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Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD)

EVD: Gedanken über die Zukunft der Milchproduktion in der Schweiz

Bern (ots)

Ansprache von Bundesrat Joseph Deiss
Vorsteher des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements
anlässlich der
Delegiertenversammlung der Schweizer Milchproduzenten SMP
Bern, 9. April 2003,
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren 
Delegierte und Gäste Es freut mich, Ihnen zur heutigen 
Delegiertenversammlung die Grüsse der Landesregierung überbringen zu 
dürfen. Ich möchte in meinen Ausführungen zunächst eine 
Standortbestimmung zur Milchproduktion in der Schweiz vornehmen und 
Ihnen anschliessend meine Vorstellungen zur Zukunft dieses wichtigen 
Zweigs der Landwirtschaft vorstellen. Über die Milch ist in der 
Frühjahrs-Session der Eidgenössischen Räte im Rahmen der Beratungen 
zur Agrarpolitik 2007 viel gesprochen und Grundsätzliches 
beschlossen worden. Der Entscheid zum Ausstieg aus der 
Milchkontingentierung fand eine breite Zustimmung. Der Termin vom 1. 
Mai 2009 gilt nun als Fixpunkt für all unsere Planungen und weiteren 
Diskussionen. Auch wenn der 1. Mai 2009 noch weit entfernt scheint, 
dürfen wir die Mengen- und Preisentwicklung nicht aus den Augen 
verlieren. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass der Ausstieg 
dereinst unter günstigen Bedingungen vollzogen werden kann. Dazu ist 
es wichtig, dass Milchmenge und Milchpreis im Zeitpunkt des 
Ausstiegs im Marktgleichgewicht liegen. Seit Beginn der Reform der 
Agrarpolitik haben wir gemeinsam die Strategie verfolgt, die 
Marktanteile zu halten, oder besser noch auszubauen. Die 
Branchenorganisationen haben seit Dezember 2002 in diesem Punkt 
vermehrt Verantwortung zu übernehmen. Mit der Anpassung von Artikel 
31 des Landwirtschaftsgesetzes auf dem Dringlichkeitsweg hat ihnen 
das Parlament ein Instrument für die bedarfsgerechte 
Mengenfestsetzung in die Hand gelegt. Die einzelne 
Branchenorganisation kann bis zum Ausstieg aus der 
Milchkontingentierung von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Die 
Menge soll von den Produzenten, den Verwertern und allenfalls dem 
Handel bestimmt werden. Es geht um eine Schicksalsgemeinschaft, die 
sehr nahe am Markt operiert und die für den Absatz ihrer Produkte 
auch eng zusammenarbeiten muss.
Für das laufende und für das kommende Milchjahr ist es zudem auch 
die Gesamtbranche, welcher die Kompetenz der Mengenfestsetzung 
zusteht. Zusammen mit der Vereinigung der schweizerischen 
Milchindustrie (VMI) und der Fromarte, den gewerblichen 
Milchverwertern, hatten Sie dem Bundesrat das Begehren um Rücknahme 
der Menge von 104,5 auf 102,5 Prozent des Grundkontingentes 
gestellt; der Bundesrat hat diesem Begehren bekanntlich stattgegeben 
und die Kontingente entsprechend gekürzt. Dieser Entscheid war zur 
Bewältigung der damals bestehenden Krisensituation notwendig. Jetzt 
geht es darum, die Menge für die nächste Periode zu bestimmen. Sie 
haben ein gemeinsames Begehren der Gesamtbranche angestrebt, um dem 
Bundesrat eine weitere Reduktion der Milchmenge zu beantragen. Für 
dieses Bestreben habe ich in der momentanen Situation ein gewisses 
Verständnis, zeigt doch das für die Milchwirtschaft schwierige Jahr 
2002 noch Folgen. Die Suche nach einem gemeinsamen Nenner innerhalb 
der Branche ist aber vorerst gescheitert. Ich bedaure dies; damit 
ist die Mengenfrage nicht gelöst. Ich fordere deshalb die drei 
betroffenen Organisationen auf, einen weiteren Versuch zu 
unternehmen, um doch noch zu einer Einigung zu kommen. Solange ein 
allfälliges Begehren um Reduktion der Milchmenge das Grundkontingent 
von 100 Prozent nicht antastet, wird mein Departement dem Bundesrat 
einen entsprechenden Antrag unterbreiten. Das kann auch nach dem 1. 
