economiesuisse - Exporte stützen, Binnenwirtschaft hat Wachstumshöhepunkt überschritten
Zürich (ots) -
Die Schweizer Konjunktur verliert leicht an Schwung. Der Grund sind zum einen «anämische» europäische Märkte. Zum anderen laufen binnenwirtschaftliche Wachstumstreiber der letzten Jahre aus. So haben beispielsweise das Gesundheitswesen und das Bauhauptgewerbe ihre Wachstumshöhepunkte überschritten. Auch die Reallohnerhöhungen oder die Zuwanderungs¬raten werden 2015 nicht mehr so stark ausfallen wie 2014. In einem schwierigen Umfeld behauptet sich die Exportwirtschaft gut und profitiert von Absatzmärkten ausserhalb der Eurozone. Entsprechend wird das Bruttoinlandprodukt der Schweiz im nächsten Jahr voraussichtlich um 1,6 Prozent zunehmen, bei einer geringfügig steigenden Arbeitslosenquote von 3,3 Prozent.
Die Weltwirtschaft wächst 2015 zwischen drei und vier Prozent. Das Wachstum ist jedoch sehr ungleich verteilt. Die Schweiz als europäische Exportnation leidet besonders unter dem schwachen Wachstum der Eurozone. Gravierend ist vor allem die schlechte wirtschaftliche Verfassung unserer Nachbarländer Italien und Frankreich. Aber auch die europäische Konjunkturlokomotive Deutschland schwächelt. Im Strudel der grossen Euroländer ist für ganz Kontinentaleuropa 2015 wiederum mit wenig Wachstum zu rechnen. Immerhin finden die Südländer Spanien, Portugal und Griechenland allmählich aus der Rezession heraus und wachsen 2015 wieder. Damit wird die rekordhohe Arbeitslosigkeit in Europa allerdings nur langsam sinken. Positiver Lichtblick in Europa ist die Konjunktur in Grossbritannien mit einem Wachstum von gegen drei Prozent. Auch die irische Volkswirtschaft wird 2015 deutlich zulegen.
Für die Schweizer Wirtschaft ist insgesamt die schwache europäische Konjunktur ein Bremsklotz, der das Exportwachstum begrenzt. Dennoch schlagen sich die Schweizer Exporteure in diesem schwierigen Umfeld gut. Das Exportwachstum 2015 wird vor allem von den aussereuropäischen Märkten getragen. Besonders die USA haben zu einem robusten Wachstum zurückgefunden. Auch Südostasien wird weiterhin stark zulegen. Das chinesische Wachstum wird sich zwar im Vergleich zu den letzten Jahren leicht reduzieren, aber immer noch starke Impulse für die Weltwirtschaft aussenden. Auch Indien und Indonesien legen deutlich zu. Doch nicht nur die europäische Volkswirtschaft schwächelt. Japan wird 2015 nur moderat zulegen und Russland wird im besten Fall stagnieren.
Die Schweizer Wirtschaft profitiert in diesem Umfeld weiterhin von der Tatsache, dass sie mit einem breiten Branchenmix mit innovativen Produkten weltweit gut aufgestellt und in allen Wachstums¬märkten aktiv ist. Die Exportwirtschaft profitiert insgesamt von einer Abschwächung des Frankens gegenüber dem Dollar und anderen Währungen ausserhalb Europas. Zudem reduzieren sich die Beschaffungskosten aufgrund der tieferen Rohstoffpreise. Das kommt auch den Weltmärkten zugute.
Schweizer Exporte legen in schwierigem Umfeld zu Im nächsten Jahr werden die Uhrenindustrie und die Medizinaltechnik weiterhin Treiber der Schweizer Exportwirtschaft sein. Etwas weniger dynamisch, aber dennoch weiterhin überdurchschnittlich entwickeln sich die chemisch-pharmazeutischen Exporte. Auch die Textilindustrie wird ihre Export¬zahlen klar erhöhen können. Eher unterdurchschnittlich entwickeln sich die Exporte der stark auf Europa ausgerichteten Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Auch die Dienstleistungsexporte wachsen nicht in den Himmel. Die Bankenindustrie als jahrelanger Wachstumstreiber steht trotz Neugeldzufluss aus dem Ausland vor der grossen Herausforderung, im Tiefstzinsumfeld nachhaltig Erträge zu generieren. Vor dem Hintergrund eines eigentlichen Anlagenotstands wird es schwierig sein, die Wertschöpfung zu erhöhen. Auch die Hotellerie wächst unterdurchschnittlich, weil die schwachen Märkte der Nachbarländer ins Gewicht fallen. Insgesamt rechnet die Schweizer Wirtschaft mit einem Wachstum der Dienstleistungs- und Warenexporte in der Höhe von 2,9 Prozent.
