicht zulässig.
Kontakt:
Stephan Müller, Mediensprecher TCS, 058 827 34 41, 079 302 16 36,
stephan.mueller@tcs.ch
Die TCS-Bilder sind auf Flickr -
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Die TCS-Videos sind auf Youtube - www.youtube.com/tcs.
Die detaillierten Ergebnisse sind im Internet unter www.pressetcs.ch
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