Mai 2003 der Fall sein. Mein Ziel ist es, über diese Frage im 
Milchjahr 2003/04 nur einmal zu befi nden. Ich hoffe, dass damit 
bezüglich Milchmenge die Talsohle durchschritten ist und die 
schweizerische Milchwirtschaft wieder den Weg zu einer 
Vorwärtsstrategie fi ndet. Ich appelliere an alle Schweizer 
Milchproduzenten, sich der Zielsetzung einer produzierenden 
Landwirtschaft bewusst zu sein und die Verantwortung dafür 
wahrzunehmen. Die Chancen für eine solche Strategie sind vorhanden. 
Seit bald einem Jahr ist das bilaterale Abkommen mit der EU in 
Kraft. Dieses Vertragswerk öffnet der schweizerischen 
Milchwirtschaft die Möglichkeit, Marktanteile nicht nur zu halten, 
sondern auch auszubauen. Es gilt, diese Chance - speziell im 
Käsebereich - durch entsprechende Anstrengungen zu nutzen.
Nach den Rückschlägen in der Käseausfuhr sind es die 
Milchproduzenten, als Eigentümer vieler milchverarbeitenden 
Betriebe, welche aktiv eine Verbesserung der Vermarktung anstreben 
müssen. Eine genaue Marktbeobachtung und eine Analyse dessen, was 
der Markt bezüglich Preisen erlaubt, ist auf allen Stufen
wichtig. Dabei hat die Preisentwicklung in dem uns umgebenden EU-
Markt einen derart dominanten Einfl uss, dass Strategien, die darauf 
tendieren, mit Mengeneinschränkungen die Preise hoch zu halten, 
höchstens kurzfristig Erfolg haben können. Langfristig führen sie 
sowohl zu einem Verlust von Marktanteilen wie auch zu 
Preiseinbussen. In einem sich zur EU hin öffnenden Markt lässt
sich unser Milchpreis längerfristig nur um den Qualitätsbonus über 
jenem der EU halten. Dies mag in Ihren Ohren hart klingen, ist 
jedoch nicht als herbeigeredete Preisreduktion aufzufassen. Wenn ich 
nämlich die heute bestehende Stützung an Zulagen und Beihilfen pro 
Kilogramm Milch von den aktuell bezahlten Produzentenpreisen bei 
Verwertung der Milch zu Emmentaler in Abzug 
bringe, so zeigt sich, dass der Rohstoff nicht mehr kostet als in 
der EU. Folglich liegen die Gründe für die Absatzschwierigkeiten 
unseres wichtigsten Käses im Export im wesentlichen nicht beim 
Rohstoffpreis. Österreich beispielsweise hat seine Käseexporte in 
den vergangenen Jahren stark ausgedehnt und die Schweiz sogar 
überholt. Dass uns Österreich als Ski-Nation überfl ügelt, ist schon 
eine gar bittere Pille. Dass wir von unserem östlichen Nachbarland 
nun auch im Bereich des Käseexportes so deutlich distanziert werden, 
dürfen wir nicht einfach hinnehmen. Das soll uns zu verstärkten 
Anstrengungen anspornen.
Ich habe von den bestehenden Chancen für den Gewinn von Marktanteilen
gesprochen und die bilateralen Verträgen als ein Beispiel zu deren 
Wahrnehmung erwähnt. Im gleichen Atemzug kann ich auch die 
anstehende Osterweiterung der EU nennen; auch da öffnen sich 
Möglichkeiten, die es zu ergreifen gilt. Packen wir doch die Chance 
und überlassen nicht alles der Konkurrenz! Dass wir dazu fähig sind, 
ist mithin auf gut schweizerische Tugenden zurück zu führen;
ich zweifl e nicht daran, dass die Milchbranche allgemein daran 
anzuknüpfen versteht.