Binnenwirtschaft: Wachstumshöhepunkte sind überschritten Die Binnenwirtschaft der Schweiz profitiert 2015 davon, dass die Nominallöhne um durchschnittlich ein Prozent steigen. Dies sorgt zusammen mit der tiefen Inflationsrate für eine Reallohnerhöhung, die zwar klar positiv ist, aber doch etwas kleiner als im Vorjahr ausfällt. Auch von der Zuwanderung sind keine zusätzlichen Impulse zu erwarten. Vielmehr ist aufgrund der Wachstumsabschwächung davon auszugehen, dass die Zuwanderung leicht sinken wird. Auch das Bauhauptgewerbe hat den «Peak» überschritten. Hier werden die Auswirkungen der Zweitwohnungsinitiative 2015 durchschlagen. Die Baubewilligungen sind rückläufig und im Tiefbau fehlen neue Grossprojekte. Die Bautätigkeit in der Schweiz wird aber nicht einbrechen, sondern auch 2015 ein hohes Niveau aufweisen. Etwas zulegen wird hingegen das Ausbaugewerbe, wo der Nachfrageüberhang noch anhält. Auch die Informations- und Telekommunikationsindustrie wird vor allem im Unternehmensbereich wachsen.
Obwohl das Gesundheitswesen weiterhin zulegt, ist das Wachstum im Vergleich zu den letzten Jahren unterdurchschnittlich. Ähnliches gilt für die Versicherungswirtschaft, die sich 2015 robust, aber nicht euphorisch entwickelt. Binnenmarkttreiber stellen hingegen die Beratungsunternehmen, Treuhand- und Revisionsgesellschaften dar. Sie weisen aufgrund struktureller und regulatorischer Änderungen volle Auftragsbücher auf. Insgesamt reichen die positiven Impulse aber nicht aus, um die Wachstums-verlangsamung aufhalten zu können.
Für die Verwendungskomponenten des BIP haben diese Branchenaussichten zur Folge, dass der private Konsum weniger stark zulegen wird als im Durchschnitt der letzten Jahre. Insgesamt werden die Bauinvestitionen 2015 mehr oder weniger stagnieren. Schliesslich belastet die Unsicherheit rund um die Weiterführung der bilateralen Verträge auch die Ausrüstungsinvestitionen.
Monetäres Umfeld bleibt konstant
Die Zinsen in der Schweiz werden auch 2015 tief bleiben. Da die Inflationsrate nahe am Nullpunkt verharrt und für 2016 keine Inflationstendenzen auszumachen sind, kann die SNB die Wechsel¬kurs¬untergrenze von 1.20 Franken beibehalten und ihre Tiefstzinspolitik weiterführen. Besonders Ersteres ist auch deswegen nötig, weil davon auszugehen ist, dass die EZB mit weiteren Massnahmen Liquidität bereitstellen und die Kreditvergabe so stimulieren will. Demgegenüber ist das Ende der ultra-expan¬siven Geldpolitik in den USA in Sicht und mit (wohl kleinen und eher zögerlichen) Zinserhöhungen im Laufe 2015 zu rechnen.
Abwärtsrisiken dominieren
Die Weltwirtschaft ist an einem kritischen Punkt. An den Finanzmärkten setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass die Geldpolitik keine strukturellen Probleme lösen kann. Sie führt im Gegenteil eher dazu, dass die Politik die notwendigen Reformen nicht aufgleist, sondern vertagt. So fehlen der Mut und die Einsicht zu grundlegenden Reformen etwa in Italien und in Frankreich. Entsprechend sind Investoren gerade gegenüber Engagements in der Eurozone vorsichtig. Die Verschuldung steigt immer noch. Ein Wiederaufflammen der Eurokrise ist daher - auch wenn Fortschritte bei der Bereinigung der Bankenbilanzen erzielt wurden - leider immer noch möglich und eine wirtschaftliche Negativspirale nicht gänzlich auszuschliessen. Weiter kann der Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik in den USA zu grösseren Verwerfungen an den Finanzmärkten und zu Währungsturbulenzen führen.
Die jüngste Wachstumsabschwächung in China stellt ein weiteres Abwärtsrisiko für die Weltwirtschaft dar. Ob die vorgenommenen Zinssenkungen ausreichen werden, um die Konjunktur zu beleben, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die vielfach politisch motivierte Kreditvergabe könnte sich als Bumerang erweisen, ist doch bei der Effizienz der entsprechenden Investitionen ein Fragezeichen zu setzen. Weitere konjunkturelle Risiken könnten sich aus dem Verlauf der Ukraine- und der Nahostkrise ergeben.
Nach dem Abstimmungswochenende ist immerhin klar, dass die Schweizer Bevölkerung keine radikale Einschränkung der Zuwanderung will. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass es zu grossen Konflikten mit unserem grössten Handelspartner und folglich zu starken Wachstumseinbussen für die Schweizer Volkswirtschaft kommen wird.
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Rudolf Minsch, Chefökonom
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