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Statistik der gerichtlichen Auflösungen von Ehen

Neuenburg (ots)

Scheidungen 2000: halbiert!
Mit  10'511 wurden gemäss den Erhebungen des
Bundesamtes für Statistik (BFS) im Jahr 2000 nur halb so viele Ehen
geschieden wie im bisherigen Rekordjahr 1999 (20'809). 2330 Urteile
entfielen noch auf das alte Recht. Die wichtigste Ursache für den
drastischen Rückgang ist nicht in der Aenderung des Verhaltens der
Ehepaare zu suchen, sondern im seit dem 1. Januar 2000 geltenden
neuen Scheidungsrecht. Aufgrund der Erfahrung mit einer ähnlichen
Umstellung des Scheidungsrechts in Deutschland wird erwartet, dass
sich die Scheidungszahlen auch in der Schweiz in wenigen Jahren
wieder den bisherigen Höchstwerten annähern werden.
Das neue Scheidungsrecht
Während Jahrzehnten stieg die Zahl der Scheidungen in der Schweiz
fast kontinuierlich an und erreichte im Jahr 1999 mit 20'809 den
bisherigen Höhepunkt. Das Absinken auf 10'511 im vergangenen Jahr ist
weitgehend eine Folge der neuen Rechtsgrundlagen. Seit dem 1. Januar
2000 steht bei Scheidungsprozessen nicht mehr die Schuld im
Mittelpunkt, sondern die Frage, ob eine Ehe so stark zerrüttet ist,
dass ihre Weiterführung mehr persönlichen und gesellschaftlichen
'Schaden' anrichten würde als eine Scheidung. Die Umstellung vom
Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip in Deutschland Ende der 70-er
Jahre hatte dort dieselben Auswirkungen auf die Scheidungszahlen.
Der drastische Rückgang kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt
werden: Von zentraler Bedeutung ist einerseits die bei den Gerichten
notwendige Uebergangszeit bis zur routinemässigen Anwendung des neuen
Scheidungsrechts, was in den ersten Jahren zu einer Verlängerung der
Prozessdauer führt. Es wird erwartet, dass sich die Normalisierung
der Gerichtsverfahren bereits im Jahr 2001 mit einer Zunahme der
Urteile gegenüber 2000 auswirken wird. Andererseits benötigen die
Rechtsbeistände der scheidungwilligen Paare viel Zeit, um eine
gemeinsame Vereinbarung zu erarbeiten, die eine zwingende
Voraussetzung für die im neuen Recht mögliche einvernehmliche
Scheidung darstellt. Ausserdem reagierten Gerichte bereits 1999 auf
das damals kurz bevorstehende neue Recht, indem sie in jenem Jahr
überdurchschnittlich viele  Scheidungsverfahren abschlossen, um sich
im Jahr 2000 möglichst ausschliesslich auf die neue Rechtslage
einstellen zu können. Das Rekordergebnis von 1999 - Zunahme gegenüber
1998 um insgesamt 2941 Urteile - war zu rund 70% auf die Zunahme in
den Monaten November und vor allem Dezember 1999 zurückzuführen.
Die Scheidungsgründe
Die Zerrütung der ehelichen Gemeinschaft war seit Jahrzehnten die
Hauptursache einer Scheidung gemäss der schweizerischen
Rechtsprechung: In den 50-er Jahren wurden rund 71% der Scheidungen
wegen Zerrütung ausgesprochen, in den 80-er Jahren waren es 94% und
im letzten Jahr vor der Einführung des neuen Rechts 99%. Die beiden
neuen ZGB-Artikel 111 und 112 (umfassende bzw. teilweise Einigung der
Eheleute als Grundlage für das Scheidungsurteil) lösten den bishergen
Urteilsgrund Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses ab. Rund 85%
aller Scheidungen wurden im letzten Jahr aufgrund einer Einigung
ausgesprochen.
Nicht alle Ehen wurden im vergangenen Jahr aber einvernehmlich
geschieden. Der neu eingeführte ZGB-Artikel 114 fordert ein
vierjähriges Getrenntleben, bevor die Scheidung ausgesprochen werden
kann, wenn sich die Ehefrau oder der Ehemann gegen eine Scheidung
wehrt. Nur bei 9% aller Urteile konnte dieser Artikel von den
Gerichten im ersten Jahr des neuen Rechts angewandt werden. Mit der
zunehmden Zahl der Paare, die in den kommenden Jahren die vierjährige
Trennungfrist erfüllen werden, wird auch die Zahl der Scheidungen auf
der Grundlage dieses ZGB-Artikels zunehmen.
Der vom Gesetzgeber eingeführte ZGB-Artikel 115 ermöglicht es den
Gerichten, die vierjährige Trennungsfrist bei einer Kampfscheidung zu
verkürzen. Im Jahr 2000 wurden 169 Ehen (2%) wegen Unzumutbarkeit der
Fortsetzung der Ehe vor Ablauf der notwendigen Trennungsfrist
geschieden.
Unterschiede zwischen den Kantonen
Die Verteilung der Urteile lässt darauf schliessen, dass die
Gerichte in fast allen Kantonen vor ähnlichen Situationen standen.
Auffallend tiefe Anteile sind bei den Scheidungen auf der Grundlage
einer vollständigen Einigung der Ehegatten (Art. 111) in den Kantonen
Basel-Stadt mit 52% und Waadt mit 64% zu finden. In diesen beiden
Kantonen wurden dagegen - wie in verschiedenen anderen Kantonen auch
- überhaupt keine Urteile nach einer Teileinigung (Art. 112)
ausgesprochen. Umgekehrt fallen im Kanton Appenzell-Ausserrhoden der
mit 13% weitaus tiefste Anteil einer Scheidung nacht Art. 111 sowie
mit 87% der mit Abstand grösste Anteil nach Art. 112 auf.
Hervorzuheben sind ausserdem die sehr hohen Anteile von
Scheidungen nach Ablauf der vierjährigen Wartefrist (Art. 114) in den
beiden - bereits genannten - Kantonen Basel-Stadt mit 42% und Waadt
mit 31%.
Fast einheitlich wurde in den Kantonen die Härteklausel, d.h. die
verkürzte Trennungsfrist nach Art. 115, mit Anteilen zwischen 0 und
7%, angewandt.
Neuerscheinung:
BFS aktuell, Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung,
Definitive Ergebnisse 2000 (7 Seiten), Neuchâtel 2001.
Bestellnummer: 0337-0103 (kostenlos)

Kontakt:

Walter Zingg, BFS, Sektion Bevölkerungsentwicklung,
Tel. +41 32 713 66 95

Publikationsbestellungen unter: Tel. +41 32 713 60 60,
Fax +41 32 713 60 61, E-Mail: Ruedi.Jost@bfs.admin.ch

Weiterführende Informationen finden Sie auf der Homepage des
BFS http://www.statistik.admin.ch

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