Um den Bogen noch weiter zu spannen, sei auch an die angelaufenen
Diskussionen zur neuen WTO – Runde erinnert. Gefordert werden 
bekanntlich ein weiterer Abbau der Exportbeihilfen, der internen 
Stützungen und der Zölle sowie die Erhöhung von Zollkontingenten. 
Ich habe ganz klar gesagt und wissen lassen, dass die Vorschläge, 
wie sie heute auf dem Tisch liegen, nicht akzeptiert werden können. 
Es wird schliesslich auch in dieser Runde darum gehen, einen Konsens 
zu fi nden. Klar, die Schweizer Wirtschaft ist darauf angewiesen, 
dass wir bei der WTO mitmachen. Das schliesst aber nicht aus, dass 
in unserem Land eine multifunktionale Landwirtschaft 
aufrechterhalten bleibt. Das will aber vorbereitet sein. Deshalb 
können alle Anstrengungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit 
ein Umsetzen der künftigen Beschlüsse erleichtern. Somit wird der 
Milchpreis künftig auch von dieser Seite unter Druck bleiben. 
Produzenten- wie auch Konsumentenpreise werden als Folge davon in 
jedem Fall sinkende Tendenz aufweisen. Diese Tatsache wollen wir in 
die Gestaltung unserer Zukunft einbeziehen. Nach dem 
Grundsatzentscheid für den Ausstieg aus der Milchkontingentierung 
gilt es, die Detailfragen zu beantworten. Nicht akzeptieren kann ich 
die bisweilen gehörte Kritik, der Bundesrat habe diesbezüglich noch 
kein Konzept vorgelegt. Abgesehen von den direkt in das Gesetz 
eingefügten Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der 
Milchkontingentierung (Art. 36b, d.h. Angebotsbündelung mit 
Vertragspfl icht, Sanktionsunterstützung zur Durchsetzung 
privatrechtlicher Mengenregelungen) verweise ich auf die Vielzahl 
von fl ankierenden Massnahmen, die bereits mit der Agrarpolitik 2002 
ins Landwirtschaftsgesetz aufgenommen wurden oder nun mit der 
Agrarpolitik 2007 vorgelegt werden. Es beginnt mit der staatlichen 
Marktbeobachtung. Als fl ankierende Massnahmen sind weiter auch die 
Bestrebungen zur Stärkung der Branchenorganisationen zu nennen, 
beispielsweise indem ihnen die Möglichkeit gegeben wird, Richtpreise 
festzulegen. Allerdings ist auch da zu hoffen, dass die 
Branchenorganisationen künftig ihre Schwerpunkte vermehrt auf 
Massnahmen legen werden, welche die Wettbewerbsfähigkeit fördern. 
Schliesslich bestehen im Bereich des Herkunftsschutzes und der fi 
nanziellen Unterstützung der Milchverwertung in Randregionen 
wichtige Instrumente, die zur Verbesserung der Wertschöpfung genutzt 
werden können. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam gute 
Lösungen fi nden werden. Sehr geehrte Damen und Herren, dem 
Bundesrat ist eine wettbewerbsfähige Milchwirtschaft innerhalb einer 
vielfältigen Landwirtschaft wichtig. Mit der Agrarreform und dem 
allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld werden Sie und Ihre 
Berufskolleginnen und –kollegen auf eine harte Probe gestellt. 
Nehmen Sie die Herausforderungen an und richten Sie Ihre Betriebe 
auf die absehbare neue Situation aus. Sie wissen, dass Sie dabei auf 
die Unterstützung des Bundes zählen können. Ich werde mich 
persönlich dafür einsetzen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien 
Gesundheit, Wohlergehen und Zuversicht für eine hoffnungsvolle 
Zukunft.

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